Der Baarer Rohstoffriese steht vor der Generalversammlung am Donnerstag gleich von mehreren Seiten unter Druck. Kritisiert wird nicht nur der Fahrplan bei der Umsetzung der Klimastrategie, sondern auch die aktuelle Werbekampagne des Konzerns.
Artikel aus Luzerner Zeitung (28.4.2022)
Glencore betreibt mit ihrer aktuellen Werbekampagne Greenwashing
30 Jahre. So viel Zeit gibt sich Glencore, um seine fossil-braune Vergangenheit abzustreifen und sich zu einem grünen Unternehmen zu wandeln. Bis 2050 will der Baarer Rohstoffriese klimaneutral sein. So steht es in der 2020 verabschiedeten Klimastrategie.
Letzten November betonte Neo-CEO Gary Nagle gegenüber dieser Zeitung, Glencore sei der einzige bedeutende Bergbaukonzern weltweit, der Netto-Null-Gesamtemissionen anstrebe. Bis 2026 sollen diese bereits um 15 Prozent sinken.
Nachdem sich Analysten und Anlegerinnen zunächst erfreut über die neue Ausrichtung des Rohstoffkonzerns gezeigt hatten, häuften sich zuletzt allerdings die skeptischen Stimmen, die anzweifeln, dass Glencore seine ambitionierten Ziele mit dem gegenwärtigen Tempo werde erreichen können. Im Vorfeld der Generalversammlung vom Donnerstag haben die beiden einflussreichen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis den Glencore-Anlegern nun empfohlen, den Klimabericht 2021 abzulehnen.
Stein des Anstosses ist die jüngste Kohle-Expansion des Konzerns, die dem wiederholt geäusserten Versprechen, «das Kohlegeschäft sukzessive runterzufahren», zuwiderläuft. Unter anderem hatte Glencore im Juni 2021 die Kohlemine Cerrejón in Kolumbien übernommen und will diese bald vergrössern.
Zudem sollen in den nächsten Jahren die Kohle-Förderkapazitäten in Australien ausgebaut werden. Einige der Minen dürften ihre Produktion erst 2026 aufnehmen und auch bisher unberührte Kohlereserven in Gebieten der geschützten Koalas erschliessen.
Das veranlasste kürzlich auch das Australasian Centre for Corporate Responsibility (ACCR) zur Kritik. «Glencore bittet seine Aktionärinnen und Aktionäre, darauf zu vertrauen, die Kohleproduktion zu reduzieren, während in Australien neue Kohleminen erschlossen werden», monierte Dan Gocher, Direktor der Klima- und Umweltabteilung des ACCR. Gemäss Prognosen werde Glencores Kohleförderung im laufenden Jahr um 17 Prozent ansteigen, was dem vermittelten Bild eines «verantwortungsvollen Abbaus» widerspreche.
Auf die Vorwürfe angesprochen, verweist Glencore auf die Tatsache, dass die eigene Klimastrategie zusätzliche Kohlemengen erlaube, sofern «diese in Einklang mit den Portfoliozielen stehen». Im Klimabericht 2020 heisst es dazu: «Glencore wird einen kontrollierten Rückgang seines Kohlegeschäfts überwachen.Während unsere Anlagen in Kolumbien und Südafrika das Ende ihrer wirtschaftlichen Lebensdauer erreichen, wird unser australisches Geschäft voraussichtlich weiterhin die Kohle liefern, die zur Deckung der weltweiten Stahlproduktion und Energienachfrage erforderlich ist.»
Projekte im Kohleportfolio bewerte man stets nach strengen Kriterien und überprüfe, ob diese mit den gesetzten Klimaschutzzielen vereinbar seien, führt eine Sprecherin auf Nachfrage aus:
«Unser Schwerpunkt liegt nach wie vor auf der Reduktion von Emissionen, unabhängig von ihrer Quelle.»
Das Engagement für einen Abbau des Kohleportfolios stehe in Einklang mit den Konzernzielen und der Überzeugung, dass «die Veräusserung des Kohleportfolios nicht zu einer Reduzierung der absoluten Treibhausgasemissionen führen würde».
Das sieht nicht nur das ACCR anders, das sich ebenfalls für eine Ablehnung des Klimaberichts 2021 an der GV vom Donnerstag ausgesprochen hat und darauf verweist, dass rund 80 Prozent der totalen Treibhausgasemissionen von Glencore auf den Handel und Abbau von Kohle zurückgehen.
Gleichzeitig sei das Kohlebusiness gerade jetzt überaus lukrativ. Bei den gegenwärtigen Spitzenpreisen, die auch eine Folge des Ukraine-Krieges darstellen, könnte die Kohle gemäss Schätzungen rund 40 Prozent zum diesjährigen Ebitda von Glencore beitragen.
Die Kritik an Glencores Kohlegeschäft fällt in eine Zeit, in der das Unternehmen wegen seiner Anteile am russischen Erdölförderer Rosneft und Aluminiumproduzenten En+ ohnehin unter starkem öffentlichen Druck steht. Die aktuellen Dissonanzen haben dem Konzern kürzlich gar eine Beschwerde bei der Lauterkeitskommission eingebracht.
Im Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt, beschuldigt der beschwerdeführende Verein «Konzernverantwortung» Glencore des «Greenwashings». Mit seiner aktuellen Werbekampagne in der Deutschschweiz und der Romandie vermittle Glencore den falschen Eindruck, ein umweltfreundliches Unternehmen zu sein, obwohl es zentrale Teile seines Umsatzes mit fossilen Brennstoffen erwirtschafte.
In Baar heisst es dazu:
«Wir haben die Beschwerde auf offiziellem Weg nicht erhalten. Wir sind stolz auf unsere faktenbasierte Kampagne und ebenso auf die Metalle, die wir fördern.»
Artikel Luzerner Zeitung (28.4.2022)