Glencore klagt vor Weltbankschiedsgericht gegen kolumbianischen Staat

Am 16. März 2016 hat Glencore gegen den kolumbianischen Staat eine Klage gestützt auf dem bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Kolumbien eingereicht [1]. Es handelt sich um eine der ersten Klagen einer multinationalen Firma gegen den kolumbianischen Staat.

Artikel der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (11.4.2016)

In den kolumbianischen Medien gibt es einige Artikel, die über die Klage und deren Hintergründe mutmassen, Details sind aber nicht bekannt. Am ausführlichsten sind die Angaben in einem Artikel des Portals Legalbusiness bezüglich den Anwaltsfirmen, die Glencore und den kolumbianischen Staat in dieser Klage vertreten [2]. Die Webseite der Weltbank enthält noch keine Informationen, Glencore hat darüber nicht kommuniziert, auch nicht gegenüber kolumbianischen Medien. Das SECO hat eine Anfrage von uns sehr ausweichend beantwortet, nämlich das Investor-Staat-Schiedsverfahren ohne Involvierung des Sitzstaats des Investors erfolgen. Die Schweiz als Sitzstaat von Glencore sei somit nicht in das Schiedsverfahren involviert und habe deshalb auch keinen Zugang zu den Verfahrensunterlagen. Nationalrat Carlo Sommaruga hat auch eine parlamentarische Anfrage gemacht.

Hintergrund der Klage ist eine Busse bezüglich einer der Verträge über eine Bergbaukonzession für die Kohlenmine Calenturitas, über die die ask! schon vor einem knappen Jahr berichtete [3]. Dieser Vertrag war 2010 zwischen der kolumbianischen Regierung und Glencore neu verhandelt worden. Das Ziel war, die Royalties, die Glencore dem kolumbianischen Staat bezahlen musste, zu reduzieren, und dafür im Gegenzug Investitionen in den Ausbau der Produktion zu tätigen, mit der Idee, dass Kolumbien so langfristig mehr Einnahmen erhalten würde. Durch diese Änderungen von 2010 fielen jedoch die jährlichen Einnahmen für den Staat von 129 auf 77 Mia. Kolumbianische Pesos. Der kolumbianische Rechnungsprüfungshof überprüfte dieses und weitere Abkommen und fand Unregelmässigkeiten respektive befand, dass der Vertrag abgeändert wurde ohne die notwendigen Abklärungen getroffen zu haben, was die Folgen für die Staatseinnahmen sein könnten. 2015 wurden deshalb Glencore und der damalige Bergbauminister mit 62 Mia. COP (18 Mio. USD) gebüsst. Pikant an der ganzen Geschichte ist auch, dass die Contraloria, deren Entscheidung nun zu einer Klage von Glencore führte, Nutzniesserin der wirtschaftlichen Zusammenarbeit des SECO und der Schweizer Botschaft ist. Sie macht in einem Projekt zur Verbesserung der Verwaltung der öffentlichen Finanzen mit. [4]

Kolumbien leidet aktuell unter den gefallenen Rohstoffpreisen. Die Abkommen zwischen dem kolumbianischen Staat und verschiedenen Bergbaukonzessionen stehen in der Kritik, weil sie zu viele Schlupflöcher offen lassen, um Steuern und Royalties zu reduzieren. Der Rechnungsprüfungshof hat deshalb in den letzten Jahren den ganzen Bergbausektor einer intensiven Revision unterzogen und auch verschiedenen Bussen ausgelöst. Der Chef des Rechnungsprüfungshofes, der Contralor Edgar Maya, spricht davon, dass Glencore nun die Contraloría und den kolumbianischen Staat in die Knie zwingen wolle, dass der Staat um Vergebung bitte und die 60 Mia. Pesos zurückgebe. [5] Bis am 29. Februar 2016 lief die Zeitspanne für eine aussergerichtliche, gütliche Einigung zwischen Glencore und dem kolumbianischen Staat. Offenbar wurde keine Einigung erzielt und auch die Verhandlungsfrist nicht verlängert. Glencore hätte die Klage am 4. März 2016 fertig gestellt. [6]

Die öffentliche Meinung Kolumbiens ist auch entrüstet über einen enormen Korruptionsfall bei der Modernisierung der Raffinerie in Cartagena. Glencore hatte 51% der Aktien übernommen und versprach 2007 die Modernisierung und Erweiterung durchzuführen. 2009 zog sich Glencore aus dem Projekt zurück, ohne die vertraglichen Aufträge erfüllt zu haben und ohne deswegen sanktioniert worden zu sein. Als Erbe blieb der Raffinerie eine US-Ingenieurfirma, CB&I, die nun wesentlich für die Verzögerungen und Mehrkosten verantwortlich ist. [7] Nebst Glencore haben in den vergangenen Wochen zwei weitere Bergbaukonzerne Klagen gegen Kolumbien gestützt auf die Freihandelsabkommen mit Kanada respektive mit den USA eingereicht; es geht dabei um Goldminen, die wegen Umweltschutzmassnahmen (Schaffung von Naturparks) nicht wie geplant in Betrieb genommen werden konnten. [8]

Für Alliance Sud und die Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien stellt sich bei diesem Fall vor allem auch die Frage der Transparenz. Das SECO betont bei jeder erdenklichen Gelegenheit, dass die Transparenz bei den Investitionsschutzabkommen verbessert wurde, trotzdem gelangt nichts über die Klage von Glencore an die Öffentlichkeit. Weiter hat das SECO sein Modell von bilateralen Investitionsschutzabkommen überarbeitet und betont, die problematischsten Klauseln seien verbessert worden. Aber: noch hat niemand das neue Modell gesehen und wir befürchten, dass die kritischsten Bestimmungen immer noch enthalten sind, und zweitens wird das neue Modell nicht rückwirkend auf die über 130 schon abgeschlossenen Abkommen (mit Entwicklungsländern) angewandt. Zur Anwendung kommt das neue Modell bei den Abkommen mit den wenigen Entwicklungsländern die noch fehlen, und allenfalls bei Industrieländern, mit denen die Schweiz noch kein Abkommen hat, beispielsweise Kanada oder die USA.

Artikel Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (11.4.2016)

 

[1] http://isds-americalatina.org/en-numeros/

[2] https://ips-dc.org/report-extraction-casino/

[3] https://ciarglobal.com/ante-proximo-laudo-de-glencore-en-colombia-se-advierte-del-riesgo-del-mal-uso-de-los-tlcs/

[4] https://investmentpolicyhubold.unctad.org/ISDS/Details/705

[5] Dinero, Ad portas de definirse la primera demanda internacional contra Colombia, 1. April 2019, in: https://www.dinero.com/economia/articulo/demanda-de-glencore-contra-colombia-a-punto-de-definirse/269071

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