Credit Suisse-Schuldenaffäre in Mosambik

Zwischen 2013 und 2014 hat die Regierung in Mosambik Projekte rund um Küstenschutz, Thunfischfang und einer Werft als Schritte aus der wirtschaftlichen Krise präsentiert. Die Schweizer Grossbank Credit Suisse war durch die Vergabe von Krediten in diese Vorhaben involviert. Aber die geplanten Projekte verliefen auf dubiose Weise im Sand und der mosambikanischen Bevölkerung blieb ein Schuldenberg.

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Die Bevölkerung von Mosambik ist gemäss UNO das neuntärmste Land der Welt. Umso skandalöser muten sich die Geschäftsgebaren von Mosambik mit Hilfe der Credit Suisse an, aus denen zwischen 2013 und 2014 drei Unternehmen in Mosambik entstanden, die vor allem vom Verteidigungsministerium und vom Geheimdienst kontrolliert werden. Bei der Finanzierung von zwei der drei Unternehmen war die CS (mit)verantwortlich:

  • ProIndicus für den Küstenschutz: In drei Phasen organisierte die CS in London für Proindicus 2013 die Finanzierung eines Kredits über 622 Millionen Dollar, um dafür in erster Linie rund ein Dutzend militärische Schnellboote und Radarsysteme zu kaufen.
  • Ematum für den Thunfischfang: Praktisch zur gleichen Zeit gaben die CS und die staatliche russische Bank VTB eine weitere Anleihe über 850 Millionen Dollar für Ematum heraus (siehe WOZ, 9.6.2016). Die CS hat rund 500 Millionen US-Dollar beigetragen und die entsprechenden Obligationen auf grosse Investor*innen weiterverteilt. Der jährlicher Zins betrug dabei 8,5 Prozent.

Mit dem Geld sollte Ematum eine Thunfischfangflotte inklusive bewaffneter Begleitboote zu deren Schutz aufbauen. Der Plan klingt simpel: Mit den Einnahmen der in die EU exportierten Fischen sollten einerseits die Zinsen beglichen und andererseits die Schulden zurückbezahlt werden. Für die Investor*innen war der Deal eine scheinbar wasserfester Deal, da der mosambikanische Staat für das investierte Geld bürgt.

Das dritte Unternehmen wurde im ähnlichen Zeitraum gegründet:

  • Moçambique Asset Management (MAM) für den Bau einer Werft: Weitere 535 Millionen von der VTB flossen an die staatliche Mozambique Asset Management. Auch diese Gelder sollen für die militärische Sicherung der Küste verwendet werden. Hier bürgt ebenfalls der moçambiquanische Staat für die Rückzahlung (siehe WOZ, 9.6.2016).

Diese Projekte manövrierte Mosambik noch weiter in die Schuldenkrise. Insgesamt sind Kredite in der Höhe von 2,07 Milliarden Dollar geflossen. Die Thunfisch-Fischereiflotte waren um 713 Millionen Dollar überteuert und weitere 500 Millionen Dollar sind versickert (siehe Infosperber, 5.3.2019).

Zweckentfremdung der geliehenen Gelder

Das Unternehmen Ematum hat nur einen äusserst kleinen Teil der 850 Millionen US-Dollar für den Thunfischfang ausgegeben. An Stelle von Fischkuttern wurden supermoderne Schnellboote, die angeblich die Fischkutter vor Piraten schützen sollten, gekauft (siehe für mehr Informationen zu den Schnellbooten die WOZ, 9.6.2016). Involviert in dieses Geschäft war die französische Schiffsbaufirma CMN. Viel Geld floss offenbar auch direkt ins mosambikanische Verteidigungsministerium. Darüber hinaus stellten sich die Fischkutter als untauglich heraus und erfüllen die Anforderungen der EU für den Thunfischfang nicht. Mit den finanziellen Mitteln der CS wurde eine Kapazitätsverdoppelung mosambikanischen Marine erreicht, aber keine Einnahmen durch den Thunfischfang, mit welchen die Zinsen hätten bezahlt werden sollen. Bis heute ist unklar, ob mit dem Kredit nicht auch noch Waffen gekauft worden sind (siehe Infosperber, 5.3.2019).

