Ein linkes Komitee sammelt Unterschriften gegen die Vorlage. Die Abstimmung fände bereits am 18. Mai statt – zu knapp, bemängeln die Gegner.
Artikel aus der Basler Zeitung (4.3.2025)
In Kürze:
- Im Kanton Basel wird wohl über das OECD-Standortpaket abgestimmt.
- Ein linkes Komitee sammelt Unterschriften für ein Referendum. Kommt es zustande, findet die Abstimmung am 18. Mai statt.
- Die Gegner kritisieren dieses Zeitfenster als zu knapp bemessen für eine solide Meinungsbildung in der Bevölkerung.
- Die Regierung argumentiert damit, baldmöglichst Rechtssicherheit schaffen zu wollen.
In der Ferienzeit befindet sich der Politbetrieb im Winterschlaf. Egal, wen man dieser Tage anruft: Die Leute sind entweder auf der Skipiste oder am Strand. Durch den Hörer dringt gleichwohl eine gewisse Nervosität. Ob auf zweitausend oder auf null Höhenmetern: Die Politstrategen planen bereits die nächsten Schritte.
Der Grund: In weniger als drei Monaten steht in Basel ein politischer Grosskampftag an. Am 18. Mai wird nicht nur über die Velorouteninitiative samt Gegenvorschlag abgestimmt, sondern auch über das OECD-Standortpaket, bei dem es um nichts weniger als die Verteilung von bis zu 500 Millionen Franken geht. Die Basler Regierung hatte viele Partei- und Verbandsprofis auf dem kalten Fuss erwischt, als sie am Freitag vor den Ferien verkündete, das OECD-Päckli ebenfalls im Mai zur Abstimmung zu bringen.
Der Urnengang findet unter dem Vorbehalt statt, dass das Referendum zustande kommt. Der Grosse Rat hat das Paket am 5. Februar gutgeheissen. Ein linkes, aber parteiunabhängiges Komitee sammelt aktuell Unterschriften für ein Referendum. Die Sammelfrist läuft bis zum 22. März.
Komiteesprecher Roman Künzler ist zuversichtlich, dass man die benötigten 2000 Unterschriften bis dann zusammenhabe, trotz Ferien und Fasnacht: «Wir konnten bereits mehrere Hundert Unterschriften sammeln und gehen davon aus, dass das Referendum zustande kommt.»
Kurzes Zeitfenster bis zur Abstimmung
Bis zum Abstimmungstag bleiben ab dann noch knapp acht Wochen, in denen die Parteien ihre Parolen fassen und die jeweiligen Pro- und Kontra-Komitees ihre Kampagnen lancieren müssen, um dem Stimmvolk ihre Argumente in einer durchaus komplizierten Materie zu präsentieren.
Die Gegner der Vorlage bezeichnen diesen Zeitrahmen als zu knapp. Künzler sagt sogar, dass die Ansetzung des Abstimmungstermins am 18. Mai durch die Basler Regierung «demokratiepolitisch heikel» sei. «Diese kurze Frist ist aus unserer Sicht äusserst problematisch. So bleibt nur wenig Zeit, um eine fundierte Debatte zu führen.»
Ähnlich formuliert es Basta-Grossrat Nicola Goepfert: «Ich sehe das sehr kritisch. Die Bevölkerung braucht Zeit, um sich zu einer so komplexen Vorlage eine fundierte Meinung zu bilden.» Er sei «kein Fan» von «solchen Schnellschüssen». Die Basta hatte im Grossen Rat als einzige Fraktion konsequent gegen das Paket votiert, ist aber bei der Unterschriftensammlung nicht im Lead.
Goepfert betont jedoch, dass man das Referendum inhaltlich unterstütze. Am Ende sei es eine Ressourcenfrage: «Wir verfolgen aktuell zwei eigene Initiativprojekte und mussten hier deshalb Abstriche machen.» Die Basta werde sich in einem Abstimmungskampf aber sicher für das Referendum starkmachen.
