Espinar: Konflikte rund um die Kupfermine Tintaya-Antapaccay-Corrocohuayco

Die Kupfermine Antapaccay von Glencore befindet sich in der Provinz Espinar. Es handelt sich um ein Erweiterungsprojekt der 10 km entfernten Mine Tintaya, die 2014 geschlossen wurde. Der Abbau in Antapaccay startete im November 2012, im Jahr 2017 wurde die Mine bereits um das Projekt Corrocohuayco erweitert. Seit mehr als zehn Jahren gibt es insbesondere aufgrund der Umweltverschmutzung heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Konzern und den lokalen Dorfgemeinschaften.

Espinar ist eine von 13 Provinzen in der Region Cusco. Diese befindet sich im südlichen Hochland von Peru. Die Bevölkerung lebt mehrheitlich von der Landwirtschaft, knapp zwei Drittel sind Indigene des Stammes der Quechua. Glencore verfügt in der Provinz Espinar über eine konzessionierte Fläche von ca. 111’000 ha.
Die Kupfermine Tintaya wurde 1985 eröffnet und umfasste rund 5‘000 ha. 2006 gelangte Tintaya S.A. in die Hände des Schweizer Konzerns Xstrata, der im Mai 2013 mit Glencore in Glencore Xstrata plc. fusionierte und sich im Mai 2014 in Glencore plc umbenannte. Im gleichen Jahr 2014 wurde Tintaya geschlossen, hingegen war 2012 in 10 km Entfernung bereits das Expansionsprojekt Antapaccay mit der voraussichtlichen Dauer von 22 Jahren gestartet worden. Die Investitionen belaufen sich auf 1.5 Milliarden US-Dollar, pro Jahr werden 160‘000 Tonnen Kupfer abgebaut. Zusätzlich ist 2017 das Erweiterungsprojekt Corrocohuayco in Antapaccay integriert worden. Das Kupferkonzentrat wird aktuell im Hafen Matarani (Arequipa) verschifft.

Konzern schafft assistentialistische und parastaatliche Strukturen

Bei der Übernahme der Mine Tintaya bekannte sich der ehemalige Konzern Xstrata schriftlich zu dem 2003 zwischen Konzern und lokaler Bevölkerung geschlossenen Rahmenvertrag “Convenio Marco”. Xstrata verpflichtete sich in diesem Vertrag dazu, jährlich unabhängige Umweltstudien in Espinar zuzulassen und diese Resultate öffentlich zu machen.
Anstatt die im „Convenio Marco“ enthaltenen Vereinbarungen umzusetzen, gründete Xstrata eine eigene Stiftung und begann in Espinar so genannte „Entwicklungsprojekte“ umzusetzen. Dadurch schuf Xstrata über die Jahre eine assistentialistische und parastaatliche Struktur. Da die Dorfgemeinschaften um das ehemalige Abbaugebiet Tintaya und das aktuelle Operationsfeld Antapaccay überproportional mehr „Entwicklungsleistungen“ als die restlichen Dorfgemeinschaften der Provinz erhielten, provozierten diese Investitionen aus dem Bergbau soziale Spannungen und schufen neue Konfliktherde.

Konflikte und Klagen wegen Umweltverschmutzung
Die Unternehmensspitze hat bis heute nicht auf die Forderung der sozialen Basisorganisationen und Behörden aus Espinar nach Abklärung der Umweltverschmutzung durch unabhängige Stellen reagiert. Nach dem Amtsantritt des vorgängigen Bürgermeisters Oscar Mollohuanca entnahmen und analysierten Mitarbeiter*innen der Provinzregierung und des Menschenrechtsbüros der Diözese von Sicuani Wasser- sowie Bodenproben und dokumentierten die wiederholt auftretenden Fehlgeburten und Missbildungen von Tieren. Die damit belegte Kontaminierung der Umwelt und Gesundheitsschädigungen gaben den lokalen Behörden und sozialen Basisorganisationen die nötige Grundlage, um juristische Schritte gegen Xstrata einzuleiten. Am 24. November 2011 reichte der damalige Bürgermeister Oscar Mollohuanca eine Strafanzeige gegen Xstrata Tintaya wegen Umweltverschmutzung und am 10. April 2012 eine „Schutzklage zur Wahrung der Bürgerrechte“ beim Zivilgericht ein.

