Gegen das Geschäft mit der Entwicklungshilfe

Die Kooperation zwischen der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und Schweizer Konzerne soll massiv ausgebaut werden soll. Sogar Tabakfirmen oder Rohstoffkonzerne kommen dabei in Frage. Doch der vermehrte Einbezug von multinationalen Konzernen schafft neue Abhängigkeiten. Gerade in Krisenzeiten wie dieser zeigt sich dann, dass durch eben diese Abhängigkeiten der Hunger massiv zunimmt.

Newsletter MultiWatch (27.5.2020)

„We cannot solve our problems with the same thinking we used when we created them.“

Gerade in dieser Zeit gewinnt die Aussage von Albert Einstein an Bedeutung: Die COVID-19-Krise zeigt uns auf, dass wir dringend neue Lösungen für die fragile globale Nahrungsmittelversorgung benötigen. Die Prognosen des UN World Food Programms (WFP) sind alarmierend: Die an Hunger („acute food insecurity“) leidenden Menschen werden sich von 135 (2019) auf 265 Millionen Menschen (2020) fast verdoppeln (siehe WFP, 21.4.2020).

Die jetzige Krise, die Nahrungsmittelkrise 2007/2008 sowie der tägliche Hunger zeigen, dass wir Abhängigkeiten und Ungerechtigkeit innerhalb der „global food supply chain“ abbauen und die Entwicklung in Richtung Ernährungssouveränität lenken müssen (siehe Walden Bello/tni: `Never Let a Good Crisis Go to Waste`). Mit der Ernährungssouveränität wird eine regionale und demokratisch bestimmte Lebensmittelversorgung angestrebt. Das Ziel ist eine möglichst enge Beziehung zwischen Produzent*innen und Verbraucher*innen. Die heutige, neokoloniale Ordnung gleicht einem „globalen Bauernhof“, in welchem Menschen im Globalen Süden einen Grossteil der globalen Lebensmittel produzieren. Aber anstatt selbst satt zu werden und für diejenigen Nahrung produzieren, die Hunger haben, produzieren viele von ihnen – ob als Kleinbäuerinnen oder Plantagenarbeiter – für eine Minderheit von reichen Konsument*innen der Industriestaaten. Und profitieren tun die grossen Konzerne, die handeln, besitzen, verkaufen. 

Der virtuelle Wasserfussabdruck der Schweiz (die gesamthaft benötigte Wassermenge zur Herstellung von in der Schweiz konsumierten Produkten) ist ein Spiegelbild der beschriebenen neokolonialen Weltordnung: 82% des Schweizer Wasserverbrauchs fällt durch Waren und Dienstleistungen an, die aus dem Ausland eingeführt werden – mehrheitlich aus den Ländern des Globalen Südens, in denen die Wasserressourcen oft nicht in ausreichender Menge und/oder Qualität zugänglich sind (siehe Swissinfo, 22.3.2019).

Profiteure dieser neokolonialen Weltordnung sind multinationalen Konzerne wie Nestlé – mit Hilfe der Schweizer Entwicklungshilfe werden Profite „nachhaltig“ maximiert und das Wirkungsfeld der Konzerne erweitert (siehe unsere Falldokumentation „Die Schweizer Entwicklungshilfe und das Geschäft mit dem Wasser“). Aktuelle Recherchen von Public Eye zeigen, dass die Kooperation zwischen der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und Schweizer Konzerne massiv ausgebaut werden soll. Sogar Tabakfirmen oder Rohstoffkonzerne kommen dabei in Frage. Dabei zeigt die Entwicklungsoffensive der USA und Bill & Melinda Gates Stiftung nach der Nahrungsmittelkrise 2007/2008 (siehe unsere Falldokumentation „Afrika im Visier des Agrobusiness“), dass durch den Einbezug von multinationalen Konzernen Abhängigkeiten entstehen und verstärkt werden. Gerade in Krisenzeiten wie dieser zeigt sich dann, dass durch eben diese Abhängigkeiten der Hunger massiv zunimmt. Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Nestlé, um Hunger und Mangelernährung zu bekämpfen.

Newsletter MultiWatch (27.5.2020)