Kuba: Internationale Solidarität in Zeiten von COVID-19

Die Gesundheitsversorgung von Kuba gilt als vorbildlich und als Gegenentwurf zu derjenigen in den westlichen Ländern, welche von den Profitinteressen der Pharmakonzerne geprägt ist. Jedoch muss das vom Embargo der USA gebeutelte Land gerade in der COVID-19-Krise leiden, unter anderem weil die Schweizer Banken Nothilfezahlungen sperren.


Ärzte der Brigade Henry Reeve sind im italienischen Turin im Einsatz gegen die Corona-Pandemie 

In Kuba gestaltet sich die gesundheitliche Situation gemessen an Lebenserwartung, Sterblichkeit der Neugeborenen und Kinder, Heilungsrate bei Krebs, etc. wesentlich besser als in andern Ländern Lateinamerikas (siehe Medicus Mundi Schweiz, 12.2012). Gerade punkto Säuglingssterblichkeit (bis zum Ende des 1. Lebensjahres) schneidet Kuba besser als die USA ab (siehe Netzwerk Cuba, 19.1.2019). Der Hauptgrund für diese Errungenschaft ist, dass die Gesundheitsversorgung für alle offen und kostenlos ist. Kuba eignet sich deshalb als Gegenentwurf zu einer Gesundheitsversorgung, die von den Profitinteressen der Pharmakonzerne getrieben ist.

Kuba: vorbildliche Gesundheitsversorgung

In Kuba erhält der Begriff der Hausärzt*in eine andere Bedeutung, denn die Ärzt*innen besuchen die Patient*innen in deren Zuhause, wie das war früher auch beispielsweise in der Schweiz üblich war. Auch mit der Forschung sind die Ärzt*innen eng verbunden, damit ihre alltäglichen Erfahrungen in dieser berücksichtigt werden (siehe Medicus Mundi Schweiz, 12.2012). Der besondere Effort von Kuba in der Gesundheitsversorgung widerspiegelt sich auch in der verhältnismässig hohen Ärzt*innendichte, gemessen als Zahl praktizierender Ärzt*innen pro 1000 Einwohner*innen: Auf 1`000 Menschen kommen 8 Ärzt*innen (siehe als Vergleich den Weltdurchschnitt 3.3/1`000, USA 3/1`000,  Deutschland 4/1`000 oder die Schweiz 4,2/1`000; Netzwerk Cuba, 19.1.2019 und Schweizerische Ärztezeitung, 29.3.2017). Die Grundlage dafür wurde bereits am 2.9.1960 mit der „Erklärung von Havanna“ gelegt, in welcher das Recht auf Befriedigung elementarer Bedürfnisse wie der Zugang zur Gesundheit als ethisches Grundprinzip der Revolution festgehalten wurde.

Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, dass die Gesundheitsversorgung von Kuba von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und zahlreichen Expert*innen als vorbildlich beschrieben wird (siehe Granma, 21.10.2015):