Am 21. Mai 2012 führte die beharrliche Weigerung des Unternehmens, auf den Vorwurf der Umweltverschmutzung einzugehen und endlich Studien zu veranlassen, zur Mobilisierung der Bevölkerung von Espinar. Die Proteste wurden von der Polizei gewaltsam niedergeschlagen, es kam zu über 90 Verletzten und drei Todesopfern. Ausserdem wurden Protestierende auf dem Gelände von Xstrata Tintaya in einem improvisierten Gefangenenlager festgehalten und waren körperlichen wie auch psychischen Misshandlungen durch die Polizei ausgesetzt. Im Verlauf der gewaltvollen Proteste wurde Oscar Mollohuanca zusammen mit anderen Bergbaukritiker*innen verhaftet und anschliessend mit unzähligen Anzeigen eingedeckt. Das Verfahren wurde Ende 2014 teilweise eingestellt, im Juli 2017 erfolgte nach fünf Jahren der Freispruch. Zuvor war am 21. Juni 2016 in Peru eine Verfassungsbeschwerde eingereicht worden, da auch international bekannt worden war, dass die Polizei und das Unternehmen im Rahmen eines offiziellen Vertrages zusammenarbeiteten. Am 31. Oktober 2017 wurde am Obersten Gericht in England ein Gerichtsverfahren wegen der Polizeirepression vom 21. Mai 2012 eröffnet und die Aussage von 22 Zeug*innen aus Peru aufgenommen.

Im Januar 2014 erhielt Xstrata Tintaya eine Busse von 84’000 US Dollar für die Verschmutzung von Weideland im Umfeld ihrer Kupfermine in Espinar. Xstrata Tintaya argumentierte, dass das Kupfer auf natürliche Weise im Boden vorkäme und nicht das Resultat einer Verschmutzung durch die Kupfermine sei. Die Untersuchungen kamen hingeben zum Schluss, dass das Metall beim Pumpen von Wasser durch einen Kanal ausgesprüht wurde. Es wurde eine Kupferbelastung von fast 1’800% des natürlichen Vorkommens und über 3’000% der laut internationalen Standards erlaubten Menge gemessen.

Ende 2014 wurden die Ergebnisse einer durch das Gesundheitsministerium durchgeführten Untersuchung an der Bevölkerung von Espinar publiziert. Im Blut und Urin wurde eine erhebliche Schwermetallbelastung festgestellt. Ein an der Studie beteiligter Arzt reichte an verschiedenen Stellen Klagen ein, weil das Ausmass der Schwermetallbelastung der Bevölkerung über mehrere Jahre vorenthalten worden war. Die Ergebnisse zeigten die Anwesenheit von Schwermetallen im Blut und Urin, die – wie z.B. Uran – unabhängig von der Höhe der Konzentration dort nicht vorkommen sollten. Erst als Ende 2015 eine ausführliche Reportage der peruanischen Medien über die Umweltverschmutzung erfolgte, verlangte das Regionalgericht von der Gesundheitsdirektion Akteneinsicht.

Am 11. September 2015 kam es zu Protesten der Bauern vor dem Eingang von Antapaccay. Sie brachten ihre toten Tiere mit und forderten, dass der Konzern seine am Runden Tisch von 2013 abgegebenen Versprechen hinsichtlich Behebung des Wassermangels und der Wasserverschmutzung endlich umsetzt. Es kam zu einem gewaltsamen Polizeieinsatz mit vier Verhaftungen. Ein Jahr später kündigten die sozialen Organisationen der Region einen Generalstreik an, wenn die Regierung nicht endlich auf die Forderungen der Bevölkerung einginge und ihre Versprechen erfüllen würde.

Ende 2017 kam erneut Unmut in der Bevölkerung auf, weil bekannt worden war, dass die Ausbeutung im Erweiterungsprojekt Corroccohuayco bereits begonnen hatte, ohne Publikation im Internet und offizielle Information, ohne consulta previa und ohne neue unabhängige Umweltstudie. Die Bevölkerung befürchtete Umsiedlungen und weigerte sich, an Informationsveranstaltungen teilzunehmen.

 

Am 3. April 2018 kam es in der Gemeinde Alto Huarca zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen der Polizei und indigenen Frauen. Lokale Organisationen verlangten erneut eine seriöse und unabhängige due diligence und Umweltstudie. An der Umweltimpactstudie vom Unternehmen kritisierten sie, dass sie überhaupt nicht auf den sozialen Kontext eingeht und die vergangenen Konflikte nicht berücksichtigt.

