Guatemaltekisches Verfassungsgericht bremst Schweizer Rohstoffkonzern

Am 18. Juli hat der guatemaltekische Verfassungsgerichtshof die Abbaulizenz für die Nickelmine Fénix der Solway Investment Group mit Sitz in Zug vorläufig suspendiert. Der Präsident der klagenden Fischerzunft wurde umgehend bedroht. Mit seinem Urteil vom 18. Juli gab das Verfassungsgericht einer Klage der indigenen Gemeinden und der Fischerzunft von El Estor statt, die wegen der Verschmutzung des grössten Sees von Guatemala durch den Abbau und die Verarbeitung von Nickelerz ihre Lebensgrundlagen bedroht sehen.

Artikel von kath.ch (23.7.2019)

Das Gericht kam zum Schluss, die Abbaulizenz sei zu Unrecht ausgestellt worden, weil die Bevölkerung – mehrheitlich Angehörige der Maya-Q’eqchi’-Ethnie – sich im Vorfeld nicht dazu äussern konnte. Gemäss dem 1996 von Guatemala ratifizierten Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation muss die indigene Bevölkerung vorgängig zu Vorhaben konsultiert werden, die ihr Leben und Land unmittelbar berühren. Seit dem Entscheid des Verfassungsgerichtes sind Führungspersonen der indigenen Gemeinden und der lokalen Fischerzunft erneuten Drohungen ausgesetzt. So teilte der Präsident der Fischerzunft dem Guatemala-Netz Zürich mit, er sei telefonisch bedroht worden und habe erfahren, dass sich die Subunternehmen der Nickelmine organisieren, um gegen die Fischerzunft vorzugehen. Er fürchtet um sein Leben. Die Solway Investment Group mit Sitz in Zug bezeichnet sich als grösste private Nickelproduzentin der Welt. Sie erwarb die Mine Fénix im Herbst 2011 für 170 Millionen US-Dollar und investierte nach eigenen Angaben weitere 700 Millionen US-Dollar. Die Nickellagerstätten am guatemaltekischen Izabalsee zählen zu den zehn grössten und reinsten Vorkommen weltweit. Das Ministerium für Energie und Bergbau hatte der guatemaltekischen Solway-Tochter Compañía Guatemalteca de Níquel im April 2006 eine Abbaulizenz für 25 Jahre erteilt. Die Konflikte um die Nickelmine begannen bereits, als sie1970 ihren Betrieb aufnahm. Während des Bürgerkriegs war die damalige Betreiberin Exmibal an repressiven Aktionen der Militärs und Paramilitärs gegen die lokale Maya- Q’eqchi’-Bevölkerung beteiligt. Immer wieder kam es zu Landkonflikten und gewaltsamen Vertreibungen der ansässigen Bevölkerung. 2004 erwarb die kanadische Skye Ressources die Mine. 2007 vergewaltigten Mitglieder ihres Sicherheitspersonals gemeinsam mit Angehörigen des Militärs und der Polizei bei der Vertreibung einer Dorfgemeinschaft elf Frauen. 2008 veräusserte Skye die Mine an die kanadische Hudbay Minerals. Bei der Vertreibung einer anderen Dorfgemeinschaft ermordeten deren Sicherheitskräfte 2009 eine Führungsperson des gewaltlosen Widerstands brutal und verletzten einen anderen Einwohner lebensgefährlich. Diese Fälle werden in Kanada verhandelt. Auch seit die Solway Gruppe 2011 ihre Tätigkeit am Izabalsee im Osten Guatemalas aufgenommen hat, gab es zahlreiche Konflikte mit der ansässigen Maya-Bevölkerung, die grösstenteils von der Landwirtschaft und vom Fischfang lebt. Sie sorgt sich um ihre Gesundheit, ihre Wälder, Quellen und Äcker und den Zustand des Sees, dessen einst reiche Fischbestände die Lebensgrundlage vieler Familien sind.
Seit März 2017 demonstrierten fast wöchentlich Hunderte Anwohnerinnen, Fischer, Kleinbäuerinnen und Bürgerrechtler gegen die Aktivitäten des Nickelunternehmens. Damals begann sich ein riesiger roter Fleck auf dem See auszubreiten. Die Fischer vermuteten, dass der Abbau und die Verarbeitung von Nickel damit zu tun hatten. Sie verlangten Informationen und Wasserproben. Die Behörden und das Unternehmen behaupteten jedoch, die rote Farbe rühre von einer Alge her und habe nichts mit den Bergbauaktivitäten zu tun. Ein Fischer wird erschossen Am 16. Mai 2017 erstattete die Fischerzunft von El Estor Anzeige wegen Verseuchung des Sees und Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung. Wenig später wurde den Fischern ein Gespräch mit Vertretern verschiedener Ministerien, lokaler und regionaler Behörden in Aussicht gestellt. Am 27. Mai, kurz vor dem Gespräch, erhielten die am vereinbarten Ort versammelten Fischer die Nachricht, das Gespräch finde an einem 60 Kilometer entfernten Ort statt, den sie unmöglich rechtzeitig erreichen konnten. Daher blockierten sie kurzerhand die Zufahrtsstrasse zur Nickelmine. Kurz darauf trafen Polizeiverbände in Kampfmontur ein. Augenzeugenberichten zufolge setzten sie sofort Tränengas ein und eröffneten wenig später das Feuer. Dabei wurde der Fischer