Konzerne wie Novartis und Glencore sichern sich mit privaten Schiedsgerichtsverfahren gegen Staaten weltweit ihre Profite

Gerade Kolumbien kennt die Folgen eines privaten Schiedsgerichtsverfahrens (sogenanntes „Investor-state dispute settlement“; ISDS*) nur zu gut: Novartis verhinderte mit der blossen Drohung einer ISDS-Klage die Zulassung von billigeren Generika eines überteuerten, lebenswichtigen Krebsmedikamentes. Glencore konnte Ende August 2019 wiederum vor einem solchen Schiedsgericht erwirken, dass Kolumbien einer Tochterfirma über 19 Millionen USD zurückzahlen muss. Leidtragende ist in beiden Fällen die Bevölkerung Kolumbiens. Heute Montag, 14. Oktober 2019, erreicht eine Aktionstour von Attac um 19.00 Uhr das Basler Rathaus, um mit einem Strassentheater das „Investor-state dispute settlement“ zu kritisieren, welches den Konzernen die Möglichkeit gibt, Staaten zu verklagen und gigantische Schadenersatzzahlungen zu verlangen.

  • Halt der Attac-Aktionstour in Basel: Heute Montag, 14. Oktober 2019, um 19.00 Uhr, beim Basler Rathaus
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Keine Zwangslizenzierung: Novartis droht mit Klage vor privatem Schiedsgericht 
Mit einer sogenannten Zwangslizenzierung (Zulassung von billigeren Generika) für den Wirkstoff des Novartis-Blutkrebsmittels Glivec zielte Kolumbien im Jahr 2016 darauf ab, den Preis für das lebenswichtige Medikament zu senken und somit den Zugang zu diesem zu gewährleisten. Soweit kam es nie: Mit der blossen Androhung einer Klage vor einem privaten Schiedsgericht wischte Novartis die Zwangslizenzierung vom Tisch – und verhinderte damit einen Präzedenzfall (mehr Informationen zum Fall hier).

 

Kolumbien verliert Schiedsverfahren gegen Glencore
Glencore hat nicht nur gedroht, sondern 2016 tatsächlich gegen den kolumbianischen Staat geklagt. Die Klage stützte sich auf das bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Kolumbien und richtete sich gegen eine Busse von 18 Millionen USD. 2015 sprach Kolumbien diese Busse gegen Glencore aus wegen Unregelmässigkeiten in einem Vertrag über eine Bergbaukonzession für die Kohlemine Calenturitas. Kolumbien hat aufgrund dieser Unregelmässigkeiten hohe Einbussen an Lizenzeinnahmen erlitten. Mit solchen Lizenzeinahmen werden Grundbedürfnisse wie Gesundheit, Bildung und sanitäre Grundversorgung der von Glencores Aktivitäten betroffenen Gemeinden bezahlt. Am 27.8.2019 fällte das Weltbankschiedsgericht ICSID den Entscheid zugunsten von Glencore. Es hielt fest, dass der kolumbianische Staat über 19 Millionen USD an die Tochterfirma von Glencore zurückbezahlen muss (mehr Informationen hier). Am 9. Juli 2019 reichte Glencore eine zweite Klage gegen Kolumbien ein. Diese richtet sich gegen Untersuchungen der kolumbianischen Behörden bezüglich Verstössen gegen das Kartellgesetz. Laut den kolumbianischen Behörden hatte sich die Tochterfirma von Glencore unrechtmässig ein Monopol für den Kohletransport am Hafen in Ciénaga (Magdalena) gesichert.

Die Klage von Glencore gegen Kolumbien, die zugunsten des Baarer Rohstoffkonzerns entschieden wurde, ist typisch für solche Schiedsgerichtsverfahren: In den 983 bekannten ISDS-Fällen (Stand 31. Juli 2019) klagten mit grosser Mehrheit Konzerne mit Sitz in Europa und Nordamerika gegen Länder des Globalen Südens. Es häufen sich v.a. Klagen im Segment „Mine, Erdöl & Gas“, welche darauf abzielen, den Schutz von Umwelt und Menschenrechten zu vermindern sowie staatliche Entscheide zur Steuererhöhung zu verhindern. Allein Konzerne mit Sitz in der Schweiz verzeichnen 33 der bekannten Fälle. Gerade die Länder aus Lateinamerika und der Karibik ziehen bisher vor privaten Schiedsgericht den Kürzeren: Nur 30% der Fälle konnten die Staaten gewinnen, während in 70% der Fälle die Investoren vom Verfahren profitierten.

Protest gegen weitreichende Sonderrechte und paralleles Justizsystem für Konzerne 
Das „Investor-state dispute settlement“ stellt ein paralleles Justizsystem für Konzerne dar, welches ihnen weitreichende Sonderrechte gewährt. Während Konzerne gegen Staaten klagen können, ist es kaum möglich, Konzerne international für Umwelt- und Menschenrechtsverstösse zu belangen. Diese beiden Aspekte des Status quo bringt Attac in ihrer Aktionstour zusammen: Am 13. Oktober findet in Genf die fünfte Verhandlungsrunde zum sogenannten "Binding Treaty" (verbindliche Regeln für Konzerne auf UN Ebene) statt und gleichzeitig gibt es im Moment Verhandlungen über ein multilaterales Investitionsgericht (MIC) in Wien. Mit  Strassentheater- und Flugblattverteilaktionen weisen wir in Genf auf die ISDS-Problematik hin. MultiWatch und attac sprechen sich gegen ISDS und sämtliche internationalen Verträge aus, die sich auf ISDS stützen. Wir verlangen zudem, dass der Bundesrat sich für verbindliche, einklagbare Menschenrechtsregelungen für Konzerne auf UN-Ebene einsetzt.

*ISDS: Instrument der Konzerne, um Schadenersatzklagen gegen Staaten einzureichen, etwa, wenn Regelungen zum Schutz der Umwelt und zur Durchsetzung von Menschenrechten ihre Investitionen und Profitmöglichkeiten beeinträchtigen.

 

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