Novartis ​& Brenntag Schweizerhall AG involviert in Lieferung von Ausgangsstoffe für Chemiewaffen an Assad​-​Partner

Ausgehend von einem Artikel in der SonntagsZeitung (17.2.2019) produziert Watson (17.2.2019) einen Artikel mit folgendem Titel: Chemiewaffen für Assad-Partner – diese Basler Firma steckt hinter dem Export".

Artikel von Watson (17.2.2019)

Eine Basler Firma hat einen Assad-Partner mit Substanzen versorgt, die für die Herstellung von Chemiewaffen verwendet werden können. (Symbolbild) bild: shutterstock

Im Jahr 2013 wurde der Nervenkampfstoff Sarin gegen Zivilisten der syrischen Hauptstadt Damaskus eingesetzt. Die internationale Empörung war gross. Präsident Bashar al-Assad willigte schliesslich ein, seine Chemiewaffen und deren Ausgangsstoffe zu zerstören.

Massgeblich beteiligt an der Vernichtungsaktion war das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) – rund eine Million Schweizer Franken wurde dafür beigesteuert.

Brenntag Schweizerhall AG und Novartis involviert

Letztes Jahr wurde bekannt, dass wenige Monate danach Isopropanol und Diethylamin von der Schweiz nach Syrien exportiert wurden. Beide Substanzen können als Ausgangsstoffe für die chemischen Kampfstoffe Sarin und VX verwendet werden.

Ein Bericht der SonntagsZeitung offenbart nun brisante Details. Sie ist in den Besitz von Dokumenten gelangt, die belegen, dass die Firma Brenntag Schweizerhall AG hinter dem Export steht.

Die Dokumente offenbaren aber noch etwas anderes. Der Empfänger der Lieferung war die Firma Mediterranean Pharmaceutical Industries MPI – ein Lizenznehmer von Novartis. Das Basler Pharmaunternehmen erklärte, die Chemikalien dienten der Herstellung von Medikamenten.

Seco winkte Deal durch

Zwar können die beiden Substanzen tatsächlich für die Produktion von Arzneimitteln verwendet werden. Trotzdem ist es fraglich, warum jene Stoffe nach dem Einsatz von Sarin geliefert wurden. Und: Das für Exportkontrolle zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat die Lieferung genehmigt, obwohl der Empfänger nachweislich Beziehungen zu sanktionierten Personen und Firmen in der Entourage von Syriens Präsident Assad hat.

Der MPI-Vorsitzende Abdulrahman Attar unterhielt Geschäfte mit Assads Cousin Rami Makhlouf – und er ist laut der SonntagsZeitung ein «wichtiger Financier des Regimes». Makhlouf war zu jenem Zeitpunkt auf der Schweizer Sanktionsliste aufgeführt. Attar hingegen nicht.

Deshalb hatte man beim Seco offenbar keine Bedenken. Der Export der Brenntag Schweizerhall AG sei rechtens gewesen. «Wir sind an das Gesetz gebunden. Wir können einen Export nicht einfach wegen eines schlechten Gefühls ablehnen», rechtfertigt man sich beim Seco.

EDA nicht informiert

Inzwischen ist auch bekannt geworden, dass das EDA nicht über das Geschäft informiert wurde. «Wir waren überhaupt nicht auf dem Laufenden, was da geschieht. Wenn das Seco uns informiert hätte, hätten wir diese Lieferung natürlich abgelehnt», sagte ein Mitarbeiter.

Der Bundesrat forderte im April 2018 eine Aufklärung zur Endverwendung der gelieferten Stoffe. MPI übermittelte schliesslich ein paar Dokumente, die angeblich beweisen sollen, dass die chemischen Substanzen für die Produktion des Schmerzmittels Voltaren verwendet wurden.

Beim Seco war man zufrieden. Experten hingegen kritisieren, dass jenen Dokumenten keinen Glauben geschenkt werden darf. Allzu oft hätten Assad und sein Regime schon gelogen, wenn es um Chemiewaffen ging.

Vieles Unklar

Das Seco gab sich in der Affäre immer sehr bedeckt und gab nur so viel Preis, wie ohnehin schon öffentlich bekannt war. So wurde nicht nur der Name der Exportfirma verschwiegen. Dass ebenfalls Diethylamin geliefert wurde, hat man gegenüber der SonntagsZeitung erst im Rahmen ihrer Berichterstattung eingeräumt.

Ob die chemischen Substanzen wirklich für die Medikamentenproduktion verwendet wurden, ist unbekannt. Zweifel kommen besonders wegen eines Hinweises auf dem Lieferschein auf. Die Brenntag Schweizerhall AG vermerkte, dass Diethylamin gemäss EU-Bestimmungen dafür nicht geeignet sei.

Ebenso ist unklar, welche Rolle Novartis in der ganzen Affäre spielt. Beide Unternehmen wollten keine Stellung zu den Vorwürfen nehmen. Chemiewaffenexperte Dan Kaszeta jedenfalls ist ausser sich. Würden die Substanzen in falsche Hände geraten, könnte das katastrophale Folgen haben.

