Paradise Papers: Der Schweizer Geschäftsmann Jean-Claude Bastos verliert sein Angola-Mandat. Und Glencore steht im Kongo unter grossem Druck.
Die Paradise Papers haben entscheidend zum Absturz des Milliarden-Imperiums von Jean-Claude Bastos beigetragen. Vor gut zwei Wochen verfügte ein britisches Gericht die Einfrierung von drei Milliarden Dollar auf den Konten des umstrittenen Schweizer Geschäftsmanns und dessen Firmen. Betroffen sind auch zwei Schweizer Firmen aus Bastos’ Quantum-Global-Gruppe mit Hauptsitz in Zug.
Der Gerichtsentscheid aus London ist die letzte einer ganzen Reihe von Massnahmen, welche die Behörden seit der Publikation der Paradise Papers im November gegen Bastos ergriffen haben. Zuvor hatte Mauritius 91 Bankkonten mit mehreren Hundert Millionen Dollar eingefroren. 15 der Konten finden sich in den Paradise Papers wieder. Zudem entzog Mauritius sieben Quantum-Global-Investmentfonds die Geschäftslizenz. Darin liegen drei Milliarden Dollar des angolanischen Staatsfonds, den Bastos mit Quantum Global verwaltete – doch diese Aufgabe wurde ihm nun de facto entzogen. Denn inzwischen setzt der Staatsfonds alles daran, Bastos loszuwerden. Mit den weltweiten Kontosperren will er seine Milliarden sichern, um deren Verbleib er offenbar fürchtet. Man habe «grosse Bedenken» hinsichtlich der Vorgehensweise von Quantum Global bei der Anlage der Gelder, schreibt eine Sprecherin des Staatsfonds auf Anfrage. Die Enthüllungen aus den Paradise Papers seien in die Entscheidung eingeflossen, Quantum Global als Fonds-Verwalterin zu «entfernen».
«Korruption, Geldwäscherei»
In Angola lebt jeder zweite Bewohner mit weniger als zwei Dollar am Tag. Bastos hingegen machte mit dem Staatsfonds-Mandat innert kurzer Zeit ein Riesenvermögen, wie Dokumente aus den Paradise Papers zeigen. Einerseits kassierte Quantum Global pro Jahr 60 bis 70 Millionen Dollar Managementgebühren, die teils umgehend auf ein privates Konto von Bastos weiterflossen. Andererseits liess Bastos den Staatsfonds mehrere Hundert Millionen in Projekte investieren, die ihm selber gehören.
In einer Eingabe ans Gericht vom 9. April 2018 schreiben die mauritischen Finanzermittler, Bastos habe von Investments des Staatsfonds «persönlich profitiert». Es gebe ein erhebliches Risiko, dass Gelder des Staatsfonds widerrechtlich verschoben würden. Konkret verdächtigt die mauritische Financial Intelligence Unit Bastos der «Korruption, Veruntreuung und Geldwäscherei». Es gilt die Unschuldsvermutung.
Ein Projekt kommt in der Eingabe der Finanzermittler besonders prominent vor: der Bau eines neuen Handelshafens in der angolanischen Provinz Cabinda, in den der Staatsfonds 180 Millionen Dollar gesteckt hat und der mehrheitlich Bastos gehört. Es ist das Projekt, in dem SBB-Präsidentin Monika Ribar mittat. Sie war bis Juni 2016 Verwaltungsrätin einer Bastos-Firma auf den Britischen Jungferninseln, über welche die Finanzierung des Hafenprojekts läuft. Die Bankkonten dieser Firma gehören zu jenen, die nun eingefroren sind. Bis heute distanzierte sich Ribar in ihren Stellungnahmen weder von Bastos noch vom Hafenprojekt.
Das Mandat zur Verwaltung des Staatsfonds erhielt Bastos 2012 dank seiner Freundschaft mit dem Sohn des Ex-Präsidenten Angolas, José Filomeno dos Santos. Dieser war bis vor kurzem der Chef des Staatsfonds. Letzten Januar wurde er entlassen, nachdem sein Vater nach 38 Jahren das Amt des Staatspräsidenten abgegeben hatte. Inzwischen läuft in Angola eine Untersuchung gegen den Ex-Präsidentensohn. Der Entscheid des Londoner Gerichts zur Einfrierung der drei Milliarden Dollar ist ebenfalls gegen ihn persönlich gerichtet.
