Nestlé: Grosse Versprechen​, noch grössere Gewinne

Über 800 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu einer sicheren Wasserquelle. Bald könnten es noch mehr werden. Konzerne wie Nestlé wollen davon profitieren, indem sie die Lebensgrundlage der Menschen zur Ware machen. Mit der Water Resource Group nehmen sie auf immer mehr Regierungen Einfluss – und werden dabei vom Bund unterstützt.

Am Theewaterskloof-Reservoir bei Johannesburg. FOTO: JANOSCH ABEL UND FLORIAN SPRING

 

 

Sie wollen das Wassermanagement der Welt ver­ bessern. Sie wollen die Privatwirtschaft, Regie­ rungen, internationale Institutionen und auch die «Zivilgesellschaft» zusammenbringen, um einer der wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahr­ hunderts zu begegnen, der Wasserkrise: Die Water Resource Group (WRG) hat sich viel vorgenommen und schreckt vor grossen Worten nicht zurück. Kein Wunder, könnte man meinen. Die WRG ist ein Kind des World Economic Forum (Wef), sie wurde vor zehn Jahren in Davos gegründet. Dort wollen Grosskonzerne im Verbund mit staatlichen Akteuren und internationalen Organisationen schon lange die Welt retten.

Die Gruppe ist ein seltsamer Zusammen­ schluss: Einerseits sind da Entwicklungsagentu­ ren wie die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und internationale Entwicklungsbanken wie die Weltbank, die die WRG­Gremien mit Führungspersonal und Spezia­ listInnen besetzen; andererseits sitzen aber auch VertreterInnen von sechs grossen Konzernen in den Ausschüssen. Von diesen hat der Schweizer Grosskonzern Nestlé am meisten Gewicht. So wird der WRG­Verwaltungsrat von Beginn an vom je­ weiligen Verwaltungsratspräsidenten von Nestlé präsidiert: Bis 2017 war das Peter Brabeck, jetzt ist es Paul Bulcke. Nestlé verfügt auch über eine Ver­ treterin im Steuerungsausschuss der Organisation.

«Wasserapartheid» aufgrund von Privatisierungen: An der Newlands-Spring-Quelle in Kapstadt. FOTO: JANOSCH ABEL UND FLORIAN SPRING 

«Pures Leben» für die Schwellenländer

Das ist umso bemerkenswerter, als Nestlé gerade wegen seines Wassergeschäfts immer wieder in der Kritik steht: Vergangenes Jahr hat der Konzern mit dem Verkauf von Quell­- und Tafelwasser einen

Umsatz von acht Milliarden Franken sowie einen Gewinn von einer Milliarde Franken erzielt. Dabei zapft Nestlé oft für wenig Geld Quellen an, füllt das Wasser mit hohem Energieaufwand in umwelt­ schädigende Plastik aschen ab, lässt es in Last­ wagen über grosse Strecken fahren – um es dann zu einem bis zu 2000­mal höheren Preis zu verkau­ fen als Wasser, das aus dem Wasserhahn iessen würde. Damit dieses Geschäft oriert, betreibt der Konzern intensives Marketing. Mit seiner Welt­ wassermarke «Pure Life» hat er insbesondere die Mittelschicht in den Schwellenländern im Visier. Dass dieses Geschäft abstrus ist, weiss man sogar bei der Deza: In deren Büroräumen gibt es nur Hahnenwasser zu trinken – die Wassergläser sind mit dem Schriftzug «Free from PET» beschriftet.

Auch Coca­Cola und Pepsi, die ebenfalls füh­ rend im Geschäft mit Flaschenwasser sind, sitzen in der WRG. Dazu das weltweit grösste Brau­ ereiunternehmen AB Inbev. Dieses ist im Besitz des schweizerisch­brasilianischen Doppelbürgers Jorge Paulo Lemann, der laut dem Wirtschafts­ magazin «Forbes» über ein Vermögen von 28 Mil­ liarden Dollar verfügt und am Zürichsee lebt. Ein weiterer Konzern in der WRG ist die dänische Firma Grundfos, eine der weltweit führenden Pumpenherstellerinnen. Und schliesslich ist seit 2016 auch der US­amerikanische Chemiegigant Dow in der WRG vertreten. Man mache mit, weil es einen Plan zu entwickeln gebe, «der helfen soll, den Übergang zu einem nachhaltigeren Planeten und einer nachhaltigeren Gesellschaft zu ermögli­ chen», erläuterte Dow das Engagement. In der Ver­ gangenheit war der Konzern durch die Kriegsche­ mikalien Agent Orange und Napalm zu trauriger Berühmtheit gelangt. Seit 2001 gehört auch das Unternehmen Union Carbide zum Dow­Imperi­ um – jene Firma, die für die Industriekatastrophe von Bhopal im Jahr 1984 die Verantwortung trägt und der bis heute vorgeworfen wird, die Opfer des Unglücks nicht ausreichend entschädigt zu haben.

