Glencore und die Kohlenmine El Cerrejón

El Cerrejón ist ein Steinkohlenwerk im nördlichen Teil Kolumbiens. Die Mine erstreckt sich über insgesamt 69'000 ha und ist damit der grösste Steinkohletagbau Lateinamerikas. Die Mine ist immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen. Die Proteste der lokalen Bevölkerung richten sich gegen die Zwangsumsiedlung von Dörfern, die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen, die Umweltverschmutzungen und die damit einhergehenden Gesundheitsgefährdungen. Immer wieder kommt es auch zu Arbeitskonflikten.

Die Mine El Cerrejón

Die Mine El Cerrejón befindet sich heute im Alleinbesitz von Glencore. Dies kaufte am 28.06.2021 die Anteile der früheren Joint-Venture Partnern BHP Billiton und Anglo American für einen Preis von insgesamt 588 Millionen US-Dollar (siehe MultiWatch, 28.06.2021). Die kommerzielle Ausbeutung der Kohlenvorkommen geht zurück in die 1970er Jahre. Damals wurde der Staatsbetrieb Carbocaol gegründet, der den Kohleabbau gemeinsam mit Intercor (Tochter von ExxonMobile) in Angriff nahm. 1995 übernahm Glencore Teile der Mine im Zentralen Sektor und 2002 verkauften der Staat und ExxonMobile ihre Anteile. Ab 2002 besassen Glencore, BHB Billiton und Anglo American je einen 33%-Anteil an der nun vereinigten Mine Carbones del Cerrejón. 2006 verkaufte Glencore seinen Anteil an Xstrata, an der Glencore damals mit knapp 35% als grösster Aktionär beteiligt war. Durch die Fusion dieser beiden Konzerne im Jahr 2013 gingen die Anteile wieder an Glencore über.

Landvertreibungen und unkorrekte Umsiedlungsprozesse

Durch die Kohlenmine El Cerrejón haben die Indigenen des Volkes der Wayúu einen beträchtlichen Teil ihres Territoriums verloren oder dieses wurde durch Strassen und die Eisenbahn zerstückelt. Die Indigenen wurden weder konsultiert, noch erhielten sie faire Entschädigung. Beispiellos ist die rechtsmissbräuchliche Enteignung des Dorf Tabaco im Jahr 2001. Die letzten ausharrenden Bewohner des Dorfes wurden mithilfe der Armee und der Polizei vertrieben und die Häuser mit Bulldozern plattgemacht. Bis heute ist ungeklärt, wann und wie das Dorf wiederaufgebaut werden kann. Am 16.10.2018 besetzten mehrere Familien aus Tabaco das Grundstück La Cruz, wo das neue Tabaco entstehen soll, um eine Lösung für den Wiederaufbau zu erzwingen (siehe ask!, 27.02.2019). Die Verhandlungen mit den fünf weiteren von Umsiedlungsprozessen betroffenen Dörfern wurden separat mit anderen Agenden und Angeboten geführt. Dies säte Misstrauen und spaltete die Gemeinschaften. Zudem wurden die Bedürfnisse der Dorfbewohner*innen bei der Umsiedlung nicht berücksichtigt. Die folgenden Fälle belegen die andauernden Konflikte:

  • Patilla: Es gibt Probleme mit den Häusern und dem landwirtschaftlichen Anbau.
  • Chancleta: die umgesiedelten Familien haben keine funktionierenden Einkommensmöglichkeiten mehr und die Häuser weisen teilweise Beschädigungen auf.
  • Tamaquito: Das Dorf befindet sich immer noch in Verhandlungen mit der Mine. Langfristig problematisch ist die Trinkwasserversorgung. Zudem wird eine autonome Lösung für die Stromversorgung angestrebt.
  • Casitas: die Bewohner sind noch nicht im Besitz der legalen Titel über ihre landwirtschaftlichen Grundstücke von einer Hektare und auch hier weisen die Häuser schon Probleme auf (siehe ask!, 27.02.2019)
  • Roche: ist seit 1997 in «Verhandlung». Viele Bewohner verkauften unter Druck oder wegen mangelnder ökonomischer Alternativen; andere zogen weg, ohne den Besitz zu verkaufen. 2010 wurden finanzielle Anreize geschaffen für die Umsiedlung in ein neues Roche. Dieses verfügt aber über zu wenig Landwirtschaftsland. Auf den 27.08.2013 wurde die definitive Enteignung des alten Roche angedroht. Am 24. Februar 2016 wurde die letzte in der Gemeinde Roche verweilende Familie gewaltsam vertrieben (siehe Salida del campo – Kolumbien 2019).

