Perus Mineure streiken – schon seit 8 Wochen: Und schon wieder Glencore!

In Peru streiken Minen­arbeiter gegen ein übles Lohndrückersystem. Das heisst: gegen den Schweizer ­Rohstoffmulti Glencore. Es ist ein ­exemplarischer Kampf.

Artikel vom work (4.3.2022)

PROTEST GEGEN GLENCORE-TOCHTER VOLCAN: Minen­arbeiter in Huancayo, Hauptstadt der Bergbau­region Junín. (Foto: ZVG)

Es ist kalt auf 4500 Metern über Meer. Und gleichzeitig höllisch heiss für die Mineure: 700 Meter unter der Erde chrampfen sie bei 43 Grad Hitze und ohrenbetäubendem Lärm. In der peruanischen Mine Andaychagua im zentralen Hochland der Anden holen sie Metalle aus dem Berg – Silber, Zink, Kupfer, Kobalt. Ohne diese gäbe es keine Handys, keine Digitalisierung und keine Energiewende. Doch jetzt stottert die Produktion. Seit dem 21. Dezember sind die Mineure im Streik. Sie führen einen erbitterten Kampf gegen den Minenkonzern Volcan – und der gehört zum Schweizer Rohstoffriesen Glencore.

Glencore hat 2017 die Aktienmehrheit bei Volcan übernommen. Tausende von Arbeiterinnen und ­Arbeitern chrampfen in Peru für Volcan. Zu Löhnen, von denen sie kaum leben können. Doch seit 2015 sind die Saläre noch mehr unter Druck. Damals trat ein Gesetz in Kraft, das den Minenkonzernen den massenhaften Einsatz von «Terceros» erlaubt. So werden in Südamerika die Leiharbeiter genannt. Im ­Gegensatz zu den Festangestellten werden diese noch weit mieser bezahlt (siehe Interview rechts). Als Temporäre haben sie kaum Schutz. Vor allem keinen durch Gewerkschaften. Volcan preist denn auch ihre Mine in Andaychagua als «kostengünstigste» im ganzen Land an.

Der Konzern scheffelt Geld. Die Zeche zahlen die Bergarbeiter.

Tinocos List

Die Zeche zahlen die Bergarbeiter. Das muss aufhören, sagte sich Alex ­Tinoco (43). Der Generalsekretär der örtlichen Minengewerkschaft ist selbst ein Mineur, er kennt die Stollen von innen, und er hat die Nase voll. Seit Weihnachten 2021 führt er nun einen Streik der Bergarbeiter an, weil Volcan Vertragsverhandlungen verweigert. Gewerkschafter Tinoco und seine Kumpel fordern, dass Volcan (bzw. Glencore) ihre Rechte respektiert. Im Dezember zogen sie in einem Protestzug in Perus Hauptstadt Lima und stellten sich mit Plakaten auch vor die Schweizer Botschaft: «Schluss mit dem Missbrauch in den Minen!» war auf den Tafeln zu lesen.

Tinoco wollte aber nicht nur ­protestieren, sondern auch handeln. Kurzerhand änderte der Gewerkschaftsführer die Statuten seiner Gewerkschaft: Neu können jetzt auch Leiharbeiter Mitglied werden. Das war bisher nicht der Fall. Die Minenchefs reagierten prompt und aggressiv. Bisher sind die Leiharbeiter nämlich kaum organisiert. Ändert sich das nun, so würde die Gewerkschaft zu ­einer echten Bedrohung für die Konzernprofite. Denn allein im Departement Junín, wo die Silber- und Zinkmine von Andaychagua liegt, sind nur 400 Arbeiter fest angestellt. Hingegen arbeiten 1100 Büezer in Subfirmen – und das selbst dann noch, wenn sie seit Jahren in derselben Mine arbeiten.

Es erstaunt deshalb nicht, dass Minenbetreiberin Volcan alle Bemühungen sabotiert, die Organisationsmacht der Arbeiter zu vergrössern. Das Unternehmen focht Tinocos Statutenänderung als widerrechtlich an, unterlag aber bei der regionalen Arbeitsbehörde. Seither ignoriert Volcan den Entscheid und reagiert mit Repressalien. Beispielsweise wurden Leistungen gekürzt, die im Gesamtarbeitsvertrag festgelegt sind. Das berichtet Yvonne Zimmermann vom Schweizer Hilfswerk Solifonds. Sie sagt: «Volcan weigert sich bis heute, mit der Gewerkschaft zu verhandeln.» Solifonds unterstützt den Streik der peruanischen Minenarbeiter (siehe Box). Da Volcan auch begonnen hat, Streikende zu entlassen, spitzt sich der Arbeitskampf dramatisch zu.

Glencore steht nicht zum ersten Mal wegen Missachtung von Arbeitnehmerrechten am Pranger. Bereits im Kampf um die Konzernverantwortungsinitiative stand der Schweizer Rohstoffkonzern wegen notorisch gewerkschaftsfeindlicher Praktiken im Rampenlicht. Peru bietet für solche Machenschaften ein ideales Umfeld. Denn die peruanische Regierung tut alles, um sich als globale Lieferantin wichtiger Rohstoffe zu positionieren. Wirtschaftsinteressen haben Vorrang und Gewerkschaften einen schweren Stand.

Gewalt gegen Streikende

Im Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes glänzt Peru als Land mit einer langen Liste von systematischen Verletzungen von Menschenrechten und Übergriffen von Polizei und Militär gegen streikende Arbeiterinnen und Arbeiter.

Nicht selten wandern Gewerkschaftsführer ohne Haftbefehl hinter Gitter, letztmals bei einem Streik vor drei Jahren. Zwar hat das oberste Gericht Perus die Minengesellschaften verpflichtet, den Tagelöhnern Arbeitsverträge zu geben. Doch diese foutieren sich darum.

Im letzten Sommer hat das Land neu gewählt: Die Präsidentschaftswahlen 2021 gewann überraschend der ausgebildete Lehrer und Gewerkschaftsführer Pedro Castillo Terrones mit einer knappen Mehrheit der Stimmen. Castillo kommt aus dem ländlichen Norden des Landes und versteht sich mit seiner linksgerichteten Partei «Perú Libre» als Anwalt der vernachlässigten und verarmten Bevölkerung. Ob sich die Situation nun bald auch für die Mineure von Andaychagua ändert? Solifonds-Expertin Zimmermann ist skeptisch: «Das rechtsstehende Parlament blockiert Reformen, wo es geht.»

Artikel work (4.3.2022)

 

Solifonds hilft

Das Schweizer Hilfswerk Solifonds unterstützt den Kampf der peruanischen Mineure. Da sie während des Streiks keinen Lohn erhalten, sind sie auf ­Unterstützung angewiesen: ­Solifonds, Quellenstrasse 25, 8005 Zürich, PC 80-7761-7. Mehr Infos: solifonds.ch

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