Die Uno hat als eines ihrer Entwicklungszie­ le für das Jahr 2030 festgelegt, dass alle Menschen einen sicheren Zugang zu Wasser haben sollen. Laut Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, und der Weltgesundheitsorganisation haben derzeit rund 844 Millionen Menschen kei­ nen Zugang zu einer sicheren Wasserquelle. Und es könnten noch mehr werden: Die Deza schätzt, dass in zwölf Jahren vierzig Prozent der Mensch­ heit in Regionen mit angespannter Wassersitua­ tion leben. «Wasserknappheit ist zum globalen Risiko geworden, mit komplexen Effekten auf die Gesundheit und das Wohlbe nden der Menschen, der Wirtschaft, der Umwelt und der Gesellschaft als Ganzes», schreibt die Deza.

Weil die Grundwasservorräte überbean­ sprucht werden, drohen sie längerfristig zu ver­ siegen – und aufgrund des exzessiven Abbaus von Mineralien und fossilen Rohstoffen wird vor­ aussichtlich noch mehr Süsswasser verschmutzt werden. Die Bewässerung von Grossplantagen und Monokulturen absorbiert nicht nur grosse Wassermengen, sondern gefährdet auch Flüsse und das Grundwasser mit Düngerresten. Der Kli­mawandel verschärft die Situation: Neben Über­ schwemmungen gibt es vermehrt grosse Dürren. Dafür, dass der südafrikanischen Millionenstadt Kapstadt schon bald das Wasser ausgehen könnte, ist aber auch das Missmanagement verantwort­ lich. Auch Megastädte wie Mexiko­Stadt, Beijing und Neu­Delhi befinden sich bereits in einer pre­kären Situation.

 

Wohl bekomms! Nestlé-Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke (damals noch CEO) 2015 an einer Konferenz in Neu-Delhi.FOTO: ANINDITO MUKHERJEE, REUTERS 

Privatisierung als «Weltrettung»

Die WRG fokussiert sich primär auf sogenannte Schwellenländer wie Indien, Brasilien, Südafrika oder auch Peru, wo multinationale Konzerne be­ sonders gute Wachstumsaussichten haben. Bei ihrer Gründung vor zehn Jahren hatte die WRG beim Beratungsunternehmen McKinsey eine Stu­ die in Auftrag gegeben, um die künftige Strategie zu bestimmen. Zentrale Aussage der Schrift: Was­ ser muss zu einer Ware werden, deren Preis sich nach Angebot und Nachfrage richtet. Nur so könne der zunehmende Wasserverbrauch gestoppt wer­ den. Es brauche Anreize, Wasser zu sparen und den Einsatz ef zienter zu gestalten. So etwa sollen die Ef zienz und Produktivität in der Landwirtschaft, die global rund siebzig Prozent des Süsswassers verbraucht, durch bessere Bewässerungssysteme, besseres Saatgut und einen «optimierten» Dünge­ einsatz erhöht werden.

Bei der WRG schätzt man, dass jährliche In­ vestitionen von 114 Milliarden US­Dollar nötig seien, um bis 2030 für alle Menschen auf der Erde einen sicheren Zugang zu Wasser zu garantieren, wie das die Uno als Ziel festgelegt hat. Der McKin­ sey­Bericht emp ehlt, Financiers anzulocken, die Kredite geben – und durch Eigentumsrechte am «Wassermarkt» partizipieren können. Der Privat­sektor könne so zum «Motor der Entwicklung» werden. Doch damit sich mit Wasser «attraktive Geschäftsmodelle» entwickeln liessen, brauche es «klarere Eigentumsrechte, angemessene Tarife, Quoten, Preismechanismen» und vor allem auch «Anreize», die sich auf die Pro tabilität der Un­ ternehmen auswirken würden. Die WRG müsse die «Ökonomie des Wassers ins Licht rücken». Un­ternehmen, Haushalte und BäuerInnen bräuchten klare ökonomische Signale und Anreize, um Was­ser effzienter und produktiver zu nutzen. Den schlecht «performenden» Wassersektor gelte es zu «transferieren». Und dazu sei ein «Momentum» nötig. Den «Stakeholderansatz» sieht die WRG als das zentrale Instrument, um ihre Strategie durch­ zusetzen. Selber bezeichnet sich die WRG als neu­ tral, will aber in einzelnen Projekt­
ländern und Teilstaaten «Plattfor­men» bieten, damit Interessenver­
treterInnen oder eben Stakeholder zusammenkommen und den Um­gang mit dem Wasser aushandeln können. Für die WRG gehören dazu private Unternehmen, staatliche Institutionen und die «Zivilgesell­
schaft». «Wir glauben, dass es nöti­ger denn je ist, dass diese Parteien zusammenkommen», schreibt die WRG­Sprecherin Alida Pham auf Anfrage der WOZ. Pham spricht von total 642 «aktiven Partnern», die in 46 Arbeits­ gruppen in 14 Staaten mitarbeiten, darunter 218 Partner aus der «Zivilgesellschaft». Eine Spreche­ rin der Deza betont, dass die Schweiz die WRG genau wegen dieses Stakeholderansatzes unter­ stütze: Die Deza setze sich dafür ein, «dass in den Länderprogrammen ein ausgewogener Dialog auf­ gesetzt wird». Alle sollen Gehör bekommen, alle etwas zu sagen haben.

