Fifa: Durch und durch korrupt

Kaum eine andere Organisation wird so eng mit Korruption verbunden wie der Weltfussballverband Fifa. Die Fifa läuft zwar unter der Form eines gemeinnützigen Vereins, jedoch ist der Profifussball auf globaler Ebene längst zu einem Milliardengeschäft geworden – und die Korruption zu einer Begleiterscheinung beim Weltfussballverband. Die Reformen des aktuellen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino zeigen, dass sich an der Situation nicht so schnell etwas zum Positiven verändern wird – im Gegenteil.

Im GemeinwohlAtlas wird der gesellschaftliche Nutzen von Schweizer und internationalen Organisationen und Unternehmen systematisch gemessen (mehr dazu unter GemeinwohlAtlas). Bei 110 gelisteten Organisationen landet der Weltfussballverband auf zweitletzter Stelle. Das schlechte Abschneiden hängt mit den Korruptionsskandalen zusammen, die seit der Veröffentlichung des Buches «Foul!» des britischen Enthüllungsjournalisten Andrew Jennings im Jahr 2006 immer wieder an die Öffentlichkeit kommen.

Umfangreiches System der Korruption unter João Havelange und Sepp Blatter
Das Buch «Foul!» und ein vierstündiger kritischer Beitrag der BBC vom 11. Juni 2006 durchleuchteten den Schmiergeldskandal im Weltfussballverband erstmals umfangreich und im Detail. In der Zeit, in welcher Schmiergelder systematisch geflossen sind, wurde die Fifa zunächst von João Havelange (1974-1998) und danach von Sepp Blatter (1998-2015) geführt, wobei Sepp Blatter bereits unter João Havelange 1981-1998 Generalsekretär des Verbands war und über die Schmiergeldzahlungen zumindest Kenntnis gehabt haben musste.

Bei der Aufdeckung des Korruptionsskandals war der Konkurs des Fifa-Marketing-Partners International Sports and Leisure (ISL) ein entscheidender Faktor. Gerade weil bei dem Handel mit Verwertungsrechten und Marketing rund um den globalen Profifussball viel Geld im Spiel war, warf der plötzliche Konkurs der ISL viele Fragen auf. Dabei kam zum Vorschein, dass unter anderem 65 Millionen Euro von Fifa-Konten verschwunden sind, auf die die ISL-Manager Zugriff hatten. In der Summe soll ISL nachweislich rund 100 Millionen US-Dollar Schmiergeld gezahlt haben um Entscheidungen der Fifa zu beeinflussen (der eigentliche Betrag fällt wohl um einiges höher aus). Der BBC liegt eine Liste von 175 geheimen Zahlungen vor. Der zufolge sollen auch drei Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees, das über die Auswahl des Ausrichters von Weltmeisterschaften entscheidet, Zahlungen erhalten haben. Die umfangreichste Zahlung durch die ISL in der Höhe von 21,9 Millionen Schweizer Franken kassierte der langjährige Fifa-Präsident João Havelange (Brasilien) und sein ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Terra Teixeira (siehe Spiegel, 28.4.2013).

In der Folge wird eine Chronologie der Ereignisse aufgelistet:

  • Mai 2001: Konkurs der ISL
  • November 2005: Hausdurchsuchung der Fifa-Zentrale durch Schweizer Untersuchungsrichter Thomas Hildebrand, Experte für Wirtschaftsdelikte, und Eröffnung eines Verfahrens wegen «ungetreuer Geschäftsbesorgung zum Nachteil der Fifa» (siehe Welt, 10.3.2006)
  • Januar 2006: Veröffentlichung des Buches «Foul!» von Andrew Jennings
  • Juni 2006: Beitrag der BBC
  • Juni 2010: Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft des Verfahrens gegen eine bis auf zwei Funktionäre nicht namentlich genannte Führungsgruppe der Fifa gegen einen Betrag von 5,5 Millionen Schweizer Franken
  • Juli 2012: Schweizer Bundesgericht stellt fest, dass grosses „öffentliches und weltweites Interesse“ an den Inhalten des 41-seitigen Ermittlungspapiers der Staatsanwaltschaft besteht
  • April 2014: Veröffentlichung eines Abschlussberichts durch das unabhängige Fifa-Governance-Komitee unter der Leitung des Schweizer Strafrechtler Mark Pieth; Passagen zur Involvierung von Sepp Blatter in den Korruptionsskandal wurden jedoch durch Fifa-Chefjurist Marco Villiger ersatzlos gestrichen (siehe Deutschlandfunk, 7.2.2015)

