Wasserabbau in Michigan (USA)

In Michigan (USA) hat Nestlé die Nutzungs-Lizenz für verschiedene Quellen erworben und dort Abfüllanlagen gebaut, um die Flaschenwassermarke Ice Mountain zu produzieren. Dank einer Widerstandsbewegung führten Anzeigen ab dem Jahr 2000 zur gerichtlichen Anerkennung der von Nestlé verursachten Umweltschäden. Nach neunjährigem Kampf wurde die Drosslung der abgepumpten Wassermenge aus der Sanctuary-Quelle auf die Hälfte erreicht. Doch Nestlé bemühte sich danach andernorts um eine Erhöhung der abgepumpten Wassermenge. Während der Konzern als grösster privater Nutzer Unmengen an sauberem Trinkwasser zum Spottpreis abpumpt und in Flaschen abfüllt, herrscht in der 100 km südlich gelegenen Stadt Flint eine Trinkwasserkrise.

Nestlé begann bereits in den 1980er Jahren, in den USA gut etablierte lokale Mineralwassermarken wie z.B. Poland Spring aufzukaufen. 1992 kam Nestlés Flaggschiff Perrier Group dazu, damals weltweit die Nummer 1 auf dem Flaschenwassermarkt. Damit wurde Nestlé zum Marktführer in den USA und Kanada. 2002 wurde Perrier Group of America in Nestlé Waters North America umbenannt. Hauptmarketingstrategie war die gemeinsame Vermarktung von international bekannten und lokal gut verankerten Marken wie Ice Mountain in Michigan.

 

Sanctuary-Spring in Mecosta County

In Michigan begann Nestlé im Jahr 2000 auf starken Widerstand zu stossen, als Perrier in Mecosta County eine 100 Mio-Dollar teure Abfüllfabrik bauen und täglich 720’000 Gallonen Wasser der Sanctuary-Quelle abpumpen und als Marke Ice Mountain vermarkten wollte. Im Dezember 2000 gründeten besorgte Bürger*innen die Michigan Citizens for Water Conservation (MCWC). Bekannt wurde Nestlés Vorhaben, als ein Beamter Einwohner*innen der Gemeinde zum Landverkauf überreden wollte. Nachforschungen des MCWC ergaben, dass Nestlé mit den lokalen Behörden bereits einen Deal abgeschlossen hatte. Die ersten Auseinandersetzungen drehten sich um Zonenplanänderungen für den Bau von Wasserabfüllanlagen in den beiden benachbarten Counties Mecosta und Osceola. MCWC erreichten mit einer Petition, dass die Änderungen der Zonenpläne in beiden Counties abgelehnt wurden. Gleichzeitig konterte der MCWC anhand einer Studie Nestlés Aussagen in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Wasserausbeutung sowie den wirtschaftlichen Nutzen und mobilisierte die Bevölkerung mit öffentlichen Veranstaltungen. Im Juni 2001 klagte der MCWC Nestlé wegen der Verletzung der „public trust doctrine“ an. Das im Oktober 2002 erfolgte Urteil schrieb Nestlé zwar die Erlaubnis zu, Wasser in angemessenem Umfang abzubauen, hingegen stellte es fest, dass Nestlés Wasserabbau die Umwelt und die lokalen Anwohner*innen zu beeinträchtigen droht. Drei Indigenenstämme klagten ebenfalls vor Gericht gegen Nestlé, weil das Abfüllen des Wassers in Flaschen und der anschliessende Export gegen den Water Resources Development Act verstosse. Diese Klage wurde vom Richter jedoch eingestellt. Im Jahr 2003 erfolgte ein definitives Urteil, welches Nestlé den Wasserabbau im Mecosta County untersagte. Hingegen erreichte Nestlé mit einer Einsprache, dass der Wasserabbau solange fortgesetzt werden konnte, bis der Rekurs rechtskräftig würde. Nach 9 Jahren Kampf der lokalen Organisationen erreichten diese in einem Vergleich, dass Nestlé nur noch die halbe Menge Wasser abbauen durfte.

 

Evart Spring in Osceola County

Im Oktober 2016 beantragte Nestlé die Lizenz zur Erhöhung des Wasserabbaus von 250 Gallonen auf 400 Gallonen pro Minute für die Quelle in Evart. Wieder wehrten sich die MCWC dagegen. Die Hauptkritik drehte sich insbesondere darum, dass Nestlé das Wasser für einen Bruchteil dessen abpumpt, was ein Privathaushalt für das Leitungswasser bezahlen muss.

