Zunehmende Pestizidvergiftungen in der industriell-kapitalistischen Landwirtschaft

Eine wissenschaftliche Untersuchung zeigt auf, dass es weltweit jährlich etwa 385 Millionen “akuter unbeabsichtigter Pestizidvergiftungen“ in der Landwirtschaft gibt. In den letzten 30 Jahren hat sich die Zahl mehr als verzehnfacht. Seit drei Jahrzehnten kämpft die internationalen Bäuer*Innen-Gewerkschaft "Via Campesina" gegen solche Pestizidvergiftungen, aber auch gegen die Vertreibung durch Investmentfonds oder Soja-Monokulturen, gegen die Vergiftung des knappen Wassers und die Privatisierung des Saatguts durch Agrokonzerne wie Syngenta. Mehr als 200 Millionen Kleinbäuer*Innen in 81 Ländern haben für die UN Deklaration über die «Rechte der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern» auf Land und Saatgut gekämpft – und gewonnen. Der diesjährige Basler March against Bayer & Syngenta vom 17. April 2021 fällt mit dem von der internationalen Bäuer*Innen-Gewerkschaft «Via Campesina» organisierten weltweiten Tag des kleinbäuerlichen Widerstandes zusammen.

Nach vielen Fusionen sind fünf global tätige Pestizidhersteller übrig geblieben. Die Kleineren sind vorwiegend in ihren nationalen Märkten aktiv Bildnachweise

Basel ist der richtige Ort, um sich mit dem kleinbäuerlichen Widerstand zu solidarisieren. Denn unsere Stadt ist der Hauptsitz des grössten Agrochemiekonzerns der Welt, der Syngenta Group, und der europäische Sitz der Landwirtschaftssparte von Bayer. Diese Konzerne verkaufen jedes Jahr immer noch mehr Pestizide. So hat sich der Einsatz von Pestiziden in der Weltlandwirtschaft in Tonnen seit 1990 fast verdoppelt (siehe Heinrich Böll Stiftung, 6.1.2021). Obwohl die Konzerne versprachen, den Gifteinsatz durch gentechnisch verändertes Saatgut reduzieren zu können.

Eine im Dezember 2020 im renommierten internationalen Journal BMC Public Health publizierte wissenschaftliche Untersuchung über «Die globale Verteilung akuter unbeabsichtigter Pestizidvergiftungen» kommt zum Schluss, dass es weltweit jährlich etwa 385 Millionen solcher Vorfälle in der Landwirtschaft gibt. Statistisch gesehen bedeutet das, dass rund 44% der weltweit 860 Millionen Bäuerinnen und Landarbeiter einmal im Jahr von einer solchen (unabsichtlichen) Vergiftung betroffen ist. Daneben sind Pestizide wie Syngentas Paraquat nach wie vor eines der beliebtesten Mittel für Selbstmorde von Bäuerinnen und Bauern, die nicht mehr wissen, wie sie bei schwindenden Erträgen und steigenden Saatgut- und Pestizidpreisen wirtschaftlich überleben können. Zwischen 2010 und 2014 nahmen sich jährlich 140’000 Menschen weltweit mit Pestiziden das Leben.

Nicht mitgezählt sind die vielen Menschen, die als Konsument*Innen oder Anwohner*Innen von Landwirtschaftsgebieten Opfer der Pestizidlandwirtschaft werden und schwere oder gar tödliche Gesundheitsschäden erleiden.

Die meisten der untersuchten Unfälle geschahen in Südasien, Südostasien und Ostafrika, insbesondere in Indien, wo Kleinbäuer*innen unter dem Druck einer neoliberalen Agrarpolitik, dem Scheitern der Gentechnik in der Baumwollproduktion und sinkender Preise immer mehr Pestizide sprühen. Die grösste Zahl von Unfällen fand die Studie im afrikanischen Burkina Faso, wo fast 84% der Bäuer*Innen und Landarbeiter*Innen jährlich einen Pestizidunfall erleiden.

Diese Unfälle haben oft langfristige gesundheitliche Schädigungen zur Folge, die auch zu Invalidität oder zum Tod führen können. Besonders schockierend: Trotz der schönen «Social Responsibility» Prospekte von Syngenta und Bayer haben die Unfälle keineswegs abgenommen. In den letzten 30 Jahren hat sich die geschätzte Zahl mehr als verzehnfacht.

Solche Unfälle sind nicht akzeptabel. La Via Campesina engagiert sich aktiv in der Erprobung und der Schulung pestizidfreier agrarökologischer Landwirtschaft, mit der die lokale Bevölkerung gesund und vielseitig ernährt werden kann. Voraussetzung ist, dass die industriell-kapitalistische Landwirtschaft mit ihren Soja- und Maismonokulturen für den Weltmarkt zurückgedrängt wird.

Am March against Bayer & Syngenta in Basel tragen wir eine Fahne von «La Via Campesina» vor den Hauptsitz von Syngenta. Vom Agromulti und von den Regierungen fordern wir einen Plan für den Ausstieg aus der Pestizidlandwirtschaft!

Dieser Text entstand im Rahmen des March against Bayer & Syngenta 2021

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