Konzerne geben den Ton an

Ein Blick auf einzelne Länder zeigt eine andere Realität: In Südafrika etwa, wo das Stakeholder­ gremium Strategic Water Partners Network (SWPN) heisst, dominieren neben nationalen und regionalen Regierungsbehörden eindeutig Gross­ konzerne. Neben Nestlé und Coca­Cola sind das vorab Minengesellschaften wie Anglo­American, BHP Billiton und Xstrata Coal (die zum Schweizer Multi Glencore gehört). Als veritabler Teil einer «Zivilgesellschaft» können im besten Fall Vertre­ terInnen von Unternehmensvereinigungen sowie Umweltorganisationen wie der WWF, die weltweit eng mit privaten Unternehmen zusammenarbei­ ten, bezeichnet werden. Von Organisationen, die lokale Bevölkerung repräsentieren – Gewerk­ schaften, BäuerInnenorganisationen, Frauenorga­ nisationen oder Basisgruppen –, fehlt jede Spur.

Das ist umso unverständlicher, als gerade die einfache Bevölkerung schon jetzt von Wasser­ knappheit betroffen ist. Auch nach dem Ende der Apartheid wurde in Südafrika der Zugang zu Was­ser für die arme schwarze Bevölkerung oft nicht besser. Auf Druck der Weltbank wurde die Wasserversorgung in ver­ schiedenen Städten privatisiert. Für Patrick Bond, Ökonomieprofessor an der Universität Johannesburg, hat das zu einer «Wasserapartheid» geführt. Wer seine Rechnung nicht zahlt, dem wird das Wasser abge­ stellt. In den informellen Siedlun­gen der Grossstädte leben schon heute viele BewohnerInnen ohne Wasseranschluss.

Das SWPN will jetzt einen Hauptfokus auf die Wasserversor­gung in den südafrikanischen Gemeinden legen: Doch sein Ziel ist nicht Wassergerechtigkeit, son­ dern, mehr Einnahmen zu erzielen. Argumentiert wird damit, dass heute zu viel Wasser durch Lecks, Diebstahl oder nicht richtig funktionierende Was­ serzähler verloren gehe. Keine Rede davon, die Wasserversorgung für alle zu garantieren. Der be­troffenen Bevölkerung soll es verunmöglicht werden, Wasser gratis abzuzapfen. Bislang sass in der WRG wie auch im SWPN

Nomvula Mokonyane, die eben abgesetzte Minis­terin für Wasser und Umwelt Südafrikas. Oppo­sitionspolitikerInnen wie auch Gewerkschaften werfen ihr Korruption und Missmanagement vor. Sie selber schwärmt von einer «neuen Part­ nerschaft zwischen den Unternehmen und dem Investmentsektor». Man brauche dringend neues «Wasserinfrastrukturkapital».

Die Struktur der «Multistakeholder»­ Grup­pen zieht sich durch alle Länder, in denen die WRG aktiv ist. Was als «breite Plattform» angepriesen wird, entpuppt sich bei näherem Hinschauen als Arrangement, um den grossen Konzernen den Zugang zu BehördenvertreterInnen und Entwick­ lungsbanken zu erleichtern. Die Konzerne wollen primär ihr Geschäftsmodell erhalten und weiterhin uneingeschränkten Wasserzugang haben – für äusserst umwelt­ und klimaschädigende Un­terfangen wie den Kohleabbau in Südafrika oder in der mongolischen Wüste Gobi.