Sepp Blatter trägt als Generalsekretär und Präsident die Hauptverantwortung für die «mangelnde Organisation des Unternehmens» Fifa und die «Unterlassung strikter interner Reglementierungen», wie die Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung vom Juni 2010 formulierte. Dadurch wurde «verhindert, die Täter zu eruieren» (siehe Spiegel, 28.4.2013). Zur ISL-Korruption hat er zudem mehrfach öffentlich die Unwahrheit gesagt und in Interviews beispielsweise behauptet, er habe von der Millionenzahlung an Havelange auf ein Fifa-Konto nichts gewusst. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat Sepp Blatter sehr wohl vom Schmiergeldsystem Kenntnis gehabt und in einem Fall sogar daran mitgewirkt, so dass eine irrtümlich auf einem Fifa-Konto eingegangene Millionensumme unverzüglich auf Havelanges Privatkonto weitergeleitet wurde (siehe Spiegel, 28.4.2013). Auch rund um die Wahl Blatters im Juni 1998 zum Fifa-Präsidenten flossen Gelder, um seine Wahl sicherzustellen.

Sepp Blatter verkaufte sich nach der Wahl als Fifa-Präsident nichts desto trotz als der Reformer und Saubermann des Weltfussballs.

Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Sepp Blatter

Am 24. September 2015 eröffnete die Schweizer Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Sepp Blatter wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung und wegen Veruntreuung.

Folgende Dinge werden ihm vorgeworfen:

  • Verkauf von Fernsehrechten in die Karibik unter Marktwert an verbündete Personen (?)
  • Zahlung von zwei Millionen Franken an Michel Platini im Jahr 2011 für Dienstleistungen für den Zeitraum zwischen Januar 1999 und Juni 2002

Am 25. September 2015 erfolgte diesbezüglich eine Hausdurchsuchung im Büro von Sepp Blatter in der Fifa-Zentrale. Die Fifa-Ethikkommission, das interne Kontrollgremium der Fifa, prüfte die Fälle mehrmals und entschied am 21. Dezember 2015, sowohl Blatter als auch Platini wegen Amtsmissbrauchs für eine Dauer von acht Jahren zu sperren und verhängte ausserdem jeweils eine Geldstrafe. Die Sanktion wurde dann auf sechs Jahre reduziert (für eine Chronologie der Ereignisse siehe SRF). Im März 2021 wurde durch die Ethikkommission weitere Sanktionen gegen Sepp Blatter ausgesprochen (siehe SRF, 24.3.2021). Nachdem Blatter und Platini im Juli 2022 vom Bundesstrafgericht vollumfänglich freigesprochen wurden, legte die Bundesanwaltschaft Berufung ein (siehe SRF, 20.10.2022).

