Chemiekonzern INEOS: Der neue Topsünder

In den letzten Jahren hat die Erdöl- und Erdgasgewinnung aus tiefen Gesteinsschichten - das sogenannte Fracking - zunehmend an Bedeutung gewonnen. Eines der grössten Fracking-Unternehmen in Grossbritannien ist INEOS, eine Privatfirma, die seit 2010 ihren Sitz in Rolles hat. Dieses Unternehmen ist auf unermüdlichem Wachstumskurs. Eines der Mittel, um diesen Weg zu ebnen ist die am 31. Juli 2017 gerichtlich erlangte Verfügung, die Protestform "slow walking", d.h. Strassenblockaden und/oder Behinderung der Zulieferungen, zu verbieten. Dies ist aber nur die Spitze des Eisbergs.

Kriminalisierung der Proteste gegen Fracking in Grossbritannien
INEOS erhält die einstweilige Verfügung am 31. Juli 2017, ohne dies im Vorfeld zu kommunizieren. Damit verboten wird die zuvor von mehreren Bezirksgerichten als legal beurteilte Protestform “slow walking”. Bei Verstoss gegen diese Verfügung droht Gefängnis, hohe Bussen oder die Beschlagnahmung von Eigentum.

Die beiden Fracking-Gegner Joe Boyd und Joe Corré haben unter gegen diesen Entscheid appelliert und damit grosse finanzielle Risiken auf sich genommen. Am 12. September 2017 verlängert das Oberste Gericht Grossbritanniens die Verfügung um sechs Wochen. Die NGO’s beurteilen dies als ernsthafte Gefährung des demokratischen Systems und befürchten eine Signalwirkung auf andere ähnlichgelagerte Proteste.

Trotz Verbot gehen am 16. September 2017 Hunderte von Menschen in Eckington gegen INEOS Exlorationspläne auf die Strasse. Anfangs Oktober gibt der schottische Energieminister Paul Wheelhouse bekannt, dass angesichts des grossen Widerstands in Schottland das Fracking nicht zugelassen wird.

Probleme mit der Raffinerie in Grangemouth

Jahrelanger Arbeitskampf
Die INEOS-Raffinerie in Grangemouth (Schottland) existiert seit 1924. Im Oktober 2013 kündigt das Management Konkurs und die Schliessung der Fabrik an. Die wird dank des Entgegenkommens der Gewerkschaft Unite verhindert: Unite garantiert die Einstellung der bereits drei Jahre andauernden Proteste und die Unterstützung des Rettungsplans (Einbussen bei Pensionskassenbeiträgen, Lohn und Arbeitsbedingungen). Der 2014 von INEOS entlassene Gewerkschafter Mark Lyon spricht in seinem 2017 erschienenen Buch von einem Komplott: Es sei INEOS Strategie gewesen, die Verhandlungen mit der Gewerkschaft zu blockieren und Ende 2013 in einem Streik eskalieren zu lassen. Ziel sei gewesen, die Subventionen der Gemeinde einzustreichen und die Gewerkschaft zu schwächen. Aktuelle Enthüllungen aus geleakten Dokumenten bestätigen diese Annahme (siehe unten).

Im April 2017 der Konflikt erneut entbrannt. Nach Ablauf der 3-Jahresperiode, in der die Löhne eingefroren gewesen sind, ist die Gewerkschaft mit dem Lohnerhöhungsangebot des Unternehmens nicht einverstanden. Die Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung von 3.25%, das Unterehmen beharrt auf 2.8%. Die Verhandlungen werden abgebrochen. Im Juli 2017 gibt INEOS bekannt, dass das Unternehmen die Gewerkschaft Unite nicht mehr als Verhandlungspartnerin akzeptiere. Seither hat die Gewerkschaft die Mehrheit der Angestellten hinter sich gebracht. Nun soll ein Antrag beim Central Arbitration Committee (CAC) gestellt werden, um im Arbeitskonflikt zu vermitteln.

Umweltverschmutzung
Anfangs Mai 2017 schneidet die INEOS-Raffinerie zum zweiten Mal in Folge im Rating der Schottischen Umweltbehörde SEPA so schlecht ab wie noch nie. Grund dafür sind neun Vorfälle im Jahr 2016, die Umweltverschmutzungen zur Folge hatten. Beispielsweise müssen 1000 Angestellte der Kinneil-Gas-Fabrik wegen eines Lecks evakuiert werden. Das Leck befindet sich in unmittelbarer Nähe von Schulen und Wohngebieten. Bevölkerung, Angestellte und die Gewerkschaft sind besorgt und verlangen von INEOS endlich Schritte hinsichtlich Sicherheit des Werkes zu unternehmen. INEOS lehnt den Bericht mit dem Argument ab, dass das Unternehmen in anderen Beurteilungen der SEPA sehr gut abgeschnitten habe.