In Peru hilft die WRG mit, die Bewässerung von Spargeln ef zienter zu gestalten. Ob solche Monokulturen in der Wüste, deren Produkte für den europäischen Markt bestimmt sind, über­ haupt sinnvoll sind, wird nicht gefragt. Für die LandarbeiterInnen jedenfalls bietet die Spargel­ wirtschaft keinen Ausstieg aus der Armut (siehe WOZ Nr. 9/15). Es erstaunt nicht, dass die Stake­ holder auch in Peru primär staatliche Akteure und grosse Konzerne sind. Letztere haben sich das Recht ausgehandelt, bis zu fünfzig Prozent ihrer Steuerschulden direkt für ihre pro tablen Was­ serprojekte einzusetzen.

Für die Deza hingegen ist Peru ein Beleg dafür, dass auch «nationale Akteure der Zivil­gesellschaft gerade auch mit sozialer Zielsetzung» in Multistakeholder­Plattformen beteiligt seien. Als Beispiel nennt sie eine Universität sowie die Organisation Aquafondo Peru. Letztere allerdings beschreibt sich selber als Fonds der öffentlich­pri­ vaten Partnerschaft. Neun Organisationen werden auf der Website als Partnerinstitutionen geführt. Eine davon: Nestlé.

Für Satoko Kishimoto ist der Stakeholder­ ansatz der WRG reine Augenwischerei: Die Was­ serexpertin beim Transnationalen Institut, einem Thinktank für soziale Bewegungen, sagt: «Es geht doch um eine Machtfrage. In der Wasserfrage konkurrieren unterschiedliche Akteure. Firmen wie Nestlé oder auch Minengesellschaften wol­ len weiterhin uneingeschränkten Wasserzugang und die Wasserquellen kontrollieren.» Sie hät­ ten bei Verhandlungen ganz andere Druckmittel als die wenigen mitbeteiligten nichtstaatlichen Organisationen.

Tatsächlich ist die Macht der Konzerne nicht zu unterschätzen: Nestlé etwa beschäftigt laut eigenen Angaben in 86 Ländern 328000 Ar­ beiterInnen und Angestellte in 418 Fabriken. Der Konzern bezieht Produkte von 160 000 Produzent­ Innen und 600000 BäuerInnen. Nestlé­Chef Paul Bulcke verfügt am Weltwirtschaftsforum über exklusiven Zugang zu Regierungschefs und Mi­nisterinnen. So etwa traf er sich im vergangenen Januar in Davos mit dem brasilianischen Präsi­ denten Michel Temer. Der brasilianische Wasser­ aktivist Franklin Frederick vermutet, dass es dabei auch um den Zugang zu brasilianischen Wasser­ vorkommen gegangen sei. In der brasilianischen Presse wird seit einiger Zeit darüber spekuliert, dass die Regierung versuche, Staatseinnahmen durch die Vergabe von Lizenzen an Konzerne wie Nestlé zu erhöhen.

Auch David Hall und Emanuele Lobina, die für das PSIRU, ein Forschungsinstitut des globa­ len Dachverbands der Gewerkschaften des öffent­ lichen Dienstes, arbeiten, kritisieren den Stake­ holderansatz des WRG: Der materielle Kon ikt um die Wasserressourcen müsse stattdessen mit demokratischen Mitteln gelöst werden. Die multi­ nationalen Konzerne hätten die Initiative ergrif­ fen, weil sie es verstünden, sich auf globaler Ebe­ ne gut zu organisieren. Sie würden eine Form von «ideologischer Hegemonie» ausüben.

Wieso zahlt die Deza?

Bei der Deza dagegen ist man vom Ansatz der WRG überzeugt. Seit 2012 unterstützt die Deza die Gruppe mit inzwischen bereits 5,3 Millionen Franken. Für die Jahre 2018 bis 2020 sind weitere 3 Millionen Franken vorgesehen. Selber bescheinigt man sich einen «wichtigen Ein uss» auf die WRG. Dass die Zivilgesellschaft nur ungenügend invol­ viert ist, lässt sich allerdings nicht schönreden. Die Deza­Sprecherin verweist jedoch darauf, dass die neue Strategie der WRG gerade auf Druck der Deza «eine eigene Genderkomponente und eine noch stärkere Fokussierung auf die Geschlechtergleich­ heit und Einbindung entsprechender Organisatio­nen» aufweise. So sollen mehr Frauen in den Mul­tistakeholder­ Plattformen präsent sein und auch Frauenorganisationen involviert werden.