Heimliche Ausweitung der Staatsverschuldung

Die damalige Regierung hielt ein Teil der Kredite über Jahre geheim, obwohl diese durch eine Staatsgarantie, mit Zinssätzen zwischen 3,75 und 10,5 Prozent, abgesichert wurden (siehe Tages-Anzeiger, 7.9.2017). Weder das Parlament noch die Nationalbank wussten vom Kredit. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte keine Kenntnisse darüber. Begründet wurde die Geheimhaltung mit der nationalen Sicherheit. Eine Koalition von NGOs bezeichnen den Kredit als illegal. Laut der nichtstaatliche Organisation Jubilee Debt Campaign beträgt die Staatsschuld nun 11,6 Milliarden US-Dollar, was 93 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Als Reaktion auf die Ausweitung der Verschuldung sollen zwanzig Staatsunternehmen privatisiert oder geschlossen werden (siehe WOZ, 9.6.2016). Ende April 2017 beschloss das Parlament, die verfassungswidrigen Kredite im Nachhinein doch noch zu legalisieren (Infosperber, 14.11.2017).

Suspendierung der direkten Budgethilfe durch die internationale Gebergemeinschaft

In Abstimmung mit anderen Geberländern sowie dem Internationalen Währungsfonds hat die Schweiz die direkte Budgethilfe suspendiert hat (IWF: 165 Millionen Dollar Nothilfe und die Schweiz: 9,6 Millionen Franken Budgethilfe, siehe Tages-Anzeiger, 7.9.2017). Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco hält fest, dass Mosambik unrechtmässig Darlehen aufgenommen habe (Tages-Anzeiger, 7.9.2017). Die Schweiz und viele andere westlichen Ländern waren nicht einverstanden, dass mit ihren Hilfsgeldern Kredite bei privaten Banken wie der CS abbezahlt wurden (siehe WOZ, 9.6.2016). Daraufhin musste die Regierung Ende Oktober 2016 ihre Zahlungsunfähigkeit erklären.

Prüfungsbericht: Verletzung der Sorgfaltspflichten durch die Credit Suisse

Als eine Folge des Drucks der internationalen Gemeinschaft liess die Generalstaatsanwaltschaft von Moçambique Ende 2016 die globale Untersuchungsfirma Kroll ein 250-seitiger Prüfungsbericht erstellen (siehe hier). Dieser legt eine Verkettung von Fehlern und Missmanagement bei allen beteiligten Parteien, bei der moçambiquanischen Regierung, beim libanesischen Bootsanbieter Privinvest, aber auch bei der Credit Suisse (Tages-Anzeiger, 7.9.2017). Die Verfasser des Berichts fordern, dass die englischen Strafbehörden die Credit Suisse ins Auge fassen – CS London war für das Ausarbeiten der Darlehen verantwortlich. „Es besteht ein Risiko, dass die Credit Suisse keine angemessene Due Diligence […] vorgenommen hat“, heisst es im Prüfungsbericht. Im Allgemeinen hätte die Credit Suisse das Geschäft sorgfältiger prüfen sollen. V.a. der Geheimdienstler, der die drei Staatsfirmen leitete, hätte die CS unter den englischen Anti-Geldwäscherei-Regeln als PEP, als “politisch exponierte Person”, einstufen müssen. Aufgrund der laufenden Untersuchungen hat die CS verweigert, ihre Due-Diligence-Dokumentation offenzulegen. Kroll rät nun der Justiz von Mosambik, die Herausgabe zu erzwingen und die Dokumente über die internationale Strafrechtshilfe aus England zu beschaffen. Auch für das Umgehen des IWF und der Nationalbank von Mosambik bei der Kreditvergabe wurde die CS gerügt. Indem die Gelder direkt an den Lieferant der Boote, die libanesische Privinvest-Gruppe, floss und nicht direkt nach Moçambique, versuchten die beteiligten Banken Hürden bewusst zu umgehen.