Regierung will bald Rechtssicherheit schaffen
Noch unklar ist die Position der Grünen, die im Parlament gespalten waren. «Wir haben im Vorstand noch nicht diskutiert, ob wir das Referendum unterstützen», sagt Grossrat und Parteisekretär Oliver Thommen.
Aber auch er sieht das knappe Zeitfenster bis zur Abstimmung kritisch: «Es ist für die Parteien etwas mühsam, wenn der Regierungsrat an einem bestimmten Termin nachträglich noch eine weitere Abstimmung ansetzt. Wir brauchen schliesslich auch eine gewisse Vorlaufzeit und sind bislang davon ausgegangen, dass eine mögliche Abstimmung wenn schon im September stattfinden würde.»
Regierungssprecher Marco Greiner begründet die Wahl des Mai-Termins auf Anfrage der BaZ mit dem Bestreben des Kantons, den betroffenen Firmen möglichst zeitnah zu signalisieren, wie es weitergeht: «Es ist hinsichtlich Standortsicht entscheidend, dass wir bald eine Verbindlichkeit und Rechtssicherheit schaffen.» Die Massnahmen aus dem Paket sollen bereits 2025 greifen, deshalb sei die Abstimmung im Mai «notwendig». Greiner weist ausserdem darauf hin, dass die Regierung gemäss Gesetz verpflichtet sei, Abstimmungstermine zwei Monate im Voraus bekannt zu geben – und jetzt habe man den Termin sogar elf Wochen vorher kommuniziert.
Die Befürworter sehen die Angelegenheit denn auch deutlich entspannter. «Die Debatte über die OECD-Mindeststeuer und deren Auswirkungen wird ja schon länger geführt, zuerst auf nationaler Ebene und seit einiger Zeit auf kantonaler», sagt FDP-Grossrat Luca Urgese, der bei der Handelskammer beider Basel (HKBB) den Bereich Steuern und Politik verantwortet. Eine «solide Meinungsbildung» bis im Mai sei «möglich».
Urgese begrüsst den Anspruch der Regierung, möglichst bald Rechtssicherheit zu schaffen. «In einer weltpolitischen Lage, die sich wahnsinnig schnell und zuweilen auch unvorhersehbar entwickelt, müssen wir als Gemeinwesen handlungsfähig bleiben.» Die «demokratischen Prozesse» würden ja in jedem Fall eingehalten.
Ohne SP haben es die Gegner schwer
Im Abstimmungskampf würde aufseiten der Befürworter wahrscheinlich die Handelskammer den Lead übernehmen. Urgese sagt: «Wir sind bereit, das Heft in die Hand zu nehmen, werden uns aber natürlich noch mit unseren Partnern abstimmen.» Die grossen bürgerlichen Parteien wären dem Vernehmen nach auch an Bord.
Bei den Gegnern ist diese Frage noch nicht geklärt. Aktuell agiert das Referendumskomitee ohne Partei im Rücken. Der logischste Partner wäre die Basta oder auch die Gewerkschaften. Die Grünen haben sich wie erwähnt noch nicht auf eine Position festgelegt.
Künzler sagt dazu: «Wir werden nach dem Zustandekommen des Referendums auf Verbände und Parteien zugehen.» Geplant seien vor allem Aktionen «aus der Zivilgesellschaft heraus», so Künzler, der sich bereits bei der Klimagerechtigkeitsinitiative engagiert hat. «Eine erfolgreiche Kampagne braucht das Engagement von sehr vielen Playern, auch von Einzelpersonen.» Um eine Chance zu haben, müssten die Gegner wohl die SP-Basis von einem Nein überzeugen. Allzu viele Hoffnungen dürfen sie sich nicht machen, im Grossen Rat hat die SP-Fraktion für das Paket gestimmt.
Artikel Basler Zeitung (4.3.2025)