Nestlés Marke "Poland Springs" ist das beliebteste Flaschenwasser an der Ostküste Amerikas. Doch seit Jahren regt sich Widerstand gegen Nestlés Abbautätigkeiten. Das Unternehmen ist mit mehreren Klagen konfrontiert.
Die USA sind der wichtigsten Absatzmarkt von Nestlé Waters. Und die Rahmenbedingungen sind vorteilhaft: In den Staaten gilt vielerorts noch das Recht der stärksten Pumpe, wer Land besitzt, darf pumpen, was er kann, ohne Rücksicht auf den Nachbarn. Gesetze, die noch aus den Zeiten der Hand- oder allenfalls Windpumpen stammen. Maine ist einer der ärmsten Bundesstaaten der USA. Wichtigster Export: Wasser. Dank Nestlés Marke “Poland Springs”, dem beliebtesten Flaschenwasser an der Ostküste. Doch seit Jahren regt sich Widerstand gegen Nestlés Abbautätigkeiten.
In Fryeburg (Maine) beginnt man bereits 2004 die von Poland Springs (Nestlé) abgepumpte Wassermenge zu hinterfragen. Der Versuch der AktivistInnengruppe H2O for ME, eine Gebühr auf abgepumptes Wasser einzuführen, scheitert. Es folgt ein mehrjähriger Rechtsstreit, der die Verbindung mehrerer lokaler Politiker und Persönlichkeiten mit dem Unternehmen zu Tage bringt. Als Nestlé im Jahr 2014 von den Behörden die Lizenz für weitere 45 Jahre Wasserabbau erhält, legt ein Bürger – Bruce Taylor – zusammen mit der NGO Food & Water Watch Berufung gegen diesen Deal ein. Nestlé gewinnt und erhält die Abbaulizenz.
Im 1000-Seelen-Dorf Rangeley (Maine) kämpft der Förster Jim Procter zusammen mit seinen Freunden, dem Zahnarzt Dave McMillan und Jonathan Carter vom “Forest Ecology Network” gegen das Wasserabbauvorhaben von Nestlé. Sie haben 30’000 Dollar aufgewendet, um Nestlé durch die Instanzen zu bekämpfen. Zur Zeit liegt der Fall beim Supreme Court, der letzten Instanz. In aller Heimlichkeit hat Nestlé 4000 Hektaren Land rund um Rangeley gekauft. Seit 2011 ist Nestlés Pumpstation für Grundwasser in Betrieb. Nestlé hatte den Bau schon im Berufungsverfahren begonnen. Die Pumpstation ist auf die Entnahme von 184 Millionen Gallonen Wasser im Jahr ausgelegt, für die Betankung von hundert Lastwagen am Tag. Die fahren das Wasser in die Abfüllstation von Hollis, über 100 Meilen entfernt. Nestlé pumpt in Rangeley aus dem selben Aquifer, aus dem auch die Gemeinde ihr Trinkwasser bezieht. Deshalb hat Nestlé eine einmalige Zahlung von 10’000 Dollar an Rangeley geleistet, ohne Rechtsverpflichtung.
Am 16. August 2016 hat die in Bridgton (Maine) wohnhafte Liz Johnson auf Facebook gepostet, dass die Quelle auf dem Grundbesitz ihrer Familie wegen Nestlés Abfülltätigkeit ausgetrocknet sei. Sie beschuldigt auch den Gouverneur Le Page, weil er für die Abfülltätigkeit Nestlés weiterhin zulässt. Der Facebook-Post zeigte grosse Wirkung, wer wurde innert einem Tag bis zu 5000 Mal geteilt.
Auch in den Nachbarstaaten begehrt die Bevölkerung gegen das Unternehmen Poland Springs auf. Die Stadt Sterling (Massachusetts) versuchts Poland Springs davon abzuhalten, Wasser in einem Naturreservat abzubauen.
Im Juni 2013 sieht sich Poland Spring mit einer Sammelklage wegen Falschdeklaration konfrontiert. Die KlägerInnen werfen Nestlé vor, dass das Unternehmen “Poland Springs” als Quellwasser verkauft, obwohl es sich um intensiv behandeltes Grundwasser handelt. Ausserdem befinde sich eine der Quellen neben einer ehemaligen Schutthalde und unter einer illegalen Abfalldeponie mit entsprechenden Risiken für die Wasserqualität. Im Gerichtsverfahren kommt es zu einem Vergleich, in dem Nestlé die Anschuldigungen zwar nicht anerkennt, hingegen eine Entschädigungszahlung von 10 Millionen Dollar leistet. Dies bringt Nestlé jedoch nicht davon ab, dasselbe Wasser weiterhin unter dem Namen “Poland Springs” zu verkaufen.
In August 2017 wird am Bezirksgericht Connecticut dieselbe Sammelklage erneut gegen “Poland Springs” eingereicht. Die Nestlé-Tochter fülle “gewöhnliches Grundwasser” in Flaschen ab und vermarkte es als “100-prozentiges natürliches Quellwasser”. Damit erfülle es die Bestimmungen der US-Gesundheitsbehörde FDA nicht, heisst es in der Klage. Ein Richter in Connecticut wies die Klage gegen Nestle Waters North America Inc. am 17.5.2018 ab, ohne jedoch den Vorwurf zu entkräften, dass die Flaschen, die an Standorten in der Nähe von Maine abgefüllt werden, tatsächlich Grundwasser enthalten. Bei der Abweisung gab Richter Jeffrey Meyer keine Stellungnahme zum wahren Ursprung des Wassers ab, sondern stimmte mit den Anwälten von Nestle überein, dass die Sammelklage unter Landes- und nicht Bundesrecht fällt. Meyer wies neben der ursprünglichen Klage und ebenfalls alle ähnlichen Rechtsfälle – bis auf einen – ab. Er lehnt aber gleichzeitig viele der Argumente von Nestlé ab und sagt, dass neue, nicht dem Landesrecht vorbehaltenen Ansprüche innerhalb von 30 Tagen neu eingereicht werden können. Alexander Schmidt, Anwalt der Kläger*innen, sagt, dass sie beabsichtigen, geänderte Rechtsansprüche auf der Grundlage staatlicher Gesetzgebungsvorschriften für Quellwasser einzureichen, die nach Meyer’s Urteil zulässig sind. “In der Entscheidung ging es nicht um die Richtigkeit unseren auf detaillierten Tatsachen basierenden Vorwürfen, die wir nur zu gerne beweisen wollen”, stellt Schmidt klar (mehr Informationen hier).
Für Kontroversen sorgt die Nominierung eines Nestlé-Vertreters in das State Environmental Board: Der Gouverneur von Maine, Paul LePage, hat anfangs 2018 einen Sitz im Environmental Protection Board des Staates keinen Geringeren als den Chef von Nestlé Natural Resource, Mark Dubois, vergeben (mehr Informationen hier).