Arbeitskonflikte

Einige Monate nach Beendigung eines Streiks im November führt Cerrjón das umstrittene neue Schichtsystem ein (siehe Industriall-union, 13.4.2021). Dieses Schichtsystem lehnt die Gewerkschaft als “Todessschichten” ab. Der Wechsel von 2×1 & 2×3 auf 7×3 & 7×4, bedeutet dass, die Arbeiter neu sieben Tage arbeiten, drei Tage frei haben, danach sieben Tage arbeiten und vier Tage frei haben würden. Die Minenarbeiter müssten mehr Tage im Monat in einer Zwölfstundenschicht arbeiten (insgesamt 72 Arbeitstage mehr pro Jahr). Dadurch würden 1.250 Stellen eliminiert und die Gesundheit der Arbeiter gefährdet (siehe ask!, 22.12.2020) Zudem kam es bereits im Februar 2021 zu einem erneuten Streit zwischen der Gewerkschaft Sintracarbón und Cerrejón um 450 Arbeitsplätze.. Am 23.Feburar 2021 drohte Cerrjón 450 ArbeitnehmerInnen zu entlassen, wenn sie nicht freiwillig in den Ruhestand gehen. Das Unternehmen spricht von gegenseitiger Einvernahme, wenn die Arbeiter akzeptieren, und bot ihnen eine Summe. Akzeptieren die Arbeiter nicht, droht eine Entlassung ohne triftigen Grund, und die Summer fällt tiefer aus (siehe Industriall-union, 4.3.2021). Davor einigten sich die beiden Parteien erst im November 2020 auf einen Tarifvertrag, der einen 91-tägigen Streik beendete. Cerrejón wollte viele historische Errungenschaften der Gewerkschaft aus dem GAV streichen, aber Sintracarbón hat es geschafft, die bisherige Struktur des GAV zu erhalten. Der neue GAV hat eine Gültigkeitsdauer von gut drei Jahren, vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2023. Bereits im Jahr 2013 gelang es der Gewerkschaft, durch einen Streik einen neuen Gesamtarbeitsvertrag zu unterzeichnen. Damals forderte die Gewerkschaft besserem Gesundheitsschutz, mehr Investitionen in den Umweltschutz und eine Lohnerhöhung von sieben Prozent. Insbesondere forderte die Gewerkschaft, dass die Lohnerhöhung auch auf die 500 Angestellten von Subunternehmen angewendet werden soll. Davor war bereits 2009 das Problem arbeitsbedingter Erkrankungen Thema der Gesamtarbeitsverhallungen von Sintracarbón mit El Cerrejón. Die rund 300 betroffenen Minenarbeiter mussten mangels Behandlungszentren vor Ort weite Reisen auf sich nehmen, diese zu entschädigen das Unternehmen sich weigerte.