Viele Kader sind abgesprungen
Wie es mit Bastos’ Quantum-Global-Gruppe weitergeht, ist ungewiss. Über allfällige weitere Mandate ausserhalb von Angola ist nichts bekannt. In den letzten Wochen sind mehrere Kadermitarbeiter abgesprungen. Das Führungsteam von Quantum Global ist gemäss Webseite von acht auf fünf Personen geschrumpft. Auch prominente Aushängeschilder aus dem Beirat wie Alt-Bundesrätin Ruth Metzler oder Ex-WEF-Direktor André Schneider haben Bastos den Rücken gekehrt.
Quantum Global bestreitet in Communiqués jegliches Fehlverhalten. Man habe alle Gesetze sowie die Investment-Regeln des angolanischen Staatsfonds eingehalten. Die Massnahmen der Behörden seien willkürlich, die gesamten Staatsmilliarden ordentlich verbucht. Weiter kündigt Quantum Global an, ein internationales Schiedsverfahren anzustreben, sollte sich die Sache in Mauritius bis in sechs Monaten nicht klären.
Die Paradise Papers erschütterten nicht nur das Firmenimperium von Bastos, sondern auch jenes seines prominenten Nachbarn in Zug: des Rohstoffriesen Glencore. Die Dokumente zeigen, wie der Schweizer Konzern den israelischen Geschäftsmann Dan Gertler für sich verhandeln liess und zwar um einige der grössten Kupfer- und Kobalt-Reserven der Welt. Die Minen liegen in der Demokratischen Republik Kongo. Sie sind heute Milliarden wert und gehören zu Glencores Kronjuwelen.
Das Problem: Gertler ist ein enger Freund des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila. Seit 2001 warnen alle seriösen Marktbeobachter vor möglichen korrupten Geschäften des Israeli. Trotzdem setzte Glencore auf Gertler. Und nachdem dieser mit den Kongolesen am Verhandlungstisch sass, verkauften sie ihre wertvollsten Lizenzen prompt Hunderte Millionen Dollar unter dem Normalpreis. Kurz darauf sorgte Glencore dafür, dass Gertler ein grosses Aktienpaket an ihren Minen erhielt.
Nachdem dies durch die Paradise Papers publik wurde, griffen die USA letzten Dezember durch. Das Finanzministerium setzte Gertler auf die Sanktionsliste. Der Israeli habe Milliarden angehäuft mit «korrupten Minen- und Öl-Deals im Kongo». Gertler hingegen streitet ab, illegal gehandelt zu haben.
Strafanzeige gegen Glencore
Die NGO Public Eye reichte bei der Schweizer Bundesanwaltschaft Strafanzeige ein gegen Glencore. Das Bundesstrafgericht entschied derweil, dass Bankunterlagen von Gertler an die USA geliefert werden müssen. Das politische Klima hat sich – auch unter dem Druck der Konzernverantwortungsinitiative – so weit gedreht, dass das Parlament nun erwägt, die Bestimmungen für Rohstofffirmen wie Glencore in der Schweiz zu verschärfen.
Die grössten Probleme für Glencore lauern aber im Kongo. Weil Gertler auf die US-Sanktionsliste kam und seine Konten teils eingefroren wurden, kann Glencore ihn nicht mehr bezahlen. Gertler wehrt sich nun und forderte vor zwei Wochen drei Milliarden Dollar von Glencore für ausstehende Zahlungen. Die Schweizer sagen, diese Forderungen seien unrealistisch.
Seit den Paradise Papers sind auch Gertlers Freunde im Kongo nicht mehr glücklich mit Glencore. Die staatliche kongolesische Minenfirma Gécamines forderte vor wenigen Wochen die Auflösung von Glencores Minentochter im Kongo. Sollte das passieren, könnten die Schweizer sogar wertvolle Lizenzen verlieren – ironischerweise auch jene, die sie nach Gertlers Eingreifen so günstig erhalten haben.
Für Glencore wäre das wohl eine Katastrophe. Kobalt gilt als das «Erdöl der Zukunft». Es wird gebraucht für die Herstellung von Autobatterien, deren Absatz im Zuge der anstehenden Umrüstung auf Elektromobilität explosionsartig wachsen wird. Seit 2016 hat sich der Kobalt-Preis vervierfacht. Analysten prognostizierten starke Gewinnsteigerungen für Glencore wegen dessen Kobaltreserven. Der Aktienkurs von Glencores Minentochter erlebte noch im Januar ein Hoch wegen der rosigen Aussichten. Nach dem Streit um die Lizenzen mit Gertler und dem Kongo ist der Kurs jetzt um zwei Drittel eingebrochen.
Artikel Der Bund (15.5.2018)