Schweizer Wasserverbrauch ist zum grössten Teil «importiert»

Die Schweiz hinterlässt einen grossen Teil ihres «Wasser-Fussabdrucks» im Ausland – vor allem in Ländern mit Wasserknappheit.

Artikel vom Infosperber (25.3.2019)

Rund vier Milliarden Menschen, fast zwei Drittel der Weltbevölkerung, leiden mindestens einen Monat pro Jahr unter Wasserknappheit. Und 2015 hatten drei von zehn Menschen auf der Welt keinen Zugang zu Trinkwasser. Die Zahlen gehen aus einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen hervor.

160 Liter Wasser für eine Tasse Kaffee

Die Schweiz, wegen ihrer Berge und Gletscher als das «Wasserschloss Europas» bekannt, verfügt über reichlich Wasserressourcen. Trotzdem ist sie nicht immun gegen globale Probleme des Wasserhaushalts.

Die Zahlen der UNO zeigen, dass eine Person in der Schweiz pro Tag im Schnitt 4200 Liter Wasser verbraucht. Der Wasser-Fussabdruck berücksichtigt sowohl die direkte Nutzung von Wasser – z.B. zum Kochen, Waschen und Putzen – sowie die indirekte Nutzung, das heisst, das «virtuelle Wasser», das für die Produktion von landwirtschaftlichen und industriellen Gütern benötigt wird.

So brauche es zum Beispiel 160 Liter Wasser, um eine einzige Tasse Kaffee zu produzieren, erklärt Emmanuel Reynard, Professor für Geographie und Nachhaltigkeit an der Universität Lausanne.

Schweizer Wohlstand dank ausländischen Wasserressourcen

Auch wenn der Wasserverbrauch der Schweiz pro Kopf im weltweiten Durchschnitt liegt, zeigt die Analyse des Wasser-Fussabdrucks eine Besonderheit: Ein Grossteil des von den Schweizerinnen und Schweizern verbrauchten Wassers ist «importiert»:

82 Prozent des Schweizer Wasserverbrauchs fällt durch Waren und Dienstleistungen an, die aus dem Ausland eingeführt werden. Zum Vergleich: Dieser Wert liegt laut der Stiftung Barilla Center for Food & Nutrition in den USA bei 20 Prozent und in Italien bei 60 Prozent.

Dieser hohe Prozentsatz für die Schweiz sei «problematisch», sagt Sophie Nguyen Khoa Man, Expertin für den Bereich Wassersicherheit beim Hilfswerk Helvetas, gegenüber swissinfo.ch. «Die Mehrheit dieser importierten Waren und Dienstleistungen stammt aus Entwicklungsländern, in denen die Wasserressourcen nicht immer in ausreichender Menge und/oder Qualität zugänglich sind, um den Bedürfnissen des Erzeugerlandes gerecht zu werden.»

Laut einem Bericht der Umweltschutz-Organisation WWF, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und einiger Universitäten von 2012 «verdankt die Schweiz ihren Wohlstand den Wasserressourcen anderer Länder (....), oft in Gebieten der Erde, in denen das Wasser sehr knapp ist». Darunter Äthiopien, Sudan, Kenia, Indien, Afghanistan und Pakistan.

Wasserverbrauch reduzieren

Laut der Helvetas-Spezialistin Sophie Nguyen Khoa Man kann die Schweiz eine «entscheidende» Rolle bei der Reduktion des Wasser-Fussabdrucks spielen, indem sie diese Herstellerländer unterstützt, insbesondere durch Programme zur nachhaltigen Wasserwirtschaft.

Dazu gehören die Einführung von Methoden zum Senken des Wasserverbrauchs beim Herstellen landwirtschaftlicher Erzeugnisse, das Verringern der Wasserverschmutzung bei industriellen Prozessen und die Förderung von Plattformen für Dialog und Austausch zwischen allen Beteiligten, damit die Wasserwirtschaft effektiver und gerechter wird.

Emmanuel Reynard hingegen findet, man müsste die Konsumenten stärker für das Problem sensibilisieren. Zum Beispiel indem man Produkte mit einem geringeren Wasserverbrauch speziell kennzeichnet.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf swissinfo.ch. Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub und Sibilla Bondolfi.

Artikel Infosperber (25.3.2019)