Umweltkonflikte

Ein langjähriger Konflikt besteht zwischen El Cerrejón und dem Reservat Provincial, welches sich in unmittelbarer Nähe der Mine befindet. Die Bewohner*inne des Reservats beklagen, dass durch den Minenbetrieb tausende Hektaren von Wald abgeholzt worden seien, um an die Kohle zu gelangen. Dabei wurden tausendjährige Bäume zerstört und viele einheimische Tierarten aus ihrem Lebensraum vertrieben. Cerrejón behauptet in seiner Policy zu sozialer Unternehmensverantwortung, es habe den Boden regeneriert und den Wald mit einheimischen Arten wieder aufgeforstet. Der andauernde Kohlestaub verhindert jedoch die Wiederbegrünung (siehe ask!, 1.05.2021). Die Gemeinde des Reservates Provincial klagt über eine hohe Staubbelastung, und auftretende Gesundheitsprobleme wie Hautkrankheiten, die sich in Form von Ausschlägen und Juckreiz äusseren, Atemwegerkrankungen, Husten und andauernde Grippesymptome. Weiter bemängelt die Gemeinde die starke Verschmutzung des Flusses Rancheria (siehe ask!, 30.10.2019) Am 16.12.2019 wurde einer Grundrechtsklage von zwei Bewohnerinnen des Reservats Provincal durch das Verfassungsgericht recht gegeben. Das Gericht ordnete Sofortmassnahmen an u.a. bezüglich der Luftqualität. Innerhalb einer Frist von einem Monat muss die Mine Ihre Staubpartikelemission kontrollieren. Zudem ordnete das Gericht umfassende Säuberungsaktionen an, um Häuser, Brünnen, und die Vegetation innerhalb des Reservats vom Staub zu befreien. Weiter wird die Mine angehalten das Lärmniveau zu reduzieren sowie die Verschmutzung der oberflächlichen Wasserläufe, die aus der Mine herauskommen zu verhindern (siehe ask!, 03.01.2010) Ein weiterer Konflikt zwischen der Mine El Cerrejón und der lokalen Bevölkerung betrifft die Umleitung des Flusses Arroyo Bruno und die damit verbundene Erweiterung des Minenabschnittes La Puente (siehe ask!, 27.08.2019). Durch die Umleitung des Flusses werden negative Konsequenzen auf die Wasserversorgung der sowieso schon von Dürre bedrohten Region erwartet (siehe Multiwatch, 2016) Gegen die Umleitung reichten drei Wayúu-Gemeinden eine Klage beim Verfassungsgericht ein, mit der Forderung, dass der Fluss in den ursprünglichen Lauf zurückkehren soll (siehe ask!, 27.08.2019)

Widerstand im In- und Ausland

Am 19.01.2021 wurden bei den Nationalen Kontaktpunkte der OECD in Australien, England, Irland und der Schweiz Beschwerden gegen die Betreiber der Mine sowie gegen den irischen Energiekonzern ESB und das Handelsunternehmen CMC eingereicht. Den Konzernen wird vorgeworfen die OECD Guidelines zu Menschenrechten, Umwelt und Offenlegung von Informationen zu verletzen. Die Beschwerden zeigen Umweltverschmutzung und die Zerstörung der Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung in der Guajira Region sowie schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen (siehe ask!, 19.01.2021). Zuvor reichten am 22.2.2019 Vertreterinnen von mehreren Gemeinschaften in Begleitung von NGOs eine Nichtigkeitsklage gegen die Umweltlizenz von El Cerrejón beim Staatsrat (consejo de estado) ein. Mit dieser wird beabsichtig, die Mine in die Verantwortung zu nehmen für die humanitäre Krise, den Verlust der Ernährungssicherheit und den Wassermangel, welche den Tod von 5’000 Wayuukindern und die Unterernährung von weiteren 40’000 Kinder verursacht habe. In der Klageschrift wird argumentiert, dass die letzte Abänderung der Lizenz ohne die dazugehörende erneute Umweltfolgeabschätzung durchgeführt worden sei. Die Klage beinhaltet Ergebnisse von wissenschaftlichen Studien über die Umweltverschmutzung sowie Resultate von Berichten, in denen die Nachlässigkeit und fehlende Kontrolle des Minenbetriebs bestätigt werden. Zudem werden die negativen Auswirkungen der Mine, wie die Zwangsumsiedlung, gesundheitliche Beeinträchtigungen, und die Umleitung der Flüsse Arroyo Bruno, Arroyo Tabaco und des Fluss Palomino thematisiert (siehe ask!, 27.02.2019). In der Schweiz wurde die Mine im Rahmen der Konzernverantwortungsinitiative behandelt (siehe Konzernverantwortungsinitiative). Zudem wurde am 01.05.2021 der Führungswechsel von Glencore als Anlass genommen eine neue Petition gegen den Konzern zu starten, in der Glencore aufgefordert wird die Menschenrechte einzuhalten (siehe MultiWatch, 29.04.2021).