Nach Sepp Blatter: Neuer Fifa-Präsident Gianni Infantino schwächt interne Kontrollinstanzen

Nachdem der damalige UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino, wie Sepp Blatter auch aus dem Wallis stammend, auf einem ausserordentlichen Verbandskongress in Zürich am 26. Februar 2016 zum Nachfolger Blatters gewählt wurde, vergrösserte er die Macht des Fifa-Präsidenten: Bei der FIFA-Vollversammlung im Mai 2016 in Mexiko-Stadt wurde auf Infantinos Vorschlag beschlossen, dass der Council bis zum kommenden Jahr alle Mitglieder der Audit- und Compliance-Kommission, der Ethikkommission, der Disziplinarkommission und der neuen Governance-Kommission selbst bestimmen und entlassen kann. Als Protest trat Domenico Scala als Leiter des Audit & Compliance Committees der FIFA noch am gleichen Tag von seinem Amt zurück und begründete diesen Schritt wie folgt: “Ich bin über diesen Entscheid konsterniert, da damit eine zentrale Säule der Good Governance der Fifa untergraben und eine wesentliche Errungenschaft der Reformen zunichte gemacht wird.”

Im Mai 2017 wurden kritische Ethik-Kontrolleure ohne Vorwarnung nicht mehr zur Wiederwahl nominiert – so entschied der von Infantino geleitete Fifa-Rat (siehe Tagblatt, 25.7.2022). Neu amtet eine dem Fifa-Präsidenten nahestehende Person in dieser Rolle.

Dabei wäre eine unabhängige Kontrollinstanz nach wie vor nötig, denn Gianni Infantino geriet bereits früh in Kritik: Kurz nach seinem Amtsantritt im Frühling 2016 nahm er mehrere Einladungen zu Privatjet-Flügen an. Die Ethikkommission musste auf Verstoss gegen den Fifa-Ethikkodex ermitteln, stellte das Verfahren aber kurz darauf ein. Im Jahr 2017 soll Gianni Infantino erneut einen geschenkten Flug im Privatjet angenommen haben – mit dem russischen Sportminister Witali Mutko (siehe SRF, 15.2.2017).

Korruptionsvorwürfe um die WM-Vergabe an Russland und Katar

Obwohl Gianni Infantino bei der WM-Vergabe im Jahr 2010 an Russland (2018) und Katar (2022) noch nicht als Fifa-Präsident amtete, spielte er zumindest bei der Aufklärung von Schmiergeldzahlungen zu dieser WM-Vergabe eine dubiose Rolle. Der Reihe nach: Bereits seit der WM-Vergabe an Frankreich für das Jahr 1998 gab es wie bei jeder Vergabe Vorwürfe und Nachweise, dass Schmiergelder geflossen sind, um die Wahl zu beeinflussen (ein kurzer Überblick bei RP Online). Die Aufmerksamkeit bei der WM-Vergabe 2010, an der gerade die Weltmeisterschaften für das Jahr 2018 und 2022 bestimmt wurde, war deshalb gross, so dass schnell Korruptionsvorwürfe auftauchten. Die SRF hat dazu eine Chronologie veröffentlicht, die an dieser Stelle punktuell übernommen wird:

