Was für eine Erfolgsgeschichte: Nachdem der weltgrösste unabhängige Ölhändler 2014 schon fast ein Viertel des schwarzen Golds aus Kasachstan exportierte, erhielt der Genfer Rohstoffkonzern im Jahr darauf Zugang zu den grössten Ölfeldern der Ex-Sowjetrepublik. Recherchen von Public Eye enthüllen nun die fragwürdige Grundlage des rasanten Aufstiegs: Ein höchst diskretes Joint Venture verbindet Vitol bis heute mit politisch exponierten Personen (PEP) der Machtelite, die damit Milliarden von Dollar verdienten. Exklusive Dokumente zeigen, dass auch der Schwiegersohn des Präsidenten indirekt von dieser Partnerschaft profitiert hat.
Das rohstoffreiche und auf dem Korruptionsindex von Transparency International auf Platz 122 (von 180) rangierende Kasachstan hat der Familie von Präsident Nasarbajew und ein paar Oligarchen sagenhafte Reichtümer beschert. In diesem Dunstkreis, wo die Grenzen zwischen privaten und staatlichen Geschäften häufig verschwimmen, hat Vitol der nationalen kasachischen KazMunayGas (KMG) in einem spektakulären „Cash for Oil“-Deal zwischen 2015 und 2018 5,2 Milliarden Dollar geliehen. Im Gegenzug gab es dafür Rohöl in rauen Mengen.
Eine entscheidende Rolle beim Auf- und Ausbau von Vitols dominanter Rolle in Kasachstan spielt die 2003 in Rotterdam registrierte Ingma Holding BV. Wie Nachforschungen von Public Eye zeigen, hat dieses Joint Venture zwischen 2009 und 2016 nicht nur sagenhafte 93 Milliarden Dollar Umsatz erzielt, sondern auch über eine Milliarde Dollar an Dividenden ausgeschüttet – an ein Aktionariat, das aus Vitol und seinen illustren Partnern besteht. Unter diesen befinden sich drei sogenannt „politisch exponierte Personen“ (PEP): Zum indischen Geschäftsmann Arvind Tiku, der sich via seine Firma Oilex NV an Ingma beteiligte, gesellte sich 2010 der kasachische Oligarch Dias Suleimenov und vermutlich auch Daniyar Abulgazin, beide hohe ehemalige Öl-Funktionäre. Das Trio unterhielt die ganze Zeit enge Beziehungen zu Timur Kulibajew, dem Schwiegersohn des autokratischen Staatspräsidenten.
Auch wenn Kulibajew selbst kein Ingma-Aktionär war oder ist, belegen Public Eye vorliegende Dokumente, dass er indirekt profitiert hat. Eine 2010 gegen ihn und Tiku in der Schweiz eröffnete Untersuchung wegen Verdacht auf Geldwäscherei, die später eingestellt wurde, brachte an den Tag, dass die beiden Begünstigte eines von Credit Suisse verwalteten Trusts waren. Zwischen Mai und August 2006 flossen über 600 Millionen Dollar in diesen Trust, die von Firmen stammten, an denen Kulibajew nicht beteiligt war. Darunter befand sich auch Oilex: Von der Co-Eigentümerin von Ingma stammten über 100 Millionen Dollar. 2007 wiederum wurden 283 Millionen Dollar aus dem Fonds als zinsloses Darlehen an eine gewisse Merix International Ventures überwiesen, die – man ahnt es schon – Kulibajew gehört. Merix erhielt via Oilex auch von Tiku ein Darlehen von knapp 102 Millionen Dollar.
Laut Vitol hat der Schwiegersohn des Präsidenten zu keinem Zeitpunkt direkt oder indirekt von den Geschäften der Ingma Holding profitiert. Die nach Glencore zweitgrösste Schweizer Firma versichert „alle Antikorruptionsgesetze zu respektieren“. Zur Existenz und Funktion des CS-Trusts und den Darlehen will sich Vitol nicht äussern, „weil wir weder am Trust noch an Oilex beteiligt sind“. Durch Joint Ventures mit PEPs verschaffen sich Handelsfirmen immer wieder Zugang zu Rohstoffvorkommen. Vitols kasachische Geschäfte zeigen exemplarisch, welche Risiken diese Strategie bergen. Im Gegensatz zu den Banken, die wegen dem Geldwäschereigesetz jeden potentiellen PEP-Kunden genau unter die Lupe nehmen müssen, haben Rohstoffkonzerne diesbezüglich keinerlei rechtliche Verpflichtungen. Der Bundesrat muss diese Lücke dringend mit einer gesetzlichen Sorgfaltspflicht zur Überprüfung von Geschäftspartnern schliessen. Dieser Fall ist auch ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit der Offenlegung von Zahlungen für Rohstoffe an deren Produktionsländer. In der Wintersession hat der Ständerat nochmals die Möglichkeit, auch Handelsaktivitäten der im Rahmen der Aktienrechtsreform diskutierten Transparenzregeln zu unterstellen.
Medienmitteilung von Public Eye (14.11.2018)