Zwei CS-Banker fielen den Berichterstatter*innen durch ihre dubiosen Rollenwechseln auf: Andrew Pearse (im Bericht „Person B“), der bis im Juni 2013 für die CS in den Deal involviert war und im Oktober 2013 für Palomar Capital Advisors (eine Beratungsfirma aus dem Umfeld von Privinvest) zu arbeiten beginnt, und Dominic Schultens, welcher einen ähnlichen Wechsel vollzog. Palomar sollte die Regierung von Mosambik bei der Restrukturierung der Ematum-Schulden beraten. Zwei der Palomar-Gesellschaften hatten ihren Sitz in Zürich, 2016 wurden sie aus unbekannten Gründen liquidiert.

Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Kroll Prüfungsbericht ist bei Infosperber vom 7.11.2017 (siehe hier) zu finden.

Ermittlungen und juristische Verfahren in den USA und in Moçambique: Credit Suisse im Fokus

In der Schweiz nahm die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) Ermittlungen in dieser Sache auf, die Pendants in England (FCA) und den USA (SEC) taten dasselbe (Tages-Anzeiger, 7.9.2017). Die FINMA steht „wegen des Sachverhaltes `Mosambik` mit der Credit Suisse in Kontakt“. Ausserdem klären die FINMA und die britischen Aufsichtsbehörden den Fall „aufsichtsrechtlich“ ab. Zentraler Gegenstand sei die Frage der Einhaltung von „schweizerischen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen“ seitens der CS-Gruppe (siehe Briefwechsel von Thomas Kesselring mit der FINMA unter Infosperber vom 5.3.2019).

Auch das FBI hat Untersuchungen u.a. gegen die Credit Suisse aufgenommen – wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Korruption (siehe SRF, 12.11.2017).

Drei frühere Investmentbanker der Credit Suisse, Mosambiks Ex-Finanzminister und weitere Personen sind am 19.12.2018 in New York im Zusammenhang mit Krediten an das hochverschuldete Mosambik angeklagt worden (siehe Cash, 4.1.2019). Einer der Investmentbanker heisst Surjan Singh und war „Managing Director Credit Suisse UK“ (siehe Infosperber, 4.1.2019). Den Angeklagten werden u.a. Geldwäscherei, Selbstbereicherung und Manipulation durch Schmiergelder vorgeworfen (siehe für Anklageschrift hier). Laut Infosperber markierte die beklagte Deliktsumme von 200 Millionen Dollar nur die Spitze des Eisbergs. Die Credit Suisse selber wurde vom New Yorker Gericht nicht angeklagt und beteuert ihre Unschuld. In der Anklageschrift wird jedoch festgehalten, dass die CS stark von dieser Affäre profitiert habe, und liefert gleichzeitig viele Hinweise, dass auch die Credit Suisse eine grosse Verantwortung für die Abwicklung des Geschäfts trägt (für die Spurensuche siehe Infosperber, 5.3.2019). Mosambik will nun auch die CS-Investmentbank London zur Verantwortung ziehen und klagt die Grossbank in London an (siehe SRF, 1.3.2019).

Widerstand: Forderung einer Bündnis von Basisgruppen und NGOs

Als die Schuldenaffäre publik wurde, forderte ein Bündnis von Basisgruppen und NGOs (Fórum de Monitoria do Orçamento – FMO; für mehr Informationen siehe hier: www.fmo.org.mz) eine öffentliche Untersuchung dieser Affäre (siehe Club of Moçambique, 8.6.2016). Das Bündnis besteht aus folgenden Organisationen:

  • Mozambican Debt Group (GMD)
  • Coalition for Fiscal Transparency and Justice (CTJF)
  • Fórum de Monitoria do Orçamento/ Budget Monitoring Forum (FMO; für mehr Informationen siehe hier)

Die Untersuchung sollte die zusätzliche Verschuldung des Landes und dessen Auswirkungen auf die Bürger*innen eruieren. Ein Verzicht auf die Rückzahlung der Schulden ist ein Kernanliegen des Bündnisses, da Kreditaufnahme illegal geschah (siehe für das Positionspapier hier). Auch das Schweizer Hilfswerk Helvetas unterstützt als Teil der FMO dieses Anliegen. Die internationale Organisation Jubilee Debt Campaign (siehe hier) fordert von der CS, freiwillig auf die Rückzahlung der Schulden zu verzichten, da sie mindestens eine Teilschuld an der Schuldenaffäre trägt.

