Mit dem Streit um Nestlés Nutzung der Grundwasserquelle «Bonne Source» (zu deutsch «gute Quelle») in den französischen Vogesen dürfte sich bald ein Gericht befassen. Es geht um mögliche Interessenskonflikte in der lokalen Wasserkommission von Vittel, die Nestlé trotz einer Überbeanspruchung der Quelle weiterhin das Abpumpen von Wasser erlauben will.
Artikel vom Schweizer Bauer (27.7.2019)
Laut der Antikorruptionsorganisation Anticor haben die französischen Behörden bestätigt, dass bald eine Gerichtsanhörung zu dem Thema stattfinden soll. Anticor hatte Ende 2016 den Behörden mögliche Interessenskonflikte in der zuständigen lokalen Wasserversorgungskommission gemeldet, wie Anticor-Verwaltungsrat Marcel Claude der Nachrichtenagentur AWP sagte.
Anticor ist vom französischen Staat anerkannt und damit ermächtigt, Zivilklagen einzureichen. Die Organisation witterte vor allem bei der ehemaligen Präsidentin der Wasserkommission mögliche Interessenskonflikte, denn diese ist mit einem hohen Kadermitglied von Nestlé verheiratet.
Bevölkerung soll ausweichen
Die lokale Wasserkommission, ein demokratisch gewähltes Gremium, wurde 2010 ins Leben gerufen, um eine Lösung gegen das Austrocknen der Quelle «Bonne Source» zu finden. Die Kommission hatte im Februar empfohlen, dass Nestlé weiterhin Wasser aus «Bonne Source» abfüllen darf. Die jetzige Lizenz des Konzerns läuft bis 2020.
Die Kommission schlägt vor, dass die lokale Bevölkerung über eine Rohrleitung, an deren Kosten sich Nestlé beteiligen will, auf Wasser vom Nachbardorf ausweicht. Bevölkerung und Nichtregierungsorganisationen werfen der Wasserkommission vor, Nestlé das Vorrecht am Grundwasser der Gemeinden zu geben - statt den Menschen, die dort leben.
In Vittel bildete sich das Collectif Eau 88, das Widerstand gegen die Pläne leistet. Auf der anderen Seite argumentieren Politiker mit den Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen für Nestlé. Auch medial schlug der Fall hohe Wellen. Der Entscheid, Nestlé weiterhin das Abpumpen zu erlauben, könnte nun mit dem angestossenen Verfahren wegen Interessenskonflikten nochmal in Frage gestellt werden.
Ermittlungen nähern sich dem Ende
Aufgrund der Meldung von Anticor war eine Voruntersuchung eingeleitet worden, die sich nun dem Ende nähert. «Wir sind mit der Reaktionsfähigkeit der Ermittler zufrieden. Staatsanwälte und Richter haben eine bemerkenswerte Arbeit geleistet, denn die Bearbeitung von Fällen dauert in der Regel zwischen fünf und zehn Jahren», sagte Claude.
An der Quelle «Bonne Source» füllt Nestlé sein Vittel-Mineralwasser vor allem für die Schweiz und Deutschland ab. Doch bei der Quelle wird derzeit mehr verbraucht, als nachfliesst. Dadurch könnte es bis zum Jahr 2050 zu einer Knappheit kommen, falls keine Lösung gefunden wird. Nestlé entnimmt der Quelle jährlich etwa 750'000 Kubikmeter Wasser, der Konzern hat eine Lizenz für das Abpumpen von einer Million Kubikmeter. Der Verbrauch von Nestlé entspricht laut Konzernangaben etwa 28 Prozent der Gesamtentnahme durch alle Nutzer.
Artikel Schweizer Bauer (27.7.2019)