Die Staatsanwälte werfen den Firmen vor, über systematische Absprachen die Preise bei 15 Medikamenten in die Höhe getrieben zu haben. Ein Blick in die Klageschrift zeigt, dies könnte teuer werden.

Deals im Steakhouse

Unweit von New York, im Bundesstaat New Jersey, befindet sich ein Ballungszentrum der Big Pharma. Über 40 Konzerne, darunter Sandoz, haben dort ihren US-Hauptsitz. Man kennt sich also. Diese Nähe wird nun zum Problem: 20 der dort beheimateten Generikariesen sollen das Netzwerk genutzt haben, um in «konspirativen» Treffen Preisabsprachen zu treffen, schreibt George Jepsen, Staatsanwalt von Connecticut, in einer Mitteilung am Montag.

Er und die weiteren Ankläger schildern auf 249 Seiten akribisch, wie diese Treffen 2014 abgelaufen sein sollen. Manager hätten gezielt auf Branchenmessen, an Konferenzen, über E-Mail, Telefon und Textnachrichten kommuniziert. Von weiblichen Verkaufsverantwortlichen der Branchen ist die Rede, die sich im informellen Rahmen zu «Girls Nights Out» getroffen haben.

Ranghohe Generika-Manager, mitunter CEOs, sollen für «Dinner und Drinks» in Steakhouses zusammengekommen sein. So etwa in Bridgewater, einer Kleinstadt 30 Minuten Autofahrt vom Sandoz-Hauptsitz in Princeton entfernt. Ob deren Vertreter anwesend waren, ist laut der Klageschrift unklar.

Hingegen ist unter verschiedenen anderen Beispielen klar dokumentiert, dass Sandoz-Manager an einer Pharmatagung im Mai 2014 in Minnesota anwesend gewesen sein sollen, als man Konkurrent Heritage für Preisabsprachen ins Boot holen wollte. Heritage besass bei einem Mittel gegen Herzinsuffizienz (Fosinopril) in den USA einen Marktanteil von 47 Prozent.

Hauptkonkurrent war mitunter Sandoz. Nach dem Treffen sollen sich die Konkurrenten mehrfach über Textnachrichten und am Telefon unterhalten haben. Ein knappes halbes Jahr später, im Januar 2015, kostete das Herzmittel auch bei Sandoz doppelt so viel wie noch ein Jahr zuvor.

Milliardenklage möglich

Bei den beschriebenen Treffen geht es um Absprachen zu künstlichen Preissteigerungen, Konkurrenzverhinderung und Marktaufteilung. «Wenn die Vorwürfe zutreffen, haben die betroffenen Generikafirmen ein riesiges Problem», sagt ein erfahrener Rechtsanwalt im Pharmageschäft. «Preisabsprachen sind die Todsünde im Kartellrecht.» Der Anwalt rechnet mit Bussen und Schadenersatzforderungen «möglicherweise in Milliardenhöhe».

Besonders die Schadenersatzklagen könnten happig ausfallen. Sammelklagen seien im US-Recht einfach zu bilden, so der Experte. Zudem sieht das US-Recht vor, dass Firmen bei Schadenersatz mit Zahlungen gebüsst werden können, die den effektiven Schaden bis zu dreimal übersteigen.

Damit könnte die jüngste Klage Dimensionen erreichen wie zuletzt der Vitamin-Skandal Ende der 1990er-Jahre, so der Kartellrechtsexperte. Damals mussten die betroffenen Konzerne, allen voran Roche, in den USA und Europa über 1,4 Milliarden Dollar für ihre Preisabsprachen zahlen.

Bei Novartis übt man sich in Optimismus: «Wir glauben, dass die Behauptungen unbegründet sind und widersprechen ihnen energisch», sagt ein Sprecher. Sandoz nehme ihre wettbewerbsrechtlichen Verpflichtungen sehr ernst und werde sich weiterhin dafür einsetzen, US-Patienten hochwertige erschwingliche Medikamente zur Verfügung zu stellen.

Genau das sei nicht geschehen, finden die Staatsanwälte. Über Jahre seien diese Einsparungen günstiger Generika nicht realisiert worden. Stattdessen schnellten die Preise mancher Generika in die Höhe. Der Schaden sei beträchtlich, den diese Firmen der US-Wirtschaft, der öffentliche Hand einzelner Bundesstaaten sowie den Patienten, die wegen der höheren Preise nur einen Teil von ihren Krankenkassen bezahlt bekamen, zufügte.

Artikel aus der Basellandschaftliche Zeitung (2.11.2017)