Die Credit Suisse und der Deal mit den Polizeibooten in Maputo

Wie die Schweizer Grossbank über Milliarden in Afrika die Kontrolle verlor.

Ein Artikel des Tages-Anzeigers (7.9.2017)

Rosten unbenutzt vor sich hin – bis heute: Patrouillenboote im Hafen von Maputo. Foto: AFP

Es knackt und knarzt in der Leitung, dann meldet sich Fernando Curasse. Er ist gerade im Feld unterwegs, an diesem Morgen im Städtchen Namialo, im Norden von Moçambique, eine Tagesfahrt von der Hauptstadt Maputo entfernt. Curasse (38), Moçambiquer, arbeitet für das Schweizer Hilfswerk Helvetas. Er erzählt vom Reispreis. Früher, sagt er, habe ein Kilo 30 Meticais gekostet, nach aktuellem Kurs rund 45 Rappen. Heute? 80 Meticais. Man müsse bedenken, dass der Mindestlohn 3000 Meticais betrage, rund 45 Franken. «Jetzt, in der Krise, sind viele Leute froh, wenn sie sich mit ihrem Lohn pro Tag eine Portion Fisch kaufen können.»

Die Krise. Sie schüttelt das südostafrikanische Land durch, die Währung ist eingebrochen, «wir kämpfen gegen Budgetkürzungen bei Schulen und Spitälern», sagt Curasse.

Es begann damit, dass die Schweizer Grossbank Credit Suisse und die russische Bank VTB dem Land 2013 in mehreren Tranchen rund zwei Milliarden Dollar liehen, um damit maritime Aufrüstung zu betreiben: Eine Thunfischfangflotte, Patrouillenboote, Radarstationen und Kontrollzentren standen auf dem Einkaufszettel. Treibende Kräfte waren der lokale Geheimdienst und das Verteidigungsministerium.

Ein interner Businessplan der Credit Suisse, der Tagesanzeiger.ch/Newsnet vorliegt, zeigt das Geschäftsmodell, welches die Bank der Kreditvergabe zugrunde legte: Patrouillenboote sollten gegen gute Bezahlung Öl- und Gasplattformen beschützen, die Rohstoffkonzerne entlang der 2500 Kilometer langen Küste Moçambiques planten oder bereits errichtet hatten. Prognostiziertes Einkommen drei Jahre nach dem Start: 130 Millionen Dollar. Dazu käme eine eigene Thunfischindustrie. So würden sich die Darlehen refinanzieren lassen, es bliebe ein Gewinn.

Der Plan scheiterte. Die Annahmen erwiesen sich allesamt als zu optimistisch. Schiffe und Radargeräte wurden zwar geliefert, aber der Gaspreis brach ein, der Rohstoffboom blieb aus, die Bohrkonzerne setzten ihre Projekte aus. Gleichzeitig scheiterte die Regierung daran, ihre neue Flotte in Betrieb zu nehmen. Der Projektleiter kam vom Geheimdienst und hatte keine Erfahrung in der Fischerei; es fehlte an Gebäuden, in welchen man die bestellten Radarstationen hätte einrichten können; ein Satellitenvertrag lief aus, so dass die neuen Boote nicht mehr miteinander kommunizieren konnten; es fehlte an englischsprachigen Spezialisten, die schwimmen konnten und das topmoderne Equipment beherrschten. Fischer- und Patrouillenboote rosten unbenutzt vor sich hin. Bis heute.

Infografik: So funktionierte der Moçambique-Deal (Tages-Anzeiger)

Schweiz fror 9,6 Millionen ein

Gleichzeitig hielt die Regierung unter Präsident Armando Guebuza einen Teil der Kredite über Jahre geheim. Vor der lokalen Öffentlichkeit, dem Parlament und auch der internationalen Gemeinschaft. 2016 wurde mehr und mehr der ganzen Geschichte bekannt: Die Regierung hatte drei Unternehmen gegründet, Proindicus, Ematum und MAM, welche 622, 850 und 535 Millionen Dollar an Darlehen von der CS und der VTB bezogen. Die Banken reichten die Kredite an Investoren weiter, abgesichert durch eine Staatsgarantie, mit Zinssätzen zwischen 3,75 und 10,5 Prozent. Begründung für die Geheimhaltung: nationale Sicherheit.

Die Reaktion auf die Offenlegung der geheimen Schulden war heftig. Die Opposition und NGOs kritisierten, die Darlehen seien illegal an Parlament und Nationalbank vorbeigeschleust worden. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) wusste von nichts. Er suspendierte daraufhin sein Unterstützungsprogramm für Moçambique, 165 Millionen Dollar an Nothilfe wurden gestoppt. Ein Verbund von Geberländern tat dasselbe, die Schweiz etwa fror ihre Budgethilfe ein, 9,6 Millionen Franken wurden nicht ausbezahlt. «Moçambique hat unrechtmässig Darlehen aufgenommen», schreibt das zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft Seco. Das Land habe «gegen grundlegende Prinzipien der Zusammenarbeit verstossen».

In der Schweiz nahm die Finma Ermittlungen auf, die Pendants in England (FCA) und den USA (SEC) taten dasselbe. Gerüchte begannen zu kursieren: Hatte die Regierung mit dem Geld in Wahrheit Waffen gekauft? Der Konflikt zwischen der Regierungspartei Frelimo und der Oppositionspartei Renamo war wieder aufgeflammt. Floss Geld in Taschen von Beratern und Politikern? Und warum tauchten zwei Banker, die zu Beginn des Deals für die CS gearbeitet hatten, später wieder im Umfeld des libanesischen Lieferanten auf?