Im April 2017 wurde bekannt, dass bereits in einem einwöchigen Pumptest während der Explorationsphase im Jahr 2000 festgestellt wurde, dass Nestlés Quelle ein grösseres unterirdisches Quellsystem mit Zugang zu Oberflächengewässern und Sumpfgebieten hat, als Nestlé in seinem Antrag für die Wasserabbauerlaubnis deklarierte. Die Wissenschaftler, welche Nestlés Antrag prüften, gaben an, dass angesichts der Durchlässigkeit dieser Erdschicht die weiter weg gelegenen Feuchtgebiete sehr wohl durch den Wasserabbau beeinträchtigt werden könnten. Der aktuelle Wasserabbau hat sich bereits auf die Pegelstandhöhe ausgewirkt.

 

Wasserkrise in Flint

100 km südlich von Nestlés Abpumpfabriken liegt die Stadt Flint. Bei den rund 100’000 Einwohner*innen handelt es sich bei der Mehrheit um Afroamerikaner*innen. Im Jahr 2015 beklagten sich die Einwohner*innen über Monate über Hautausschlag, starken Juckreiz, Haarverlust, Ohreninfektionen und Gelenkschmerzen. Das Wasser aus dem Hahn war bleiverseucht und schmutzig. Grund dafür war der Sparkurs des republikanischen Gouverneurs Rick Snyder, der aus Spargründen im Jahr 2014 die Wasserversorgung aus dem Lake Huron auf diejenige aus dem stark verschmutzten Fluss Flint umgestellt hatte. Das korrosive Wasser führte zur Beschädigung der alten Rohre und zur genannten gefährlichen Wasserverunreinigung . Die Bürger*innen von Flint erfuhren erst eineinhalb Jahre danach, dass sie verschmutztes Wasser zu sich nahmen. Daraufhin rief Senator Snyder den Notstand aus und stellte die Wasserversorgung Ende 2015 wieder über Detroit um. Hingegen dauert die Krise an, weil die beschädigten Rohre erst ersetzt werden müssen.

Angesichts dieser Krise hatte Nestlés Stunde geschlagen. Der Konzern ist der grösste private Nutzer von sauberem Trinkwasser in der Region. Der Stadt in Angst versprach Nestlé Ende Januar 2016 zusammen mit anderen grossen Flaschenwasserproduzenten eine Spende von 6,5 Millionen Flaschen mit abgepacktem Wasser, darunter «Ice Water», das Nestlé nebenan abpumpt. Die Menschen in Flint deckten sich danach an verschiedenen städtischen Verteilpunkten mit Kisten voller Gratis-Flaschenwasser ein. Kurzfristig gesehen erschien Nestlé als Retter in der Katastrophe. Die Langzeitwirkung aber ist gefährlich. Das Marketing mit dem Gratis-Wasser wird sich dereinst auszahlen. Bereits jetzt trinken in vielen Millionenstädten der Dritten Welt Menschen, die es sich leisten können, nur noch Nestlé-Wasser. Weil das Vertrauen in die eigenen Behörden gestört ist und die öffentlichen Trinkwasserversorgungen darnieder liegen.

Und ein brisantes Detail an der Geschichte: Die Sprecherin von Nestlé Michigan – Deb Muchmore – ist mit Gouverneur Snyders Personalchef verheiratet

 

Nestlé verkauft sein Wassergeschäft in Nordamerika

Nestlé plant, sein Wassergeschäft für 4.3 Milliarden US-Dollar an zwei Finanzinvestoren, One Rock Capital Partners und Matropoulus&Co., zu verkaufen (mehr dazu hier). Der Deal mit One Rock Capital Partners umfasst alle Vermögenswerte von Nestle in Michigan, einschliesslich einer riesigen Abfüllfabrik im Mecosta County und mehrerer Grundwassergewinnungsanlagen mit hoher Kapazität, die in den letzten Jahren heftig kritisiert wurden (siehe mlive, 17.2.2021). Denn in Michigan stiess das Geschäftsmodell von Nestle nach der Flint-Wasserkrise und den Wasserabschaltungen in Detroit auf erhebliche Kritik der Bevölkerung, da immer mehr Menschen ihre Wasserrechnungen nicht leisten können. Wie sich der Besitzer-Wechsel auf das bisherige Geschäftsmodell ist ungewiss.

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