Bei der Deza scheint man zu hoffen, dass sich mit neuen Absichtserklärungen auch die reale Politik der Konzerne ändert. Dieser Ansatz erin­nert an das finnanzielle Engagement der Deza beim Global Compact Network Switzerland (siehe WOZ Nr. 40/17). Dieser Vereinigung von Privat rmen, die ihr Sekretariat in den Räumen von Economie­ suisse betreibt, zahlt die Deza jährlich 200000 Franken, damit sie in der Privatwirtschaft Wer­bung für «nachhaltiges und soziales Wirtschaf­ ten» macht. KritikerInnen sprechen von staatlich nanzierter Imagep ege.

Die WRG ist nur eine Form, wie sich priva­te Konzerne ins staatliche Wassermanagement einmischen. Die internationale Umweltorganisa­tion Friends of the Earth warnt schon länger vor einem «zunehmenden Interesse» aus dem priva­ ten Sektor, in der Wasserfrage Einfluss auf Uno­ Organisationen zu nehmen. Ziel sei es, Wasser zu einem «pro tablen Geschäft» zu machen, zu einer «handelbaren Ware» und zum Objekt von Finanz­ produkten. Im Rahmen der Uno etwa sitzen mul­tinationale Konzerne im Beratungsgremium des Generalsekretärs für Wasser und Hygiene.

Der Aktionsradius des WRG soll derweil schrittweise ausgeweitet werden, weitere Pro­jektländer sollen dazukommen. Zentral dabei ist die Unterstützung der Weltbank, bei der die WRG auch künftig ihr Sekretariat angesiedelt hat, neu nicht mehr bei der Abteilung International Fi­ nance Corporation, sondern bei der Weltbankab­teilung Water Global Practice. Dadurch erhält das WRG besseren Zugang zu den Wasserprojekten der Weltbank – und die Weltbank erhofft sich da­ durch umgekehrt einen «verstärkten Dialog mit dem privaten Sektor». Auch erachtet es die Welt­ bank als nützlich, bei der Arbeit mit einzelnen Staaten und deren «Reformagenda» auf die WRG zählen zu können.

Was die Weltbank unter Reformen ver­ steht, hat sie jüngst in einem Bericht unter dem Titel «Unerforschte Gewässer» vorgestellt: Darin fordert sie genau das, was der McKinsey­ Bericht des WRG schon Jahre zuvor vorgeschlagen hatte: Wasser brauche einen Preis, und es sollten Was­ serbörsen eingerichtet werden, um diesen Preis zu bestimmen. Unternehmen sollten das Recht be­ kommen, Wasser zu verkaufen oder zu vermieten. Das Wassermanagement in den einzelnen Staaten müsse sich grundlegend ändern. Es brauche klare ökonomische Signale. Ein «gut funktionierendes Handelssystem» sei «ein mächtiges ökonomisches Werkzeug, dessen Zeit gekommen ist, um darüber nachzudenken – wenn nicht sogar, es sofort einzu­ führen».

Möglich, dass man bei der Weltbank und der Water Resource Group nur noch auf das «Mo­mentum» wartet. Dieses Momentum – eine sich verschärfende Wasserkrise – könnte schon bald da sein.

 Artikel auf der Homepage der WOZ (15.3.2018)
Weltwasserforum

Am 18. März beginnt in Brasilia das achte Weltwasserforum. Es ist die grösste Veranstaltung zum Thema Wasser, die VeranstalterInnen erwarten rund 45 000 BesucherInnen. Nestlé gehört zu den Hauptsponsoren. Die Water Resource Group wird am 22. März, dem internationalen Tag des Wassers, ihre Arbeit im sogenannten Swiss Pavillon des Forums vorstellen, der von der Deza finanziert wird.

Für die kanadische Umweltaktivistin Maude Barlow ist das Weltwasserforum «eine Handelsshow der Konzerne, die Lösungen für die Wasserkrise vorschlägt, die im Interesse der multinationalen Konzerne liegen». Diese Einschätzung wird auch von den OrganisatorInnen des Alternativen Wasserforums geteilt, das zeitgleich ebenfalls in Brasilia stattfindet. In einem Aufruf dazu heisst es: «Wasser ist ein Gemeingut und kann nicht von privaten Interessen kontrolliert werden. Es braucht soziale Kontrolle und demokratische Partizipation.» Gefordert wird eine «neue Wasserkultur», die mit ethischen, ökologischen und kulturellen Werten verbunden ist.

Weitere Kritik an der DEZA in Bezug auf ihre finanzielle Unterstützung von öffentlich-privaten Partnerschaften im Wassersektor – insbesondere jene für die Water Recources Group – fand im Rahmen des alternativen Wasserforums in Brasilien in Form eines offenen Briefs an die DEZA statt.

Der Brief wurde von über 30 Organisationen aus Brasilien unterschrieben.

Offener Brief in Portugiesisch und in Deutsch