Banken und Investor:innen müssen für die Menschenrechtsverletzungen von Glencore Verantwortung übernehmen

Das Geschäftsmodell von Glencore, einem der grössten Konzerne der Welt, hat nach wie vor schwerwiegende Folgen. Mehrere Fälle zeigen, dass der Schweizer Rohstoffkonzern in Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Steuervermeidung und Umweltzerstörung verwickelt ist. Nun fordern verschiedene internationale Organisationen, dass besonders Banken und Investor:innen die Verantwortung für die von ihnen finanzierten Konzerne wie Glencore übernehmen müssen.

Videostatements zur Falldokumentation:

  • Zusammenschnitt der Statements von der kolumbianischen Delegation vom 28.11.2023 (Link)
  • Statement von Tatiana Cuenca von Censat Agua Viva aus Kolumbien, Teil von Friends of the Earth (Link)
  • Statement von Greylis Pinto, Führungsperson aus der Zwangsumgesiedelten Afro-Gemeinschaft Chancleta (Link)
  • Statement von Carolina Matiz von der NGO CINEP (Link)

 

Verheerende Auswirkungen der Glencore Minen auf Dorfgemeinschaften

Die Minen von Glencore haben verheerende Auswirkungen auf ihre Umgebung, insbesondere auf die Menschen, die in den angrenzenden Gemeinden leben. Zwei Minen im Besitz von Glencore zeigen diese Auswirkungen besonders gut: die Cerrejón-Kohlemine im Norden Kolumbiens (siehe unsere Falldokumentation) und die die Antapaccay-Kupfermine in Espinar in Peru (siehe unsere Falldokumentation). Für die Mine von Glencore in Kolumbien wurde zum Beispiel ein Fluss umgeleitet in einem Gebiet, in dem das Wasser bereits sehr knapp ist. Sowohl in Peru als auch in Kolumbien ist das Wasser mit Blei und anderen Schwermetallen belastet. Indigene und afro-kolumbianische Gemeinschaften sind besonders betroffen.

 

Europäische Banken wie die UBS finanzieren Bergbau Aktivitäten von Glencore in Peru und Kolumbien

Grosse europäische Banken und Investor:innen unterstützen die umweltschädigenden Bergbauaktivitäten von Glencore in Kolumbien und Peru. Aus einem neuen Bericht von Fair Finance International, Oxfam, CooperAcción, Cinep und Censat geht hervor, dass fast 50 Prozent der Kredite und Zeichnungsaufträge für Glencore in den letzten sechs Jahren von europäischen Banken wie UBS und Société Generale stammten und sich auf 41,2 Milliarden Euro beliefen. Indem sie in Konzerne wie Glencore investieren oder ihnen Geld leihen, spielen Banken und Investor:innen eine entscheidende Rolle.

 

Glencore: Bekenntnisse zu internationalen Konventionen, mangelnde Umsetzung auf nationaler Ebene

Der Bericht sieht im Druck durch Investor:innen, Banken, Handelspartner, politischen Entscheidungsträger:innen und Regulierungsbehörden einen Schlüssel, um Glencore zum Handeln zu bringen. Banken und Investor:innen haben sich mit Glencore auseinandergesetzt, sowohl individuell als auch durch gemeinsame Investor:inneninitiativen wie Climate Action 100+ und Advance von PRI (Principles for Responsible Investment).

Obwohl Glencore viele internationale Konventionen und Abkommen unterstützt, mangelt es deren Umsetzung. Glencore stellt nicht sicher, dass die nationalen Tochtergesellschaften sich an die Richtlinien und Standards halten, die das Unternehmen offiziell  unterstützt . Die Kontrolle von Banken und Investor:innen gegenüber Glencore ist bisher wirkungslos..

Eine peruanische und kolumbianische Delegation haben verschiedene Banken und Investor:innen besucht, um sie mit den Ergebnissen des Berichts zu konfrontieren (siehe auch die Medienmitteilung vom 16.11.2023). Am 27. November 2023 trafen sich eine Delegation aus Kolumbien:

  •       Carolina Matiz von der NGO CINEP
  •       Tatiana Cuenca von der NGO Censat/Friends of the Earth Colombia
  •       Greylis Pinto, Führungsperson aus der Zwangsumgesiedelten Afro-Gemeinschaft Chancleta

mit Vertreter der Schweizer Grossbank UBS, um über die Investitionen in Glencore zu sprechen. Leider sah sich die Grossbank uneinsichtig und war sich keinerlei Problemen bewusst.