  • Das staatliches Gesundheitssystem verfügt über eine hierarchische Organisationsstruktur mit klarer Aufgabenteilung und Vernetzung der verschiedenen Ebenen.
  • Während in den westlichen Ländern das Gesundheitswesen stark nach einer marktwirtschaftlichen Logik ausgerichtet ist, liegt der Schwerpunkt in Kuba auf einer menschenorientierten, vorbeugenden Medizin.
  • Die medizinische Versorgung ist mehrheitlich kostenlos, nur teilweise wird für Medikamente ein geringer, eher symbolischer Beitrag erhoben.
  • Die Insel wird in Sektoren (areas) aufgeteilt. Die Bewohner*innen der jeweiligen Sektoren werden grösstenteils von den „medicos de la familia“, den Hausärzt*innen, versorgt. Zusammen mit Pflegefachpersonen betreut ein*e Hausärzt*in jeweils 120-130 Familien, also 600-700 Personen, in seinem*ihrem Sektor. Neben den herkömmlichen Tätigkeiten ist auch die sogenannte „Sozialmedizin“ Teil ihres Aufgabengebiets, dazu gehören unter anderem Schwangeren-, Kleinkind- sowie Altenbetreuung. Ebenfalls gehören präventive Medizin und die Rehabilitation zum Tätigkeitsgebiet.
  • Die Hausärzt*innen kooperieren bezüglich Fortbildung und Auswertung der Behandlungsdaten eng mit multidisziplinären Polikliniken.
  • Die ländlichen Gebiete, die vor der Revolution stark vernachlässigt wurden, verfügen heute über eine ausreichende Zahl von Polikliniken und Krankenhäusern.
  • Medikamente wie Impfstoffe werden in Kuba oftmals selber hergestellt. So wird die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet.
  • Neben der bereits erwähnten hohen Dichte an Ärzt*innen, wurde auch die Bettenzahl stetig gesteigert und liegt derzeit bei etwa 60`000.
  • Bei der Betrachtung der kubanischen Gesundheitsversorgung muss berücksichtigt werden, dass sowohl die Ressourcen als auch der Zugang zu internationalen Märkten sehr beschränkt sind. Trotzdem hält Kuba etwa 1`200 internationale Patente und verkauft Medikamente und Geräte in mehr als 50 Länder. Die Gesundheitsindustrie wird vollständig staatlich finanziert und zielt vorwiegend auf Medikamente mit strategischer Bedeutung für die Gesundheitsversorgung aller Menschen ab. Mehr als 60% der im Land verwendeten Fertigarzneimittel werden durch die heimische Produktion hergestellt. Dabei liegt auch die Handelsbilanz der Industrie während des gesamten Zeitraums 1995-2015 im positiven Bereich (mehr Informationen zum Thema im Artikel „Wie aus Kuba ein Biopharma-Gigant wurde“, 5.3.2018).

Die vorbildliche Gesundheitsversorgung wird jedoch durch die immer wieder auftretenden Wirtschaftskrisen gefährdet. Diese sind unter anderem auf das Wirtschaftsembargo der USA zurückzuführen, welches sich mit der Präsidentschaft von Donald Trump zusätzlich verschärft hat (siehe diverse Artikel von amerika21 zur Problematik „US-Blockade“). Dadurch ist Kuba auf Unterstützung von internationalen Organisationen angewiesen, um die gesundheitliche Versorgung auf diesem hohen Niveau aufrechtzuerhalten.

Kubanische Ärzt*innenbrigaden in Katastrophengebieten

Der Inselstaat investiert trotz der andauernder Wirtschaftskrise sehr viel in die Ausbildung von medizinischen Fachkräften: Kuba bildet jährlich zehn Mal mehr Ärzt*innen aus als die Schweiz (siehe Medicus Mundi Schweiz, 12.2012). Diese Fachkräfte arbeiten jedoch nicht nur in Kuba, sondern kommen auch in Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens zum Einsatz. Zudem werden in der „Escuela Latinoamericana de Medicina“ (ELAM) in Havanna tausende Medizinstudierende aus zahlreichen Ländern des Südens und sogar aus den USA gratis ausgebildet. Grosse Bekanntheit gewann die internationale Solidarität von Kuba durch die Ärzt*innenbrigaden, welche in Katastrophenfällen als Unterstützung entsandt werden:

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die kubanische Ärzt*innenbrigade “Henry Reeve” mit dem Preis für öffentliche Gesundheit ausgezeichnet (siehe amerika21, 28.5.2017). Jedoch wird kritisiert, dass der Einsatz von kubanischen Ärzt*innen in vielen Ländern entlöhnt wird und dem Land in den letzten Jahren als Haupteinnahmequelle diente (siehe amerika21, 22.11.2014). Von Venezuela erhalten sie als Gegenleistung subventioniertes Erdöl. Auch aufgrund der niedrigen Löhne für Gesundheitsfachpersonen in Kuba, sollen sich diese vermehrt für einen Einsatz in solchen Brigaden melden. Diese Kritik relativiert sich jedoch angesichts der langen Tradition der humanitären Hilfsmissionen und des schwierigen globalen Umfelds des sozialistischen Staates. Auf alle Fälle kann die kubanische Gesundheitsversorgung sowohl durch die Auslandseinsätze (Ebola) als auch Epidemien im Inland (wie zum Beispiel Dengue oder Zika) auf eine langjährige Erfahrung zurückgreifen, die sich in der COVID-19-Krise als wertvoll erweist.

