Schmutzige Blutgeschäfte

Ein Pharmaunternehmen aus Lachen verdient mit dem Blutplasma mittelloser, teils drogensüchtiger Amerikaner*innen Millionen.

Blutspenden ist eine edle Geste, der Slogan «Spende Blut, rette Leben» in der Schweiz höchst respektiert. Wer sich von Krankenschwestern des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) Blut entnehmen lässt, ahnt nicht, dass Firmen andernorts Menschen in Notsituationen ausbeuten – und selbst Drogensüchtige Blut spenden lassen, um Millionen zu verdienen. Die Westschweizer Journalisten Marie Maurisse und François Pilet stiessen bereits bei ersten Recherchen in der Schweiz auf solch schmutzige Praktiken und realisierten bei Filmaufnahmen in der US-Stadt Cleveland, dass die Dimensionen noch grösser waren, als sie vermutet hatten.

Vor allem eine Firma hatten Maurisse und Pilet im Visier: die im Steuerparadies in Lachen (SZ) domizilierte Octapharma. Sie wurde 1982 gegründet und zählt neben dem australischen Unternehmen CSL Behring, dem spanischen Konzern Grifols und der US-Firma Baxter zu den weltweit grössten Blutplasmaherstellern. Das Geschäft ist lukrativ: Octapharma-Besitzer Wolfgang Marguerre erwirtschaftet jährlich Hunderte Millionen Franken. 2015 erzielte das Unternehmen gemäss eigenen Angaben ein Betriebsergebnis von 1,5 Milliarden Euro und einen Bruttogewinn von 351 Millionen Euro. 2014 war der Bruttogewinn mit 443 Millionen Euro sogar noch höher gewesen.

Die aus Blut hergestellten Arzneimittel, sogenannt stabile Blutprodukte, vertreibt das Unternehmen weltweit, auch hierzulande. Schweizer Patient*innen zahlen für eine Therapie mit dem Blutplasmakonzentrat Octagam zur Stärkung des Immunsystems mehrere Tausend Franken pro Monat. Mit ihrem Dokfilm «Das Geschäft mit dem Blut» decken Maurisse und Pilet die umstrittenen Methoden von Octapharma erstmals auf und lösten mit ihrer Recherche in den USA, der Schweiz und in Deutschland gleich mehrere Polizeieinsätze aus.

In Frankreich regt sich Widerstand gegen die Produkte von Octapharma, die unter solch ausbeuterischen Bedingungen hergestellt werden. Die Blutspendevereinigung von Drôme hat erfolgreich dafür lobbyiert, dass in Zukunft die Herkunft von Blutplasmaprodukten deklariert werden muss. Sie setzen sich dafür ein, dass in Frankreich weiterhin das Prinzip der Freiwilligkeit, Unentgeltlichkeit und Anonymität bei Blutspenden gilt.

Eine ähnliche Geschichte berichtete die Rundschau vom 10.10.2007: Das in der Schweiz gespendete Blutplasma geht trotz Engpass an den Meistbietenden

Leider ist der Zugriff auf die Sendung Rundschau vom 10.10.2007 nicht mehr möglich. MultiWatch machte jedoch an der Tour de Lorraine 2008 auf diesen Fall aufmerksam. Deswegen sind wir im Besitz von Zitaten und Transkripten aus dieser Sendung:

Im Jahr 2007 konnte die Firma Octapharma das Medikament Octogam in der Schweiz nicht mehr liefern. Octogam ist für Menschen mit Immunschwäche lebensnotwendig. Die Betroffenen können nicht mehr korrekt behandelt werden. Ein wichtiger Bestandteil des Medikaments ist das Blutplasma. Schweizer*innen spenden genug Blut, um den Bedarf an Blutplasma für die Produktion von Octogam in der Schweiz abzudecken. Grund für den Engpass ist ein wirtschaftlicher: Das Plasma wird an jene Firmen im Ausland verkauft, die den besten Preis bezahlen. Dies sind vorwiegend die USA, Deutschland und Österreich.

 

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USA, 01.03.2017

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