Tabakkonzerne verschieben ihre Geschäfte nach Afrika

Hunderte Millionen Einwohner Afrikas sollen sich demnächst dem blauen Dunst hingeben, wenn es nach der Tabakindustrie geht.

Artikel vom Infosperber (1.5.2022)

Wegen immer höherer Steuern und Werbeverboten in Europa, den USA, Australien und Neuseeland gehen die Gewinne seit Jahren zurück. Die Tabakkonzerne konzentrieren sich neu auf den afrikanischen Kontinent und Asien und gehen dabei nicht immer ethisch vor. Dort sind die Tabaksteuern tief und die Werbung für Tabakprodukte wenig oder überhaupt nicht eingeschränkt.

Zum Beispiel in Sambia: Von den damals etwa 17 Millionen Einwohnern Sambias rauchten 2015 nur rund 815’000 täglich Zigaretten, davon rund 695’000 Männer und 111’000 Frauen über 15 Jahre sowie 9000 Kinder zwischen 10 und 14. Das war ein deutlich geringerer Anteil als in der Schweiz, gibt die die Seite «Tobacco Atlas» Auskunft.

Die Tabakkonzerne haben Afrika entdeckt

Geht es nach der globalen Tabakindustrie, soll sich das bald grundlegend ändern. Diese hat die afrikanischen Länder als vielversprechenden Markt entdeckt, weil der Zigarettenkonsum in den zahlungskräftigen Industrieländern seit einiger Zeit sinkt.

Bis 2025, schätzt die WHO, wird sich die Zahl der Rauchenden in Sambia um 300’000 erhöhen. Das schreibt «Tobacconomics», eine Organisation der US-Universität Illinois, die sich aus wissenschaftlicher Sicht mit den politischen und ökonomischen Seiten des weltweiten Tabakkonsums beschäftigt.

Zigaretten sind in Sambia wie in den meisten afrikanischen Ländern aus unserer Sicht spottbillig. Eine Schachtel Marlboro kostete in der Hauptstadt Lusaka Mitte April 37 Kwacha, das sind 2,09 Franken. Offener Tabak ist noch günstiger, einen Schwarzmarkt gibt es auch.

Wegen der hohen Inflation sinken die Preise real eher, als zu steigen. Dazu wird die Bevölkerung immer wohlhabender, für Genussmittel wie Tabak ist damit mehr Geld übrig.

Konzerne schielen seit Jahrzehnten auf den afrikanischen Markt

Afrika als Markt aufzubauen, ist seit Jahrzehnten ein strategisches Ziel von Konzernen wie British American Tobacco (BAT) oder Philip Morris. Das Marketing zielt vor allem auf Frauen und Jugendliche, bisher rauchen grösstenteils Männer. So wird beispielsweise aggressiv in den sozialen Medien geworben. Die WHO sieht eine «Epidemie» kommen.

Die Steuer auf Tabakprodukte ist in den meisten Ländern Afrikas gering, es gibt wenig Regulierung. Big Tobacco tut sein Möglichstes, damit das auch so bleibt. Die verantwortlichen Regierungen sind oft schwach, der Schwarzmarkt gross, das Länderbudget klein, was Lobbyisten und Korruption geradezu einlädt.

Da kann es dann schon vorkommen, dass eine Tabaksteuer zwar eingeführt wird, der Betrag aber bei winzigen 6 Prozent bleibe, berichtete die «NZZ» im März über Lesotho.

Mit unsauberen Mitteln

In Sambia kam auf den Verkaufspreis von Tabak 2016 ein Steueranteil von 37 Prozent, weltweit waren es 56 Prozent. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt 75 Prozent, um die Nikotinsucht einzudämmen.

Es gibt Hinweise auf Bestechung durch British American Tobacco (BAT), die die Gesundheitspolitik mehrerer Länder beeinflussen sollte. Dokumente von Whistleblowern zeigen fragwürdige Zahlungen in Burundi, Kongo, Kenia, Malawi, Ruanda, Sudan, Tansania, Uganda, Sambia und auf den Komoren.

«[Das ist] nicht nur das Werk einiger Weniger», sagt Andrew Rowell, Senior Researcher der Tobacco Control Research Group an der University of Bath, England. Eine Analyse der Vorgänge weise darauf hin, dass es sich um eine häufige, ausgedehnte und systematische Aktivität von BAT handelte.

Weltweit grösster Zuwachs an Rauchenden

Die Bemühungen der Konzerne trugen bereits Früchte. In den afrikanischen Ländern ohne Südafrika ist der Absatz von Tabakprodukten von den 1990er-Jahren bis 2010 um 70 Prozent gestiegen. Bis 2025 erwartet die WHO dort den weltweit grössten Marktzuwachs.

Die Konzerne setzen Marketinginstrumente ein, die anderswo längst verboten sind oder ihrem eigenen Verhaltenskodex widersprechen. Sie verschenken Zigaretten an Kinder, verkaufen Zigaretten einzeln, schicken «Cigarette Girls» auf Werbetour oder sponsoren Veranstaltungen für Jugendliche, berichtet «Tobacco Tactics», das Medium der Forschungsgruppe in Bath, aus Uganda.

In Uganda und Sambia kommt dazu, dass diese Länder selbst Tabak produzieren. Während im Rest der Welt immer weniger Tabak angebaut wird, wächst die Produktion in Afrika. Konzerne werben für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze durch Anbau und Zigarettenproduktion und werden dafür steuerlich begünstigt. Doch für Bauern und Arbeiter ist Tabak dabei eher weniger lukrativ als andere Produkte, zeigt eine Studie von «Tobacconomics».

Aktivistin warnt vor Kinderarbeit und propagiert schärfere Gesetze

Aber die Zivilgesellschaft ist nicht machtlos. BBC Podcast stellt die sambische Aktivistin Brenda Chitindi vor. Chitindi bemüht sich seit mehr als einem Jahrzehnt, höhere Steuern, strengere Regeln zur Warnung vor Gesundheitsgefahren auf Verpackungen, Nichtraucherzonen und ähnliche Massnahmen durchzusetzen, die die WHO in der «Framework Convention on Tobacco Control» (FCTC) empfiehlt. Als Vorbild dient Kenia, das strengere Anti-Tabak-Gesetze hat.

Artikel Infosperber (1.5.2022)

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