Novartis ist zurück in den griechischen Schlagzeilen

Seit zwei Jahren hält eine Bestechungsaffäre um das Basler Pharmaunternehmen Griechenland in Atem. Nun ist ein Kronzeuge selber zum Angeklagten geworden.

Die NZZ (4.1.2019) berichtet über die aktuellen Entwicklungen im "Novartis Gate".

Die undurchsichtige Affäre um Bestechungsvorwürfe an Novartis in Griechenland ist um eine überraschende Wendung reicher. Einer der drei geschützten, also nicht namentlich bekannten Zeugen, auf deren Aussagen die Anschuldigungen fussen, ist nun selber zum Angeklagten geworden. Zudem wurde seine Identität offengelegt. Nikos Mandiakis, ein Professor und ehemaliger Berater des Gesundheitsministeriums, wird von einer anderen, der Öffentlichkeit weiterhin namentlich nicht bekannten Zeugin beschuldigt, 120 000 € von der griechischen Tochter des Basler Pharmaunternehmens erhalten zu haben, um auf die Preisfestlegung der Regierung einzuwirken.

Der Beschuldigte wurde am Montag am Flughafen von Athen an der Ausreise nach Spanien gehindert, wohin er mit seiner Familie umziehen wollte. Am Donnerstag wurde sein Haus durchsucht, ohne dass dies allerdings belastendes Material zutage brachte. Am Mittwoch war Mandiakis selber in die Offensive gegangen, als er in einem Fernsehinterview erklärte, er sei von der Staatsanwaltschaft mehrmals dazu gedrängt worden, führende Oppositionspolitiker in der Affäre namentlich zu belasten, habe dies aber nie getan. Er bestätigte aber, dass überhöhte Medikamentenpreise festgelegt worden seien.

Oppositionspolitiker auf der Anklagebank

Der auch «Novartis Gate» genannte Skandal, der durch belastende Aussagen zweier ehemaliger Mitarbeiter des Unternehmens vor der amerikanischen Börsenaufsicht ausgelöst worden war, beschäftigt Griechenland seit zwei Jahren. Der Pharmakonzern soll demnach zwischen 2006 und 2015 durch illegale Zahlungen versucht haben, seine Marktposition in Griechenland zu verbessern. Stand anfänglich die Bestechung von Ärzten im Vordergrund, um Verschreibung und Verkauf von Novartis-Produkten zu fördern, konzentrieren sich die Ermittlungen seit einem Jahr auf Politiker, die gegen Bezahlung bei Zulassung und Preissetzung von Medikamenten Novartis begünstigt haben sollen.

Unter den Beschuldigten befinden sich zwei ehemalige Ministerpräsidenten und acht frühere Minister, die allesamt den heute oppositionellen Parteien Nea Dimokratia (ND) und Pasok angehören. Das Hauptaugenmerk scheint dabei zurzeit auf dem früheren Regierungschef Antonis Samaras, dem ehemaligen Finanzminister und heutigen Zentralbankchef Yannis Stournaras und dem Vizepräsidenten der ND und ehemaligen Gesundheitsminister Adonis Georgiadis zu liegen. Insgesamt sollen Gelder in der Höhe von 50 Mio. € geflossen sein, der volkswirtschaftliche Schaden belaufe sich laut dem Justizministerium auf 3 Mrd. €.

Die Fülle an Details, aber auch dramatische Entwicklungen wie der Selbstmordversuch eines Novartis-Managers deuten darauf hin, dass die Anschuldigungen nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. Das Basler Unternehmen erklärte in der jüngsten Stellungnahme zum Fall erneut, mit den Behörden zu kooperieren und auch intern an der Aufklärung der Vorwürfe zu arbeiten.

Wenig Gewissheiten

Von Klägerseite wurden bis heute allerdings noch keine stichhaltigen Beweise vorgelegt. Zwar lud die zumindest partielle Dysfunktionalität des griechischen Gesundheitssystems zweifellos zu Unregelmässigkeiten ein; Korruption war und ist weit verbreitet. Ebenso ist es eine Tatsache, dass in Griechenland vor allem vor den Sparbemühungen der letzten Jahren tatsächlich ein im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich tiefer Prozentsatz an günstigen Generika verschrieben wurde.

Doch das lässt sich genauso auf die vielen Fehlanreize im ineffizienten System zurückführen wie auf angebliche Marktmanipulationen. Zudem gibt es zahlreiche Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Affäre. Wenig plausibel erscheint vor allem, dass ein Pharmaunternehmen auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise den Absatz künstlich anzukurbeln versuchte, als viele Akteure im Gesundheitswesen vor der Zahlungsunfähigkeit standen und Medikamentenhersteller bemüht waren, ihre Ausstände klein zu halten.

Politisierung der Affäre

Für die vom Linksbündnis Syriza geführte Regierung von Premierminister Alexis Tsipras war der Skandal um einen Pharmamulti und korrupte Politiker, die allesamt aus dem gegnerischen Lager stammen, dennoch ein gefundenes Fressen. Zuerst schlug man mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss politisches Kapital aus der Affäre. Nachdem sich dieser als gar nicht zuständig herausgestellt hatte und die Ermittlungen an die Justiz zurückgeben worden waren, gab es immer wieder Ankündigungen, dass es bald zu ersten Verhaftungen von beschuldigten Politikern komme. Diese weisen ihrerseits alle Anschuldigungen von sich und sprechen von einer politischen Hexenjagd. Entsprechend werden die jüngsten Aussagen des ehemaligen Zeugen Mandiakis ausgelegt.

Am Donnerstag lieferten sich der stellvertretende Gesundheitsminister Pavlos Polakis (Syriza) und Adonis Georgiadis (ND) in den sozialen Netzwerken einen Schlagabtausch über die Rechtmässigkeit des Vorgehens der Regierung und den Zustand der Korruptionsbekämpfung im Allgemeinen im Land. Dies dürfte nur ein Vorgeschmack auf die zu erwartende, weitere Politisierung der Affäre im laufenden Wahljahr sein. Die Wahrheitsfindung wird dies kaum erleichtern.

Artikel aus der NZZ (4.1.2019)

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