Test an Babys in Indien: Novartis​- und Roche​-​Medikamente verwendet

Die Basler Pharmaindustrie steht am Pranger: Bei den zweifelhaften klinischen Tests an Babys in Delhi verabreichten die Ärzte Medikamente von Novartis und Roche. 49 Kinder sind während der Tests gestorben.

Klinische Test können in Indien bis zu 60 Prozent günstiger durchgeführt werden als in Industrieländern. Das könnte den beiden Basler Pharmariesen Novartis und Roche nun zum Verhängnis werden: Die indische Uday Foundation deckte vor einigen Tagen auf, dass in den letzten zweieinhalb Jahren bei solchen Test am Universitätsspital All India Institute of Medical Sciences in Delhi 49 Babys gestorben sind. Die Foundation stellte auch eine Liste mit den verabreichten Medikamenten ins Internet.

Brisant: Auch das Bluthochdruck-Produkt Valsartan von Novartis sowie das Roche-Medikament Rituximab gegen Leukämie sind aufgeführt. Rituximab wird in der Schweiz als Mabthera verkauft und ist das einträglichste Medikament von Roche: 2007 setzte die Firma damit 5,5 Milliarden Franken um. Novartis bestätigt auf Anfrage von Tagesanzeiger.ch/Newsnet, an den Kinder-Tests in Delhi beteiligt zu sein – die Firma weist aber jede Mitschuld am Tod der Kinder zurück: «Die Kinder, die an den Tests mitgemacht haben, sind sehr krank. Bei keinem dieser Patienten konnte als Todesursache die Verabreichung von Valsartan festgestellt werden», sagt Sprecher Michael Schiendorfer.

Arzt hat Studie selbstständig gestartet

Auch bei Roche weist man die Anschuldigungen zurück: «Wir haben in Indien keine Studien an Kindern durchgeführt. Ein Arzt des All India Institute of Medical Sciences hat diese selbstständig gestartet», sagt Sprecherin Claudia Schmitt. In der Schweiz ist das Leukämie-Medikament Mabthera seit 1996 auf dem Markt. «In Notfällen, wenn keine andere Behandlungsmethode existiert, wendet man es auch bei Kindern an.» Schmitt betont, dass Roche nicht für klinische Tests verantwortlich ist, die andere durchführen. «Die Verantwortung liegt bei denjenigen, die die Medikamente zu Studienzwecken verabreichen.»

Das All India Institute of Medical Sciences in Delhi ist inzwischen in die Offensive gegangen: «Kein einziger der 49 Todesfälle ist auf die Behandlungen während der Versuche zurückzuführen», schreibt das Spital in einer Pressemitteilung. Die Kinder seien während der Testphasen an ihren schweren Krankheiten gestorben. Das Institut betont zudem, dass nur fünf Prozent der Kinder an Pharmaindustrie-Tests involviert waren. Insgesamt wurden an 4142 Kleinkindern Tests durchgeführt – darunter 2728, die jünger als 1 Jahr sind.

«Indische Kinder wurden als Versuchskaninchen benutzt»

Trotzdem wächst in Indien nach dem Skandal der Widerstand gegen die klinischen Tests. Chandra M. Gulhati, Chefredaktor einer Medizinalzeitschrift, behauptet in der Zeitung «Deccan Herald»: «Das Novartis-Medikament Valsartan wurde zuvor noch nie an Kleinkindern getestet». Er vermutet, die indischen Kinder seien als «Versuchskaninchen» für den westlichen Markt missbraucht worden.

Artikel Tages-Anzeiger (28.8.2008)