Kuba: Internationale Solidarität – auch in der COVID-19-Krise

Es erstaunt nicht, dass Italien in der COVID-19-Krise von den EU-Staaten in Stich gelassen worden ist (siehe „Corona. Kapital. Krise“, 4.4.2020), während Kuba Ärzt*innenbrigaden in die Regionen Lombardei und Piemont schickte (siehe amerika21, 15.4.2020). Weitere Länder wie Honduras, Katar, Argentinien (siehe amerika21, 23.4.2020) oder Südafrika (siehe amerika21, 28.4.2020) konnten in dieser Zeit auf die Unterstützung und das Wissen kubanischer Ärzt*innen zählen.

Auch auf der Ebene der antiviralen Medikamenten erwies sich ein Wirkstoff, welcher in Kuba entwickelt wurde, als effektiv: Interferon Alpha-2B (siehe amerika21, 30.3.2020). Die sogenannten Interferone helfen in der Funktion von Signalproteinen dem Immunsystem, vom Virus befallene Zellen besser zu erkennen und die Vermehrung des Virus zu stören. Der Wirkstoff wurde bereits in den 1980er Jahren durch das Zentrum für Genetik und Biotechnologie (CIGB) entwickelt und dient seither als Behandlung verschiedener Karzinomarten, Hepatitis B und C, HIV und Dengue. Das in China unter dem Namen “Heberon® Alfa R“ bekannte Medikament wird in der von der pharmazeutischen Vereinigung Chinas herausgegebenen “Leitlinie zum Umgang mit der COVID-19- Epidemie” als erster antiviraler Wirkstoff bei der Behandlung von COVID-19 Patienten empfohlen. Zudem testet das CIGB ein neuartiges Molekül (mehr dazu unter Granma, 18.5.2020).

Schweizer Nothilfe für Kuba gesperrt

Obwohl sich Kuba auf internationaler Ebene solidarisch zeigt und sich an der Entwicklung von antiviralen Medikamente beteiligt, wiegt das Wirtschaftsembargo der USA schwer auf dem Gesundheitssystem von Kuba und gefährdet dadurch das Leben vieler Kubaner*innen. Auch die Schweiz spielt dabei eine unrühmliche Rolle:

Die Schweizer Banken spielen ebenfalls nach den Regeln der USA und verweigern jeglichen Geldtransfer nach Kuba, sei es auch für humanitäre Zwecke.

Des Weiteren stellen die Firmen IMT Medical AG und Acutronic Medical Systems AG, welche ihren Sitz in der Schweiz haben, den Verkauf von Beatmungsgeräten nach Kuba ein – Geräte, die für die Behandlung von COVID-19 betroffenen Patient*innen unerlässlich sind. Die beiden Firmen wurden in der Zwischenzeit von einer amerikanischen Firma aufgekauft.

MediCuba Suiza und Asociación Suiza-Cuba verurteilen diese Blockade (siehe Swissinfo, 21.4.2020). Währenddessen sieht sich Kuba mit einer Wirtschaftskrise konfrontiert. Mitte März 2020 erreichte die Krise den Höhepunkt, als die kubanische Regierung die Schliessung der Grenze für Tourist*innen beschloss (siehe Neues Deutschland, 23.3.2020). Am 11. Juni 2020 gab die Regierung den Plan für schrittweise Lockerungen bekannt – die Krise scheint in Kuba unter Kontrolle.