Unterlassungssünden von Novartis

Der Basler Pharmakonzern Novartis steht in Japan gehörig unter Druck. Pharmachef David Epstein reiste umgehend nach Tokio und tauschte die dortige Führungsmannschaft aus.

In Japan dauert es oft länger, bis ein Skandal öffentlich wird. Kommt ein Unternehmen aber erst einmal in die Schlagzeilen, ist es ein mühsamer und langwieriger Weg, das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Der Schweizer Pharmakonzern Novartis bekommt das in diesen Wochen drastisch zu spüren. Mitarbeiter des Unternehmens sollen bei klinischen Studien am Tokioter Universitätskrankenhaus Nebenwirkungen des Krebsmittels Tasigna verschwiegen haben. Zudem sollen sie sich unerlaubt Daten von Versuchspersonen verschafft haben.

Pharma-Chef zeigt Reue

Nachdem die Vorwürfe am Donnerstag in Tokio von einer unabhängigen Untersuchungskommission bestätigt worden waren, reagierte die Novartis-Führung umgehend. Bereits zum Wochenende tauschte sie die komplette Führung ihrer japanischen Tochtergesellschaft aus. Der Chef der Niederlassung, Yoshiyasu Ninomiya, und zwei weitere Vorstandsmitglieder erklärten umgehend ihren Rücktritt. Der Chef der Pharma-Division, David Epstein, war nach Tokio gereist, um sich bei den Patienten und den Ärzten in dem ostasiatischen Land für die Manipulationen bei der klinischen Studie für ein Medikament gegen Leukämie persönlich zu entschuldigen.

Es ist bereits das zweite Mal in kurzer Zeit, dass Novartis ins Visier japanischer Ermittler gekommen ist. Erst um die Jahreswende hatte das Gesundheitsministerium Strafanzeige gegen die Tochtergesellschaft von Novartis erhoben. Zuvor hatte es monatelange Ermittlungen gegen das Unternehmen gegeben, nachdem der Vorwurf erhoben worden war, Mitarbeiter des Pharmakonzerns hätten Daten von Studien über die Wirksamkeit des Blutdrucksenkers Diovan gefälscht.

Das Ministerium warf Novartis vor, irreführend für das Medikament geworben zu haben, obwohl dem Unternehmen die Manipulationen an den Studien bekannt gewesen seien. Diovan, dessen Wirkung seit langem unbestritten ist, war bis zum Ablauf des Patentschutzes 2012 ein wichtiger Umsatzträger für den Konzern. Schon bei diesem Skandal hat Novartis die Spitze seiner Tokioter Niederlassung ausgewechselt.

Nachfolger gefunden

Rund 32,2 Mrd. $ Erlös erwirtschaftet Novartis im Pharmageschäft. In Japan werden gut 10% dieser Umsätze erzielt. Das ostasiatische Land ist damit der zweitwichtigste Einzelmarkt für Novartis. Auch deswegen hat die Unternehmensführung auf den neuen Skandal so schnell reagiert. Epstein erklärte auf seiner Pressekonferenz in Tokio, das Verhalten der Mitarbeiter in Japan sei «nicht akzeptabel und ein klarer Verstoss gegen unsere Verhaltensregeln».

Wie ernst man in der Schweiz die Lage einschätzt, zeigte sich auch darin, dass Epstein selbst die Rücktritte der Verantwortlichen bekanntgab. Er wolle sich erneut für die Verstrickung von Novartis in dieses Problem entschuldigen, erklärte der Chef der Pharmadivision. Dirk Kosche, in der Schweiz bis anhin für Wachstumsmärkte Onkologie zuständig, wird jetzt die Leitung von Novartis Pharma in Japan übernehmen. Klinische Tests sind dem Vernehmen nach vorerst ausgesetzt worden.

Artikel aus der NZZ (6.4.2014)

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