 

Menschenrechte in die Prozesse der Konzerne integrieren

Der Bericht fordert, dass die Regierungen und die Europäische Union eine starke Führungsrolle übernehmen, um dazu beizutragen, dass Menschenrechtsfragen besser in die Due-Diligence-Prozesse von Konzernen und Investor:innen integriert werden. Die EU muss die Menschenrechtsverantwortung des Finanzsektors in Einklang mit den sektoralen OECD-Leitlinien für den Finanzsektor in ihre «Richtlinie über die Sorgfaltspflicht bei der Prüfung der Nachhaltigkeit von Konzernen» (Corporate Sustainability Due Diligence Directive; CSDDD) aufnehmen. Indem sie von den Finanzinstituten verlangt, die sozialen und ökologischen Risiken und Schäden bei ihren Finanzentscheidungen und -portfolios zu ermitteln und zu berücksichtigen, könnte die Richtlinie schädliche Finanzströme begrenzen oder gar beenden, analysieren die Autor:innen. Dadurch würde eine bessere Prüfung nachhaltigkeitsbezogener finanzieller Risiken gewährleistet. Eine solche Anforderung wird von einer Vielzahl von Akteur:innen als notwendig und praktikabel angesehen, inklusive von Investor:innengruppen, von den Vereinten Nationen in ihren Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) und von der OECD in ihren allgemeinen, anleger- und investorenspezifischen Richtlinien.

 

«Richtlinie über die Sorgfaltspflicht bei der Prüfung der Nachhaltigkeit von Konzernen» auf EU-Ebene

Aufgrund der starken Lobbyarbeit des Finanzsektors sind Banken und Investor:innen im aktuellen Vorschlag der CSDDD nicht ausreichend berücksichtigt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission den endgültigen Text der Richtlinie an die OECD-Leitlinien für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln für institutionelle Anleger angleichen. Dazu gehört die Verpflichtung der Finanzinstitute, vor der Erbringung von Dienstleistungen eine nicht nur einmalige, sondern kontinuierliche  Sorgfaltsprüfung durchzuführen. Das bedeutet auch, dass sichergestellt werden muss, dass die Sorgfaltspflicht über die gesamte Wertschöpfungskette und das gesamte Anlageportfolio der Finanzinstitute angewendet wird. Auf diese Weise werden die Finanzinstitute, die Glencore finanzieren, vor der Finanzierung umstrittener Konzerne eine sorgfältige Menschenrechtsprüfung durchführen müssen und können dadurch ihren Einfluss nutzen, um Konzerne wie Glencore unter Druck zu setzen, damit diese die Umsetzung von Menschenrechten verbessern. Es ist entscheidend, dass Investor:innen konkrete und messbare Meilensteine festlegen, die Glencore erreichen muss.

Solche Richtlinien stellen nach unserer Meinung nur erste Schritte dar, um das menschenverachtende Handeln der Konzerne Einhalt zu gebieten. Das internationale Think Tank “Transnational Institute” (TNI), welches sich für eine für eine „gerechte, demokratische und nachhaltige Welt“ einsetzt, schlägt beispielsweise mit einem “public finance” eine demokratischeres Finanzierungswesen als Alternative vor. In ihrer Studie zeigt das TNI anhand konkreter, bereits existierende Beispiele öffentlichen Finanzierungsprojekte wie eine Transformation gelingen kann.

 

Ein weiterer Report: «Gewinnt Cerrejón immer?»

Der Report «Gewinnt Cerrejón immer?» von CENSAT AGUA VIVA und Cinep stellt fest, dass es keine wirksamen Entschädigungsmechanismen für die betroffenen Gemeinschaften in Kolumbien gibt. Bestehende Mechanismen, die darauf abzielen, Missbräuche durch Konzerne zu bekämpfen, sind freiwilliger oder aussergerichtlicher Natur und daher symbolisch und wenig wirksam. Es gibt kein spezielles Gericht oder keinen Mechanismus, der den Zugang zur Justiz und die Forderung nach umfassender Wiedergutmachung in Bezug auf die Verantwortung multinationaler Konzerne regelt, während sich die nationalen Kontaktstellen der OECD als zahnlos erweisen. Der Versuch, Konzerne strafrechtlich zu verfolgen, ist übermässig kostspielig, komplex und schwierig in den gegebenen Machtungleichgewichten.

Ein weiterer Gegenstand des Reports ist die Energiewende («energy transition»), zu welcher es aktuell politische und wirtschaftliche Diskussionen gibt. Die Energiewende erfordert, dass die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen vermindert wird. Dies geht wiederum mit der Schliessung von Kohlebergwerken einher. Die Schliessungen müssen zwingend von umfassenden Wiedergutmachungsmassnahmen begleitet werden, und nicht mit einer unverantwortlichen Stilllegung, die soziale und ökologische Ungerechtigkeiten mit sich bringt.

Das zeigt die Wichtigkeit eines verbindlichen UN-Vertrags («binding treaty») zu Wirtschaft und Menschenrechten. Die Regierungen müssen diesen unterstützen und die Konzerne rechtlich zur Verantwortung ziehen, wenn Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Wertschöpfungskette begangen werden. Der Vertrag würde die Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen beenden.



Ähnliche Fälle

Kolumbien, 12.08.2021

Glencore und die Kohlenmine El Cerrejón

Peru, 03.03.2014

Espinar: Konflikte rund um die Kupfermine Tintaya-Antapaccay-Corrocohuayco