  • Oktober 2010: Die Fifa-Exekutivmitglieder Reynald Temarii (Tahiti) und Amos Adamu (Nigeria) werden wegen Korruptionsverdachts suspendiert. Sie sollen bereit gewesen sein, ihre Stimmen bei der WM-Vergabe 2018 und 2022 zu verkaufen.
  • November 2010: Sechs Fifa-Funktionäre werden mit Strafen belegt. «Alle Zweifel sind ausgeräumt», sagt Chef Sepp Blatter.
  • November 2010: Neue Bestechungsvorwürfe gegen drei weitere Exekutivmitglieder: Ricardo Teixeira (Brasilien), Nicolás Leoz (Paraguay) und Issa Hayatou (Kamerun).
  • Dezember 2010: Die Fifa vergibt die Weltmeisterschaften an Russland und Katar.
  • Dezember 2010: Fifa-Vize Julio Grondona (Argentinien) soll etwa 59 Millionen Euro aus Katar erhalten haben.
  • Mai 2011: Der frühere englische Verbandschef David Triesman beschuldigt Teixeira, Leoz, Vize Jack Warner (Trinidad und Tobago) und Worawi Mukudi (Thailand), unlautere Forderungen vor den WM-Vergaben gestellt zu haben.
  • Juni 2011: Warner tritt von all seinen Ämtern im Fussball zurück.
  • Oktober 2011: Nach heftigen Korruptionsvorwürfen setzt die Fifa auf die Hilfe externer Experten und gründet diverse Arbeitsgruppen.
  • Juli 2012: Der frühere US-Staatsanwalt Michael Garcia wird zum Vorsitzenden der Fifa-Ethikkommission ernannt, der Münchner Richter Hans-Joachim Eckert steht der rechtsprechenden Kammer vor.
  • November 2013: Blatter unterstellt Deutschland und Frankreich, bei der WM-Vergabe an Katar wegen wirtschaftlicher Interessen politischen Druck auf Fifa-Entscheidungsträger ausgeübt zu haben.
  • Juni 2014: Laut «Sunday Times» soll der katarische Ex-Funktionär Mohammed bin Hammam fünf Millionen Dollar an Offizielle gezahlt haben, um sich deren Unterstützung für Katars Bewerbung zu sichern.
  • September 2014: Garcia legt seinen Untersuchungsbericht bei der Fifa vor und spricht sich für eine Veröffentlichung aus.
  • Oktober 2014: Der Bericht wird nach einer Entscheidung der Fifa nicht komplett veröffentlicht.
  • November 2014: Eckert legt einen weiteren Bericht vor, in dem Russland und Katar keine gravierenden Verstösse bei den Bewerbungen nachgewiesen werden. Garcia legt Einspruch ein.
  • Dezember 2014: Die Fifa weist Garcias Einspruch als «unzulässig» zurück. Garcia erklärt daraufhin seinen Rücktritt.
  • Mai 2015: Kurz vor Blatters geplanter Wiederwahl nimmt die Schweizer Polizei mehrere hochrangige Funktionäre fest. Dazu gehören die Fifa-Vizepräsidenten Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo sowie Ex-Vize Jack Warner. Die USA ermitteln gegen 14 ehemalige Spitzenfunktionäre und Geschäftsleute.

Im Zuge dieser Verhaftungsaktion stellt sich auch der argentinische TV-Rechtehändler Alejandro Burzaco. Als Kronzeuge der US-Justiz nennt er die Fifa-Funktionäre Julio Grondona, Nicolas Leoz und Riccardo Teixeira, welche Gelder bei der WM-Vergabe an Russland und Katar entgegengenommen hätten (siehe SRF DOK, 10.11.2022). Unter anderem gestützt auf diese Aussage strengt die Fifa-Ethikkommission ein Verfahren gegen Riccardo Teixeira an (die beiden anderen waren mittlerweile verstorben), welcher im Jahr 2010 für Katar als Austragungsort der WM 2022 gestimmt hat. Daraufhin verurteilt Fifa-Ethikkommission Teixeira im Juli 2019 wegen Korruption zu einer Busse von einer Million Franken Busse, also ungefähr gleich viel, wie er laut Burzaco für seine Katar-Stimme erhalten haben soll, und sperrt ihn lebenslänglich von allen Fussballaktivitäten. Nach einigen Rekursen bestätigt das Bundesgericht im Februar 2022 das Ethikkommissions-Urteil, in dem unter anderem von Stimmenkauf im Zusammenhang mit der Katar-Wahl die Rede ist. Brisanter Weise negiert aber Gianni Infantino jegliche Beeinflussung der WM-Vergabe (siehe SRF DOK, 10.11.2022): «Es gibt keinen Entscheid der Fifa-Ethikkommission, in dem von Bestechungsgeldern im Zusammenhang mit Katar die Rede ist.» Das ist jedoch nachweislich falsch: Im Urteil der Ethikkommission wird die entsprechende Burzaco-Aussage eins-zu-eins zitiert.

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