Carlos Maaz Coc in die Brust geschossen und verstarb vor Ort. Laut Polizei und Behörden gab es an diesem Tag jedoch keinen Toten. Der Journalist, der ein Foto des Toten veröffentlichte, wird kriminalisiert Carlos Choc, örtlicher Reporter des Maya-Nachrichtenportals «Prensa Comunitaria» hatte die Ereignisse auf einer Reihe von Fotos festgehalten. Auf einem veröffentlichten Bild sieht man den leblosen Körper des Fischers Carlos Maaz auf der Strasse liegen, direkt vor einem Polizeiauto, auf dessen Ladefläche ein Polizist mit einer Feuerwaffe im Anschlag zu sehen ist. Seitdem wird Choc eingeschüchtert, bedroht und von der Justiz verfolgt. Das Nickelunternehmen zeigte ihn an wegen Drohungen, Anstiftung zu einer Straftat und krimineller Organisation; ein Haftbefehl wurde gegen ihn erlassen. Die Gerichtsverhandlungen in dieser Sache sind bereits siebenmal verschoben worden, der nächste Termin wurde auf den 31. Juli angesetzt. Auch gegen Chocs Journalistenkollegen Jerson Xitumul erstattete das Unternehmen Anzeige wegen Drohungen, Anstiftung zu Straftaten und Nötigung und weiterer angeblicher Vergehen. Er sass 38 Tage in Untersuchungshaft und wurde schliesslich am 19. Juli 2018 freigesprochen. Kriminalisierung als Mittel zur Zerschlagung des Widerstands Um den Widerstand der Fischer zu brechen, haben die Tochterunternehmen von Solway, Compañia Guatemalteca de Niquel, CGN und Procesadora de Niquel de Izabal, Pronico auch falsche Anschuldigungen gegen acht Fischer erhoben. Drei von ihnen wurden inhaftiert und sassen zwischen einem Monat und einem Jahr in Untersuchungshaft. Bei den übrigen fünf Angeschuldigten wurden die Strafanzeigen mittlerweile fallen gelassen. Wegen ausstehender Haftbefehle konnten auch sie sich nicht mehr frei bewegen und ihrer Arbeit nachgehen, was für ihre Familie schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Folgen hatte. «Forbidden Stories» und verschiedene ausländische Medien berichteten über die Ereignisse am Izabalsee. In der Schweizer Medienlandschaft herrscht Schweigen. Vor einem Monat veröffentlichte das investigative Journalistennetzwerk «Forbidden Stories» im Rahmen seines Projekts «Green Blood» verschiedene Beiträge zu den Praktiken des in Zug domizilierten Konzerns Solway in Guatemala. Es zeigte auf, wie seine örtlichen Tochtergesellschaften im Tagebau Land verwüsten, Luft, Boden und Wasser verschmutzen und den Widerstand kriminalisieren. Dabei können sie oft auf die willfährige Beihilfe von Funktionären in Verwaltung, Polizei und Gerichten des fragilen Staats zählen. Führende Medien wie Le Monde, The Guardian und El País veröffentlichten eine Reihe von Artikeln darüber. In den Schweizer Medien war dazu bisher nichts zu vernehmen. Solway wiegelt ab.
Ungenügende unternehmerische Verantwortung Unternehmen, die in fragilen Staaten arbeiten, tragen eine besondere soziale und Umweltverantwortung. Solway hätte bereits vor dem Erwerb der Mine Fénix klar sein sollen, dass die Lage im betroffenen Gebiet äusserst konfliktiv ist und grosse Teile der örtlichen Bevölkerung gegen den Abbau von Nickel und die damit einhergehenden Umweltschäden sind. Ihr hätte auch bekannt sein dürfen, dass sich ihre Vorgängerunternehmen grober Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hatten, um örtliche Dorfgemeinschaften von ihrem Konzessionsgebieten zu vertreiben. Ausserdem hätte Solway sicherstellen müssen, dass bei der Lizenzerteilung die Bestimmungen des Übereinkommens 169 der Internationalen Arbeitsorganisation eingehalten wurden und ihre Tochterunternehmen mindestens die Umwelt- und Sozialstandards der Weltbanktochter International Finance Corporation einhalten. Die Konzernverantwortungsinitiative will erreichen, dass international tätige Unternehmen mit Sitz in der Schweiz weltweit die Menschenrechte und Umweltstandards respektieren und für Schäden haften, die sie oder ihre Tochterfirmen verursachen. Die Verfügung des Verfassungsgerichts zur zeitweiligen Aufhebung der Schürfkonzession soll so lange in Kraft bleiben, bis das Gericht die Schutzklage der indigenen Gemeinschaften und Fischer abschliessend geprüft hat. Für Donnerstag, 25. Juni hat es eine erste öffentliche Anhörung der Parteien angesetzt. Kontakt für Rückfragen und weitere Informationen Die Guatemala-Netze Zürich und Bern stehen seit Jahren im Kontakt mit der vom Nickelabbau betroffenen Bevölkerung am Izabalsee und begleiten die Aktivitäten der Solway Investment Group in Guatemala kritisch.

Artikel kath.ch (23.7.2019)

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