Schwere Vorwürfe gegen Holcim und Tochterfirma in Uganda: «Arbeit darf nicht töten»

Während Holcim Rekordzahlen bekannt gibt, werfen Gewerkschaften dem Zement- und Baustoffriesen erneut Menschenrechtsverletzungen vor.

Artikel vom Blick (1.5.2022)

Seit dem 15. Januar ist im Leben von Suzan Chandiru (36) und ihrer Familie nichts mehr so wie vorher. An diesem Tag kommt es im Werk des Zementherstellers Hima Cement in Kasese (Uganda) zu einer Explosion. Dabei und beim nachfolgenden Brand verlieren drei Arbeiter ihr Leben. Acht weitere werden verletzt. Einer von ihnen ist Asite Milton (30), der jüngere Bruder von Suzan Chandiru. Sieben Tage später erliegt er seinen Verletzungen.

Klar ist: Vor der Explosion fanden im Zementwerk Installationsarbeiten an einem Leichtdieselöl-Tank statt. Doch auch drei Monate danach wissen die Angehörigen der Verstorbenen noch immer nicht, was genau geschah und weshalb die Betroffenen während ihrer Arbeit nicht besser geschützt waren. Auch eine Schadenersatzzahlung blieb bisher aus. «Das macht uns wütend und traurig», sagt Suzan Chandiru. «Es ist das Mindeste – auch wenn wir wissen, dass es uns unseren Jüngsten nicht zurückbringen wird. Wir vermissen ihn so sehr.»

Nicht das erste Mal

Hima Cement ist eine Tochtergesellschaft von Holcim. Damit werden dem Schweizer Baustoffriesen einmal mehr schwere Verstösse vorgeworfen.

Der Unfall in Kasese sei eine Folge der Personalpolitik des Konzerns und dessen Tochtergesellschaft, sagt Oloka Mesilamu (71), Generalsekretär der lokalen Gewerkschaft Uganda Building Workers Union.

Einerseits gehe das Management von Hima Cement systematisch gegen die Interessen der Gewerkschaft vor, indem Angestellte durch Einschüchterung davon abgehalten werden, ihr beizutreten. Erst 2020 seien viele Arbeitskräfte, die Gewerkschaftsmitglied waren, unter fadenscheinigen Gründen entlassen worden.

Andererseits setze der milliardenschwere Konzern seit einigen Jahren immer stärker auf Subunternehmen, «aus Profitgründen», sagt Mesilamu.

Leiharbeiter statt Ausgebildete

Mittlerweile seien zwei Drittel der Arbeitskräfte bei Hima Cement Leiharbeiter. Dieses oftmals ungeschulte Personal leide unter prekären Bedingungen: Lange Arbeitszeiten seien an der Tagesordnung, Überstunden würden nicht vergütet, Kranken- oder Mutterschaftsentschädigung gebe es für die Leiharbeiter nicht, Massnahmen zum Schutz ihrer Gesundheit und Sicherheit kaum.

«Diese Menschen werden ausgebeutet», sagt Mesilamu. «Und ihre Arbeitgeber hören uns nicht zu, wenn wir über ihre Arbeitsbedingungen verhandeln wollen.»

Auch die vier Toten von Hima Cement waren Auftragnehmer eines Drittunternehmens. «Sie waren erst wenige Tage im Werk und kannten den Arbeitsplatz noch nicht. Dieses System hat sie das Leben gekostet», so Mesilamu.

Dass der Unfall hätte verhindert werden können, glaubt auch die Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI), der globale Dachverband der Bau- und Holzgewerkschaften. Seit Jahren fordere man von Holcim, auf die Vergabe von Aufträgen an Subunternehmen zu verzichten und sich konkret zur Einhaltung der Arbeitnehmerrechte zu verpflichten – ohne Erfolg. «Dieser schreckliche Unfall ist nur die Spitze des Eisbergs. Viele Angestellte haben in den letzten Jahren bei der Ausübung ihres Berufs ihr Leben verloren, andere wurden verletzt», sagt BHI-Generalsekretär Ambet Yuson. Dafür gebe es keine Rechtfertigung: «Jobs sollten nicht töten.»

Holcim nimmt Vorfälle sehr ernst

Holcim lässt verlauten, die Sicherheit der Mitarbeitenden stehe an oberster Stelle. Aus diesem Grund nehme man den Vorfall in Kasese sehr ernst und lasse ihn eingehend untersuchen. «Holcim kooperiert in diesem Prozess uneingeschränkt mit den lokalen Behörden», sagt ein Sprecher. «Sobald alle Ergebnisse vorliegen, werden wir alle notwendigen Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt.»

Zudem stehe man den betroffenen Arbeitnehmenden und ihren Familien bei. «Wir sind mit ihnen in Kontakt, um sie zu unterstützen, wo wir können. Um ihren Genesungsprozess bestmöglich zu fördern, stellen wir medizinische Dienste zur Verfügung und übernehmen alle erforderlichen Reise- und Unterbringungskosten, die für den Zugang zu den medizinischen Versorgungseinrichtungen erforderlich sind.»

Die Vorwürfe der Gewerkschaften will der Konzern nicht gelten lassen: Die Zahl der Beschäftigten im Werk sei in den vergangenen Jahren stabil. Man halte niemanden davon ab, eine gewerkschaftliche Vertretung zu suchen. Mehr noch: «Die Beschäftigten des Werks sind Gewerkschaftsmitglieder.»

Zwar würden für bestimmte Aufgaben und zusätzliche Arbeit Drittkräfte eingesetzt. Dabei führe man aber Tarifverhandlungen und bespreche Bedingungen regelmässig mit Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertretern: «Die Arbeitsbedingungen entsprechen in vollem Umfang den arbeitsrechtlichen Vorschriften in Uganda und den internationalen Vorschriften sowie den OECD-Leitlinien für Unternehmen der Privatwirtschaft.»

Artikel Blick (1.5.2022)