Fehler auf allen Seiten

Unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft beauftragte die Generalstaatsanwaltschaft von Moçambique Ende 2016 die globale Untersuchungsfirma Kroll, Antworten auf diese Fragen zu finden. Schweden, eines der Geberländer, bezahlte die Rechnung. Ergebnis ist ein explosiver 250-seitiger Prüfbericht. Elemente des Papiers sind bereits publik geworden, Tagesanzeiger.ch/Newsnet liegt nun der ganze Rapport vor (PDF zum Download, Dateigrösse 77 MB). Der Bericht offenbart eine Verkettung von Fehlern und Missmanagement bei allen beteiligten Parteien, bei der moçambiquanischen Regierung, beim libanesischen Bootsanbieter Privinvest, aber auch bei der Credit Suisse.

Der schwerste Vorwurf gegen die Schweizer Bank: Die Kroll-Auditoren fordern, dass die englischen Strafbehörden die Credit Suisse ins Auge fassen – CS London war für das Ausarbeiten der Darlehen verantwortlich. «Es besteht ein Risiko, dass die Credit Suisse keine angemessene Due Diligence [...] vorgenommen hat», heisst es im Rapport. Mit anderen Worten: Kroll verdächtigt die Bank, den Moçambique-Deal nicht genau genug durchleuchtet zu haben, bevor sie grünes Licht gab. Besonders beim Geheimdienstler, der die drei Staatsfirmen leitete, sieht Kroll die Gefahr, dass Gelder abgezweigt worden sein könnten. Die CS hätte den Mann unter den englischen Anti-Geldwäscherei-Regeln als PEP, als «politisch exponierte Person», einstufen müssen. Gegenüber Kroll hatte sich die Bank mit Verweis auf laufende Untersuchungen geweigert, ihre Due-Diligence-Dokumentation offenzulegen. Kroll rät nun der Justiz von Moçambique, die Herausgabe zu erzwingen und die Dokumente über die internationale Strafrechtshilfe aus England zu beschaffen.

Damit verknüpft ist die Frage, warum Credit Suisse es zuliess, dass die Kredite am IWF und an der Nationalbank von Moçambique vorbeigeleitet wurden. Die Bank hatte das Einweihen dieser Stellen zuerst ausdrücklich gefordert, dann aber aus unbekannten Gründen fallen gelassen, schreibt Kroll.

Die CS selbst teilt auf Anfrage mit, dass die Bank über «klare Richtlinien und Prozesse» verfüge und bei Neukunden eine «rigorose und angemessene Sorgfaltspflichtprüfungen» durchführe.

Ganz wohl war es der CS aber offenbar nicht mit dem Geschäft. Der Lieferant der Boote, die libanesische Privinvest-Gruppe, schreibt auf Anfrage, es sei eine ausdrückliche Vorgabe der beteiligten Banken gewesen, dass keine Gelder nach Moçambique ausbezahlt würden. Dies sei Teil ihrer Risikoanalyse gewesen, so ein Privinvest-Sprecher. Die Konsequenz: Das Geld floss direkt von den Banken auf ein Konto der Privinvest-Gruppe in Abu Dhabi.

Ein eigenes Kapitel im Report erhält ein früherer CS-Banker namens Andrew Pearse – im Bericht wird er nur «Person B» genannt. Kroll hält fest, dass Pearse zuerst auf der Seite der Bank in den Deal involviert war. Bis im Juni 2013 unterzeichnete er Dokumente für die Credit Suisse. Wenige Monate später, im Oktober 2013, begann er für Palomar Capital Advisors zu arbeiten, eine Beratungsfirma, die laut Kroll Teil des Privinvest-Universums ist. Ein zweiter Ex-CS-Banker, Dominic Schultens, machte laut seinem Linkedin-Profil denselben Wechsel.

Palomar erhielt danach ein Mandat von Moçambique; die Firma beriet die Regierung bei der Restrukturierung der Ematum-Schulden. Zwei der Palomar-Gesellschaften hatten ihren Sitz in Zürich, 2016 wurden sie liquidiert. Weshalb, fand Kroll nicht heraus.

788 Kilo an Dokumenten

Die Auditoren stiessen auf Dutzende solche Sackgassen. Kroll schreibt im Bericht, alleine die Firma Ematum betreffend gebe es 788 Kilogramm an technischen Dokumenten, auf die man keinen Zugriff gehabt habe.

Ob nun, nachdem die unabhängigen Prüfer ihre Arbeit abgeschlossen haben, eine weitere Aufklärung erfolgt, hängt stark von der Politik in Moçambique ab. Ende September trifft sich die Regierungspartei Frelimo zum Kongress. Sie sei tief gespalten, sagt Fernando Curasse am Telefon. Auf der einen Seite sei die Furcht der Parteioberen gross, dass durch die Ermittlungen die ganze Machtbasis der Regierung ins Wanken geraten könnte, falls Beweise für Geldflüsse in die Taschen von Politikern auftauchen würden.

Auf der anderen Seite machten sich auch hohe Parteifunktionäre für eine echte Aufklärung stark, und in der Zivilgesellschaft sei die Wut nach wie vor spürbar. Curasse sagt: «Der damalige Präsident Guebuza ist inzwischen so unbeliebt, dass er nicht einmal mehr im Friedhof Blumen auf ein Grab legen kann, ohne von einem Mob als ‹Dieb!› beschimpft zu werden».

Artikel Tages-Anzeiger (7.9.2017)