Syngentas Paraquat und das höhere Risiko einer Parkinson-Erkrankung

Mehrere Studien bringen die Anwendung von Paraquat in Zusammenhang mit einem höheren Risiko an Parkinson zu erkranken. Rund hundert von der Krankheit betroffene Bäuer:innen klagen in den USA gegen Syngenta, die Produzentin des Herbizids.

Paraquat wird weltweit unter dem Markennamen Gramaxon vermarktet und kommt zur Bekämpfung von invasiven Unkräutern zum Einsatz. Das Herbizid wird in den USA vor allem für Soja, Baumwolle, Mais und Obst angewendet. Der Vertrieb von Paraquat startete in den USA bereits in den 60er-Jahren. Es gelangte erst durch Übernahmen, Fusionen und Abspaltungen in das Sortiment von Syngenta. Während in 72 Ländern, darunter Schweiz und China, der Verkauf von Paraquat verboten ist, kann das umstrittene Herbizid in 27 Staaten – darunter auch die USA – weiterhin verkauft werden, wenn auch mit Auflagen. Damit die Anwender:innen in den USA den Giftstoff anwenden dürfen, müssen sie geschult und zertifiziert werden.

Studien stellen Zusammenhang mit Parkinson-Erkrankung her

Mehrere Studien brachten Paraquat in Verbindung mit einem höheren Risiko, an Parkinson zu erkranken. Beispielsweise ergab 2011 eine Studie des National Institute of Environmental Health Sciences, dass Anwender des Herbizids zweieinhalb Mal häufiger an der neurodegenerativen Krankheit erkranken als Nichtanwenderinnen (siehe Swissinfo, 18.11.2021). In den USA ist Parkinson die zehnthäufigste Krankheit bei über 65-Jährigen. Im Jahr 2019 starben rund 35’000 Menschen in dieser Altersgruppe an dieser Krankheit.

Klagewelle gegen Syngenta

Rund 100 Bäuer:innen reichten im Mai 2021 eine Sammelklage gegen Syngenta bei einem Bezirksgericht im Bundesstaat Iowa ein (siehe Swissinfo, 18.11.2021). Die Klage lastet dem auch in der Schweiz ansässigen Konzern an, Bäuer:innen nicht ausreichend vor den Gefahren gewarnt und Paraquat nicht genügend getestet zu haben. Laut den Kläger:innen müsse der Konzern für medizinische Tests aufkommen und sicherstellen, dass Betroffene Parkinson frühzeitig erkennen und behandeln können.

Dieser Rechtsfall ist einer von vielen. Rund 380 Klagen, meist Sammelklagen, sind in den USA gegen Syngenta eingereicht worden. Syngenta bestreitet jedoch den Zusammenhang zwischen einem erhöhten Risiko der Parkinson-Erkrankung und dem Herbizid – dafür gebe es “keine glaubwürdigen Beweise” und die Klagen seien deshalb “unbegründet” (siehe Swissinfo, 18.11.2021).

Parallelen zum Fall des Herbizids Roundup

Die Kläger:innen wurden von Anwält:innen ermutigt, da diese Parallelen zum Fall um das Herbizids Roundup sehen (siehe Swissinfo, 18.11.2021). Das Herbizid steht im Verdacht, die Krebsart Non-Hodgkins-Lymphome zu verursachen. Das ursprünglich vom US-Konzern Monsanto hergestellte und seit der Übernahme 2018 durch den deutschen Pharmamulti Bayer AG vertriebene Roundup ist Gegenstand einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten. Deshalb hat Bayer dieses Jahr Rückstellungen in der Höhe von 16 Milliarden US-Dollar getätigt. 96’000 von 125’000 Rechtsansprüchen sind beigelegt worden, während die übrigen am Obersten US-Gerichtshof hängig sind.

Whistleblower wirft Syngenta vor, Profit über Gesundheit zu stellen

Der Toxikologe Jon Heylings arbeitete mehr als 20 Jahre für Syngenta und ihre Vorgängerunternehmen. Nach seiner Pensionierung hat er als sachverständiger Whistleblower in den US-Klagen ausgesagt. Syngenta setze Profit vor Gesundheit, argumentierte er, und legte als Beweis ein Dokument des Agrochemiekonzerns aus dem Jahr 2003 vor, in welchem die wachsende Zahl von Studien anerkannt wurde, „die eine Korrelation zwischen dem Auftreten der Parkinson-Krankheit und dem Einsatz von Herbiziden, einschliesslich Paraquat, feststellen“ (siehe BBC, 1.4.2022). Weiter erklärt er: „Syngenta versucht, Forscher:innen zu beeinflussen, die an Paraquat arbeiten, und auch die Richtung der Forschung zu beeinflussen (…). Die Strategie bestand darin, alles herunterzuspielen, was auf den Zusammenhang der potenziellen Neurotoxizität von Paraquat und Parkinson-Erkrankungen hinweist“ (siehe BBC, 1.4.2022).

Syngenta zielt auf Vergleichsvereinbarungen ab

Im Halbjahresfinanzbericht vom August 2021 erklärte Syngenta, dass sie “eine Vergleichsvereinbarung mit bestimmten Paraquat-Klägern getroffen” und im Juli 187.5 Millionen US-Dollar in einen Vergleichsfonds eingezahlt habe (siehe Swissinfo, 18.11.2021). Der Konzern mit der operativen Zentrale in der Schweiz bestreitet jedoch weiterhin jeglichen Zusammenhang und hält fest, dass die Vergleichsvereinbarung “ausschliesslich zum Zweck der Beendigung dieser Klagen” geschlossen worden sei.

Bäuer:innen in Grossbritannien fordern Produktionsstopp

Paraquat ist seit einem Gerichtsurteil im Jahr 2007 nicht mehr für die Verwendung in der EU zugelassen. Das ist in Grossbritannien auch nach dem Brexit nach wie vor der Fall, aber es wird immer noch in Syngentas Werk in Huddersfield hergestellt. Mit der Klagewelle in den USA fordern nun auch Bäuer:innen in Grossbritannien einen Produktionsstopp (siehe BBC, 1.4.2022).

Pestizidatlas: Bäuer:innen im Globalen Süden leiden besonders unter hochgiftigen Pestiziden

Die Klagewelle in den USA soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Landarbeiter und Bäuerinnen im Globalen Süden besonders unter hochgiftigen Pestiziden leiden. Neusten Schätzungen zufolge gibt es in Asien jährlich bis zu 255 Millionen Vergiftungsfälle, in Afrika sind es 100 Millionen. Die Folgen reichen von Kopfschmerzen und Hautirritation bis hin zu tödlichem Organversagen. Solche Fälle kann das hochgiftige Syngenta-Herbizid Paraquat verursachen. Nur existieren im Globalen Süden nicht die gleichen Möglichkeiten wie in den USA, um gegen Agrochemiekonzerne mit Klagen vorzugehen. Ein Pestizidatlas dokumentiert detailliert, wie die Agrarindustrie durch aggressives Lobbying in Brasilien, Syngentas wichtigstem Markt, ein Verbot von Paraquat fast gekippt hat.

Grafik aus dem Pestizidatlas

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