2020 lancierte Novartis eine nachhaltigkeitsbezogene Anleihe* (kurz SLB für Sustainability-Linked Bond). Die Anleihe im Wert von umgerechnet 1,95 Milliarden Franken wurde mit sozialen Zielen, insbesondere mit der erhöhten Zugänglichkeit für Medikamente im Globalen Süden, verbunden. Doch wie funktioniert diese Anleihe und führt sie tatsächlich zu Verbesserungen für betroffene Menschen?
*Anleihen sind Forderungspapiere, durch die eine Art Kredit am Kapitalmarkt aufgenommen wird und so etwa durch ein Unternehmen Fremdkapital beschafft wird. Sie verbriefen einen Rückzahlungsanspruch und Zinszahlungen als Gegenleistung für die Kapitalleihe. Es gibt auch sogenannte Null-Prozent-Anleihen, wie die nachhaltigkeitsgebundene Anleihe von Novartis, die keinen Zins zahlen. Dafür werden sie unter dem Nennwert herausgeben, aber beim Ablauf der Anleihe zum Nennwert zurückbezahlt. Die Novartis-SLB wurde zu 99,354 % ihres Nennwerts ausgezeichnet.
Konkret verpflichtete sich Novartis mit der Nachhaltigkeitsanleihe zur Umsetzung der folgenden zwei sozialen Ziele bis 2025: Zum einen müssen mindestens 200% mehr Patient:innen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen Zugang zu von Novartis selbst ausgewählten «strategischen, innovativen» Arzneimittel erhalten. Darunter fallen patentgeschützten Medikamente gegen nicht übertragbare Krankheiten wie bspw. Krebs oder Migräne. Zum anderen muss die Zugänglichkeit für Produkte gegen bis jetzt vernachlässigte oder infektiöse Krankheiten wie Malaria, Sichelzell-Krankheit, Lepra und Chagas-Kardiomyopathie um mindestens 50% im Vergleich zum Basisjahr 2019 gesteigert werden. Wenn Novartis die Zielvereinbarungen nicht einhalten kann, steigt ab 2026 der Zins an die Gläubiger:innen von 0 auf 0,25% an.
Kritik an der Novartis-SLB
Ob dies zu tatsächlich mehr Medikamentenzugänglichkeit für Menschen im Globalen Süden führt, wird allerdings in Frage gestellt. Kritisiert wird etwa die mangelnde Transparenz der Ziele und deren Messung. Denn im Gegensatz zum Grossteil der Nachhaltigkeitsanleihen (kurz ESG – Anleihen im Bereich Umwelt, Gesellschaft und verantwortungsvolle Unternehmensführung), die an bestimmte Projekte geknüpft sind und die ihre Mittel für soziale oder ökologische Zwecke ausgegeben müssen, ist dies bei der Unterform, den nachhaltigkeitsbezogene Anleihen (SLB) nicht der Fall. Es besteht hier nur eine Verpflichtung, Umwelt- oder Sozialziele in einer bestimmten Frist zu erreichen. Eine Rechenschaftspflicht, wofür finanzielle Mittel ausgegeben werden oder worden sind, existiert nicht. Die Glaubwürdigkeit der Zielumsetzung hängt lediglich von der Qualität der ausgewählten Indikatoren ab, die gemäss freiwilligen Grundsätzen des Branchenverbands ICMA «relevant, messbar und ehrgeizig» sein sollten. Es besteht daher die Befürchtung, dass die SLB und somit auch die Anleihe Novartis eher dazu dient, Präsenz im ESG-Bereich zu kennzeichnen. Dies kann auch erklären, warum die Nachfrage nach SLBs momentan viel schneller zunimmt als die projektgebundenen Formen der ESG-Anleihen.
Fragwürdige Messung der Ziele
Das Ziel der erhöhten Patientenreichweite will Novartis mit dem Gesamtumsatz-Volumen durch das Volumen pro Patientin oder Patienten messen. Dieses Messinstrument wird von Gesundheitsexpert:innen jedoch kritisiert. Nach ihrer Ansicht sei dies eine zu starke Vereinfachung. Diese führen zwar zu genauen Kennzahlen, aber die genaue Aussage darüber bleibe unklar. Auch kann der Umsatz nicht unbedingt mit der Reichweite gleichgesetzt werden, gerade wenn man an Probleme der Verteilung und Erschwinglichkeit denkt.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass als Ausgangsbasis für die Ziele das Jahr 2019 angegeben wurde. Ausgerechnet in diesem Jahr brach die Zahl der Patient:innen für die Produkte gegen Malaria, Sichelzell-Krankheit, Lepra und Chagas-Kardiomyopathie um fast die Hälfte (15 Millionen) des Vorjahres ein. Mit dieser Vergleichsbasis wird die Erreichung der Ziele viel einfacher, wie wenn man mit Zahlen aus den Vorjahren gearbeitet hätte.