Raffinerie als nationales Sicherheitsrisiko klassifiziert
Im Mai 2017 wird INEOS wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit beschuldigt. Das Unternehmen hat sich geweigert, vom Geheimdienst empfohlene Sicherheitsmassnahmen zu ergreifen. In geleakten Dokumenten der Regierung aus dem Jahr 2011 wird die Raffinerie in Grangemouth, die 40% des in Grossbritannien gehandelten Erdöls umsetzt, als “critical national infrastructure” klassifiziert. Das Centre for the Protection of National Infrastructure (CPNI) verlangt daraufhin von INEOS, zwischen vier und sechs Millionen Pfund in Sicherheitsmassnahmen zu investieren. INEOS weigert sich mangels direktem wirtschaftlichen Nutzen der verlangten Massnahmen fürs Unternehmen und aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen. INEOS ist das erste Unternehmen, das sich weigert, die Empfehlungen des CPNI umzusetzen.

Agressives Lobbying für Eigeninteressen
Gemäss Enthüllungen von The Ferret vom Februar 2017 trifft im Jahr 2013 der CEO von INEOS Jim Ratcliffe den damaligen britischen Finanzminister George Osborne mit dem Ziel, die Gewerkschaftsrechte einzugrenzen, die Steuern für das Unternehmen zu drücken und Werbung für das Fracking zu betreiben.
Unter den enthüllten Dokumenten ist eine 100-seitige Präsentation von Ratcliffe, in der er beispielsweise das nationale Pensionskassensystem als “Disaster” betitelt und der Regierung nahe legt, das Streikrecht direkt oder indirekt zu unterbinden. Acht Monate später deklariert INEOS Insolvenz und drohte das Werk in Grangemouth zu schliessen, wenn die Gewerkschaft nicht Eingeständnisse macht.
Weiter bezeugen die Dokumente Ratcliffes Versuche, die Regierung dahingehend zu beeinflussen, den Brexit dafür zu nutzen, den Chemiesektor aus dem Klimaabkommen auszuschliessen, um die Kosten für die Energiewende zu vermeiden.

Profit vor Bedürfnissen der AnwohnerInnen
INEOS hegt Expansionsplände für seine Anlagen in Grangemouth. Dafür muss eine öffentliche Strasse geschlossen werden. Die AnwohnerInnen wehren sich dagegen, da Strasse sei eine wichtige “Lebensader” der Gemeinde sei und zudem die Entschädigungszahlungen von zwei Millionen Pfund viel zu tief.

Belastung von Grundwasser und Boden in der Chemiefabrik von Gladbeck

Im April 2017 wird auf dem Betriebsgelände der INEOS Phenol GmbH in Gladbeck (Nordrhein-Westfalen) die Belastung von Boden und Grundwasser mit giftigen Chemikalien bekannt und sorgt bei privaten AnwohnerInnen für Aufregung. Die Giftfunde entpuppen sich nicht nur als Altlasten aus der IG Farben-Produktion sowie des Zechenbetriebs während und vor dem II. Weltkrieg, wie zuerst vom INEOS-Management behauptet. Die Giftstoffe sind auch bei einen Störfall im Jahr 1968 in die Umwelt gelangt und offenbar tief in den Boden eingedrungen. Es lassen sich drei Quellen der Schadstoffverschmutzung auf dem INEOS-Gelände ausmachen. Es wird davon abgeraten, private Brunnen in der Nähe des Geländes zu nutzen.

Weitere Störfälle in Herne, Köln und Moers

In EinwohnerInnen von Herne (Nordrhein-Westfalen) gehen anfangs 2017 der Ursache der Vibrationen in ihren Häusern nach und lassen ein Gutachten erstellen. Die vermutete Ursache liegt in den Pumpen des nahegelegenen INEOS-Chemiewerkes. Die Stadtverwaltung reagiert erst, nachdem sich bei den AnwohnerInnen Folgen wie physische und psychische Erkrankungen, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, Tinnitus und Herzinfarkte gezeigt haben – jedoch ohne Ergebnis. Anfangs Oktober 2017 hat der Spuk plötzlich ein Ende. Vermutet werden veränderte Produktionsprozesse bei INEOS, das Unternehmen streitet dies jedoch ab.

In der Nacht zum 23. März 2017 spricht die Berstscheibe der Anlage für PE-LD von INEOS am Standort Köln-Worringen im Chemiepark Dormagen auf eine Überdrucksituation an. Ein lauter Knall schreckt die Nachbarschaft auf, gefolgt vom Abfackeln des überschüssigen Gases aus der Hochdruckanlage. Der Störfall setzt die Anlage zur Produktion von PE-LD für mehrere Wochen außer Gefecht. Dasselbe wiederholt sich Ende September 2017, der Knall erschreckt die AnwohnerInnen und hat die Hospitalisierung von 14 Angestellten zur Folge. Nur einen Monat später kommt es wieder zu einem technischen Ausfall: Überschüssiges Gas wird verbrannt und es bildet sich über einige Zeit eine hohe Fakel über dem Fabrikkamin.

Laute Knallgeräusche mit einem starken Zischen reissen in der Nacht zum 9. September 2017 viele Menschen am Niederrhein aus dem Schlaf. Ursache dafür ist ein Defekt in der Moerser Chemiefirma INEOS Solvents. Gemäss Unternehmen handelt es sich um eine Störung im Dampfnetz, in deren Folge sich ein Sicherheitsventil mehrfach öffnet. Dabei wird überschüssiger Wasserdampf unter starker Geräuschentwicklung an die Umgebung abgegeben.

Letzte Neuigkeiten

Schottland, 19.06.2018

INEOS verliert Rekurs gegen das Fracking​-​Verbot