Kündigung von Gewerkschaftsmitgliedern
Da sich die Arbeitsbedingungen seit Beginn des Abbaus in der Kupfermine Antapaccay kontinuierlich verschlechtert hatten, beschloss eine Gruppe von Arbeitern am 23. November 2013 die Gewerkschaft der Antapaccay-Minenarbeiter Sindicato de Trabajadores Funcionarios de la Compañía Minera Antapacay (SITRAMINA) zu gründen. Kurz nachdem sie die Gewerkschaft in der Regionaldirektion für Arbeit in Cusco registrierten, erhielten sämtliche 35 Gründungsmitglieder ein Kündigungsschreiben. Das Unternehmen offerierte später die Wiedereinstellung, unter der Bedingung, dass sie aus der Gewerkschaft austreten würden und einen zu diesen Zweck den von den Firmenanwälten verfassten Brief unterschrieben. 28 der betroffenen Arbeiter stimmten diesem Vorschlag zu und wurden wieder eingestellt. Zwei Arbeiter kündigten die Stelle trotz der offerierten Wiederanstellung, die fünf Arbeiter die sich weigerten den Brief zu unterzeichnen, wurden nicht wieder eingestellt. Das Arbeitsministerium erklärte diese Entlassungen Mitte März 2014 als illegal und bestätigte dieses Urteil im Juli 2014 erneut. Die Arbeiter beschlossen Ende März 2014 den Streik, um Glencore zur Erfüllung ihrer Forderungen zu bringen.

Aktivitäten in der Schweiz

Seit 2011 verfolgt und begleitet MultiWatch die Ereignisse in Espinar, teilweise auch mit Präsenz vor Ort. Das erste Mal intervenierten wir mit einem Protestbrief an die Konzernleitung, als Xstrata die Bildung eines Komitees der Bürger*innen zur Vorbereitung des Runden Tisches zu verhindern versuchte.

Im April 2012, d.h. einen Monat vor den Ausschreitungen in Espinar, waren Oscar Mollohuanca und zwei Mitglieder von Basisorganisationen in der Schweiz und traten u.a. in der Xstrata-Generalversammlung auf, während MultiWatch vor den Türen des Anlasses mit einer Aktion auf die Situation in Espinar aufmerksam machte. Eine daraus resultierende Anfrage im Parlament beantwortete der damalige Bundesrat Johann Schneider-Ammann zurückhaltend, während das Seco sich in Schadensbegrenzung übte und Xstrata riet, in den Umweltschutz zu investieren.

Am 17. Mai 2013 machten wir erneut mit einer Aktion vor der GV von Glencore Xstrata plc. auf die Ereignisse in Espinar aufmerksam, dieses Mal mit Fokus auf die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und dem Unternehmen.

Zwischen dem 13. bis 18. Oktober 2014 besuchten auf unser Hinwirken und Organisation der Delegationsreise acht Mitglieder der Aussenpoltischen Kommission des Nationalrates (APK-N) Espinar.

Am 21. Mai 2015 forderten wir zusammen mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Derechos Humanos sin Fronteras, CooperAcción und Betroffenen in einem juristischen Gutachten, dass der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Wasser prüfen solle, ob Peru, die Schweiz und Glencore ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen verletzen würden. Nachdem Nationalrat Cédric Wermuth das Gutachten an den Bundesrat weitergeleitet hatte, zeigte dieser Bereitschaft, eine Untersuchung zur Umweltverschmutzung zu unterstützen.

Klage gegen Erweiterungsprojekt Glencore Kupfermine Antapaccay: Fehlende Konsultation der betroffenen Gemeinden

Glencores will die Aktivitäten der Kupfermine Antapaccay in Espinar (Peru) sowohl in Tintaya als auch in Antapaccay ausweiten und eine neues Bergbaugebiet in Coroccohuayco erschliessen. Die betroffenen Gemeinden klagen am 18. März 2019 bei der zuständigen Justizbehörde. Die Umweltverträglichkeitsstudie zu diesem gewaltigen Expansionsprojekt wurde ohne vorhergehenden Konsultation der betroffenen Gemeinden durchgeführt (siehe hier)!

Streik gegen Antapaccay

Am 20. Juni 2019 hat die indigene Gemeinschaft der Gemeinde Huancané Bajo in der Provinz Espinar (Peru) eine unbefristeten Streik gegen der vom Bergbaukonzern Glencore betriebenen Mine Antapaccay eröffnet und fordern eine sofortige Lösung der sozialen und ökologischen Probleme, welche durch die Mine verursacht wird (siehe hier).

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