Artikel aus der Watson (17.2.2019)

Hier einige Ausschnitte aus dem Ausgangsartikel SonntagsZeitung (17.2.2019):

"(...) Erst im April 2018 deckten Medien auf, dass belgische Firmen Isopropanol nach Syrien geliefert hatten. Es kam zu einem internationalen Skandal. Jetzt bemerkte der Bundesrat offenbar, dass auch eine Schweizer Firma den Stoff schon 2014 nach Syrien geliefert hatte. Ende April 2018 fordert er eine `vollumfängliche und sehr rasche Klärung der Endverwendung`. Das Seco gelangt an Brenntag und wird dort an Novartis verwiesen. Novartis verlangt schliesslich von ihrem syrischen Partner MPI Dokumente über die Verwendung der beiden Substanzen.

Daraufhin schicken die Syrer ein paar Blätter Papier mit einer Auflistung, die zeigen soll, dass die Lieferung `vollumfänglich` für die Produktion von Voltaren Emulgel verwendet wurde, und zwar von Januar 2015 bis Oktober 2018. Diese Informationen schickt Novartis per Mail ans Seco. Dieses fragte beim Geheimdienst NDB und auch beim Labor Spiez nach. Einzig aufgrund der dürftigen Liste entdeckte aber niemand einen Missbrauch. Das Seco war zufrieden.

Bei syrischen Dokumenten ist jedoch höchste Vorsicht geboten. Das sagen Experten, die sich mit dem Thema befassten. Assad und seine Entourage haben die Welt mehrfach belogen, wenn es um Chemiewaffen ging. Deshalb ist es schwer verständlich, warum Novartis und das Seco einer Firma in Assads Dunstkreis allein aufgrund solcher Papiere Glauben schenken.

Als dank den UNO-Statistiken öffentlich wurde, dass auch die Schweiz Isopropanol nach Syrien exportiert hat, sagte das Seco eilfertig, dass durch das Geschäft keine Schweizer Gesetze verletzt wurden. Den Namen der Exportfirma hielt die Behörde zurück. Sie sagte auch nicht, dass sogar noch Diethylamin nach Syrien gelangte. Inzwischen stellen sich zu der Affäre eine ganze Reihe Fragen: Zum Beispiel ist unklar, ob die gelieferten Stoffe überhaupt für die Medikamentenproduktion geeignet waren. Brenntag hat auf den Lieferscheinen explizit vermerkt, dass die Substanzen nicht den EU-Bestimmungen zur «guten Herstellungspraxis» für Arzneimittel entsprächen. Diese Praxis ist aber ein zentraler Bestandteil der Qualitätssicherung in der pharmazeutischen Produktion. Weder Brenntag noch Novartis wollten dazu Stellung nehmen. (...)"

"Auch die Rolle von Novartis ist unklar. Hat sie die Syrer beauftragt, die Stoffe bei den Nachbarn in Basel zu bestellen, oder hatten sie gar einen Deal mit Brenntag? Novartis schreibt: `Grundsätzlich liegt die Verantwortung zur Einhaltung sämtlicher Richtlinien und Vorschriften klar beim Exporteur.` Für die Beschaffung sei die Firma in Syrien selber verantwortlich gewesen. Nur: Brenntag schrieb dem Seco, dass die Geschäftsbeziehung von Novartis zu den Syrern die Grundlage gewesen sei, weshalb sie die Stoffe überhaupt geliefert habe.

Experten reagieren jedenfalls konsterniert auf das Vorgehen der beiden Firmen. Dan Kaszeta, ein US-Experte für Chemiewaffen, sagt, dass diese Stoffe in den falschen Händen verheerend wären. `Mit fünf Tonnen Isopropanol kann man zehn Tonnen des Kampfstoffs Sarin herstellen.` Ein Kriegseinsatz solcher Mengen hätte katastrophale Folgen."

"Aufgrund der Recherchen in der Schweiz wollen jetzt drei NGOs erreichen, dass die Behörden auch wegen der Geschäfte von Brenntag und Novartis ermitteln. Sie haben deswegen bereits an verschiedene Zollbehörden geschrieben.
Teil der Koalition sind die Open Society Justice Initiative und das Syrian Archive. Dessen Direktor, der Syrer Hadi al-Khatib, sagt klar, dass der Geschäftspartner von Brenntag und Novartis direkte Verbindungen zum Assad-Regime habe. `Es stellt sich also die Frage, ob die Schweizer die nötigen Abklärungen gemacht haben`, ergänzt Montse Ferrer, Rechtsexpertin der dritten NGO, Trial, die für die Aufklärung von Kriegsverbrechen kämpft. `Sollte sich herausstellen, dass die Substanzen für Waffen verwendet wurden, könnte man die Schweizer eventuell zur Rechenschaft ziehen.`"