Klinische Versuche: Roche und Novartis verletzen ihre ethischen Pflichten in Schwellenländern

Wenn Roche oder Novartis neue Krebsmedikamente in Mexiko oder der Ukraine testen, profitiert von der Bevölkerung allenfalls die finanzkräftige Elite. Denn die lebensnotwendigen Präparate sind dort häufig noch teurer als in der Schweiz. Diesen Missstand enthüllt eine Studie, die Public Eye in fünf Schwellenländern durchgeführt hat, die zu den bevorzugten «Laboratorien» der Basler Konzerne für klinische Versuche gehören. Damit der Zugang für alle, also auch Einkommensschwache, zu ihren Produkten gewährleistet ist, müssen die Schweizer Pharmariesen ihre skandalöse Preispolitik ändern.

Public Eye-Medienmitteilung vom 20.5.2019

Internationale Ethikstandards wie die Deklaration von Helsinki machen klare Vorgaben: Die Bevölkerung von Ländern, in denen klinische Versuche durchgeführt werden, muss von den Behandlungen profitieren können, zu deren Entwicklung häufig ihre schwächsten Mitglieder beigetragen haben. Um herauszufinden, ob Roche und Novartis diesen Grundsatz einhalten, hat Public Eye ihrerseits 22 in Kolumbien, Mexiko, Südafrika, Thailand, und/oder Ukraine getestete Medikamente untersucht. Die Resultate zeigen Fortschritte bei der Marktzulassung: Inzwischen sind dort zwischen 86 und 100% der überprüften Medikamente offiziell verfügbar. Dies allerdings zu solch überhöhten Preisen, dass sie für die grosse Mehrheit der Kranken unerschwinglich sind.

Diese für viele Menschen tödlichen Zugangsprobleme gelten für die meisten der untersuchten 22 Medikamente, von denen die dortigen Gesundheitssysteme/Krankenkassen aus Kostengründen fast keines rückerstatten. Die von Public Eye bereits in der Kampagne für «bezahlbare Medis» kritisierte Preispolitik für das Brustkrebsmedikament Perjeta von Roche zeigt die Dimensionen des für die Betroffenen existentiellen Missstands: In Mexiko oder der Ukraine, wo Perjeta pro Jahr jeweils knapp 56’000 Dollar (und damit etwa gleich viel wie in der Schweiz) kostet, müsste jemand, der das dort gültige Mindesteinkommen verdient, für eine Jahresbehandlung mehr als 30 Jahre lang arbeiten.

Solche Beispiele zeigen, wie systematisch Roche und Novartis mit dieser Preispolitik ihre Verpflichtungen bezüglich des Zugangs nach klinischen Versuchen verletzen. Ein anderes Problem beim Kampf zwischen öffentlichem Gesundheitswesen und privater Profitoptimierung ist die komplette Intransparenz bei den Forschungs- und Entwicklungskosten der Pharmafirmen. Bei der heute in Genf eröffneten Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation fordert Italien in einer Resolution deshalb die Offenlegung dieser für die Preisdiskussion entscheidenden Kosten. Unter dem Lobbyingdruck der Pharmaindustrie wollen mehrere EU-Staaten die italienische Initiative möglichst lautlos beerdigen. Die Unterstützung der Schweiz als Heimat von zwei pharmazeutischen Weltfirmen wäre ein starkes politisches Signal zugunsten des öffentlichen Interesses nach mehr Transparenz in diesem wichtigen Bereich.

Public Eye-Medienmitteilung vom 20.5.2019

 

Public Eye Recherchen zu klinischen Versuchen

Public Eye hat in verschiedenen Reports über Verletzungen ethischer Standards berichtet, zuletzt zu Polen (2015) und Ägypten (2016). Die häufigsten dabei festgestellten Probleme betreffen die Einverständniserklärung, den Einsatz umstrittener Placebo-Tests, fehlende Kompensationsleistungen bei Schäden durch Nebenwirkungen sowie der mangelhafte Zugang für die breite Bevölkerung nach der Markteinführung.

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