Krise in Mosambik spitzt sich aufgrund des Zyklons “Idai” zu

Aufgrund des verheerenden Zyklons «Idai» ist keinerlei Entspannung im Krisengebiet in Aussicht – selten hat ein Wirbelsturm im Südosten Afrikas so viel Zerstörung hinterlassen: Insgesamt sind dem Welternährungsprogramm WFP zufolge rund 600’000 Menschen von den Überschwemmungen betroffen – 242 Menschen starben alleine in Mosambik (Stand 21.3.2019; siehe SRF, 21.3.2019). UN Human Rights Experte fordert aufgrund dieser verheerenden Auswirkungen, dass die geheimen Kredite aus der Credit Suisse-Schuldenaffäre jetzt erst recht nicht zurückbezahlt werden sollen. Der Fokus gelte nun auf die Sicherstellung der Menschenrechte (mehr Informationen hier). Die Schweizer NGOs KEESA, Helvetas, terre des hommes schweiz und Solidar Suisse fordern ebenfalls einen Schuldenerlass (siehe hier). Auch Public Eye will Credit Suisse in die Verantwortung nehmen und reicht bei der Bundesanwaltschaft in Bern eine Strafanzeige gegen die Credit Suisse ein (siehe hier). MultiWatch und weitere Organisationen organisieren eine Speaker`s Tour vom 23-25.4.2019 in Basel, Bern und Zürich mit einer Delegation der FMO aus Mosambik – am 26.4.2019 findet die Generalversammlung der Credit Suisse statt. An dieser wird die Geschäftsleitung der Credit Suisse durch die Mitglieder der Delegation scharf kritisiert (siehe MutliWatch Video und Infosperber Artikel). MultiWatch lanciert im Anschluss zur Generalversammlung der Credit Suisse gemeinsam mit anderen Organisationen eine Petition, in derfordern wir die Credit Suisse dazu auffordern, dem krisengeschüttelten Mosambik die Rückzahlung eines undurchsichtigen Milliardenkredits zu erlassen (siehe hier).

Hintergrund: Schuldenkrise in Moçambique

Moçambique ist im Jahr 1984 dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank beigetreten (siehe DEZA-Bericht). Aus diesen Mitgliedschaften erwuchs ein umfassendes ökonomisches Strukturanpassungsprogramm im Jahr 1987, welches mit einer verstärkten Aufbauhilfe und einen Weltbank-Kredit von über hundert Millionen Dollar abgegolten wurde. Das Ziel der Strukturanpassungen war es, die extrem rezessive Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen, den Staatshaushalt auszugleichen und den mosambikanischen Markt für ausländische Investoren zu öffnen. Das radikale Strukturanpassungsprogramm enthielt folgende Elemente:

  • Abschaffung der bisher existierenden Fixpreise für Produkte des täglichen Bedarfs
  • Freigabe des Wechselkurses der Landeswährung Metical (mit Folge eines starken Wertverlustes gegenüber westlichen Währungen)
  • Privatisierung von 900 der rund 1200 Staatsbetrieben (Grossbetriebe gingen in der Regal an ausländischen Investoren)
  • Auflösung des Staatsmonopols im Bildungs- und Gesundheitswesen
  • Straffung der  Verwaltung
  • Kürzung der Löhne der Beamt*innen
  • Einführung einer strengen staatlichen Schuldenkontrolle
  • Partizipation von ausländischen, meist multinationalen Konzerne an den Ressourcen des Landes wie Kulturland, Mineralien und Energie
  • Förderung von Public-Private-Partnerschaften

Austeritätsprogramme, Umschuldungen und Schuldenerlasse schufen um die Jahrhundertwende Raum für neue Investitionen, neue und grössere Infrastrukturbauten und eine noch höhere Verschuldung. Leidtragende sind die Menschen in Mosambik: Laut Angaben der Weltbank leben dort 46 Prozent der Menschen unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung gilt als unterernährt; die Lebenserwartung liegt bei nur 58 Jahren (siehe hier). Die Kredite der Credit Suisse spitzt die Verschuldungsspirale zu und hat direkte Konsequenzen für die Bevölkerung: Moçambique spart u.a. im sowieso schon prekären Gesundheits- und Bildungswesen (siehe Infosperber, 5.3.2019).

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