Der Bergbaukonzerns Vale betreibt die Mine in Brasilien, bei der am 25.1.2019 ein Dammbruch über 80 Tote und fast 300 Vermisste gefordert hat. Die NZZ (29.1.2019) berichtet, dass Vale seinen internationalen Sitz in der Waadt. Im Kantonsparlament fordert die Linke nun, dass allfällige Bussen keinesfalls von den Steuern abgezogen werden dürfen – ein Thema, das auch Bundesbern seit Jahren beschäftigt. Zudem demonstrieren rund 30 Aktivist*innen am Hauptsitz in Saint-Prex VD gegen den Konzern, während 200 Aktivist*innen den Vale-Sitz in Brasilien besetzen (siehe weiter unten).
Der verheerende Dammbruch in der südbrasilianischen Bergbauregion Minas Gerais beschäftigt nicht nur die Politik vor Ort. Auch in der Schweiz schlägt das tragische Unglück Wellen. Denn der Betreiber der Eisenerzmine, der Milliardenkonzern Vale, hat seinen internationalen Sitz im waadtländischen Saint-Prex. Am Dienstag wird der Rohstoffgigant deshalb im Parlament des drittgrössten Kantons der Schweiz zum Thema – nicht zum ersten Mal.
Denn Vale hat hierzulande schon mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. 2012 musste sich der Konzern den Forderungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung beugen und Bundessteuern im Umfang von 212 Millionen Franken nachzahlen – als bis dahin einzige Firma. Der Bund sah es als erwiesen an, dass sie nicht alle Auflagen für die ihr gewährten Steuererleichterungen erfüllt hatte.
Steuerbefreiung bis 2015
Spätestens 2015 interessierte sich auch die Waadtländer Politik für den Konzern, der nach seiner Ansiedlung 2006 von den Gemeinde- und Kantonssteuern befreit war. Auslöser war ein Unglück, das an das jetzige erinnert: 19 Personen starben im November 2015, als in der Stadt Mariana ein Abraumbecken brach. Verantwortlich war das Bergbauunternehmen Samarco, ein Tochterunternehmen der australisch-britischen BHP Billiton und von Vale.
Obwohl der Grosse Rat der Waadt bürgerlich dominiert war, stimmte am 8. Dezember 2015 eine Mehrheit für eine Resolution der Grünen Partei. Vor dem Hintergrund, dass sich die steuerliche Sonderbehandlung von Vale dem Ende zuneigte, forderte diese, dass allfällige Bussen und Entschädigungen «keinesfalls über Vale International als Zwischenstelle von den Steuern abgezogen werden dürfen». Zudem wurde eine Interpellation zum Thema an den Staatsrat gerichtet.
Dieser musste sich also dazu äussern – und gab mehr Informationen preis, als man aufgrund des Steuergeheimnisses erwarten konnte. Vale beschäftige im Kanton rund 70 Angestellte und die Steuerbefreiung dauere nur noch bis spätestens Ende des Jahres an, schrieb die Kantonsregierung im Dezember 2015. Zudem sei die in der Waadt domizilierte Vale International nicht von der Problematik eines allfälligen Steuerabzugs von Bussgeldern betroffen, weil sich der Schaden in Brasilien ereignet habe. Das betroffene Unternehmen sei nicht an Vale International, sondern an Vale Brasilien sowie an BHP Billiton angegliedert. «Vale International müsste strafrechtlich verurteilt werden, damit der Inhalt der Resolution im geltenden Recht Anwendung finden könnte», so der Staatsrat.
Ethik und Nachhaltigkeit
Diese Erklärungen sind für die Grünen des Kantons Waadt nur bedingt zufriedenstellend, weshalb sie angesichts der neuerlichen Katastrophe in Brasilien nun aktiv werden. Fraktionschef Vassilis Venizelos wird am Dienstag eine Interpellation einreichen, die sich erneut um die steuerliche Behandlung von Vale International dreht. Er will von der Kantonsregierung wissen, ob der Konzern nach Ablauf der ersten Periode von neuen fiskalischen Vorteilen profitieren konnte. Venizelos bezieht sich dabei auf ein Schreiben des Staatsrats, wonach in der kantonalen Wirtschaftsförderung seit 2012 auch Ethik- und Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt würden.
Wie es in der Natur einer Interpellation liegt, muss die Regierung nun einzig Antworten liefern. Daraus entstehen im Parlament in der Folge aber oftmals rechtlich zwingendere Forderungen. Letztlich will die Linke wie schon 2015 in erster Linie verhindern, dass Vale International – trotz der Beteuerung des Waadtländer Staatsrats und eines inzwischen gefällten Bundesgerichtsentscheids – allfällige Strafzahlungen von den Steuern abziehen kann.
Vale International sagt auf Anfrage, man habe noch keine Kenntnis von der Interpellation. «Im Moment wäre es unserer Ansicht nach aber ohnehin unangebracht und unsensibel, sich zu steuerrechtlichen Fragen zu äussern», schreibt die Pressestelle. Oberste Priorität habe derzeit, «die Rettungsbemühungen zu unterstützen und dazu beizutragen, das Leben aller Mitarbeitenden in den betroffenen lokalen Gemeinschaften zu bewahren und zu schützen».
Hin und Her im Bundeshaus
Die Kritiker aus der Waadt rennen Türen ein, die auch auf nationaler Ebene längst geöffnet sind. 2014 verlangte Ständerat Werner Luginbühl (Bern, bdp.) eine Gesetzesänderung, damit «im In- und Ausland ausgesprochene Bussen und andere finanzielle Sanktionen mit Strafcharakter nicht zum geschäftsmässig begründeten Aufwand gehören» – kurz: dass Strafzahlungen nicht zu Steuererleichterungen führen und damit die sanktionierende Wirkung teilweise wieder aufheben.
Der Vorschlag fand Niederschlag im Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen, das der Bundesrat Ende 2016 präsentierte und das vom Ständerat im Frühling 2018 trotz Vorbehalten angenommen wurde. Nachdem der Nationalrat im Herbst gewichtige Änderungen vorgenommen hat, sieht der Kompromissvorschlag der zuständigen Ständeratskommission nun vor, dass ausländische Bussen nur dann steuerlich abziehbar sein dürfen, wenn die Sanktion «gegen den schweizerischen Ordre public verstösst» oder das mit der Sanktion belegte Verhalten «auf gutem Glauben» beruht hat. Das Geschäft kommt im Frühling ins Plenum.
Artikel NZZ (29.1.2019)
Artikel Aargauer Zeitung (30.1.2019): Demo bei Vale in Saint-Prex nach Dammbruch in Brasilien
Artikel amerika21 (28.1.2018): Bergbaukonzern Vale in Brasilien nach Dammbruch in Bedrängnis
Vale muss für den Dammkollaps in Brumadinho im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais zur Verantwortung gezogen werden, sagen die globalen Gewerkschaften IndustriALL (28.1.2019) und die Building and Wood Workers International (BWI) in ihrer Medienmitteilung
Artikel der MST (31.1.2019) zur Besetzung des Vale-Sitzes in Brasilien durch 200 Aktivist*innen der Frente Brasil Popular