Syngenta: Paraquat-Vergiftungsfälle in Indien

Der Einsatz von Paraquat durch ungeschulte und ungeschützte Landarbeiter*innen in Ländern des Globalen Südens gefährdet deren Gesundheit und Leben, wie zahlreiche Vergiftungsfälle in Indien aufzeigen. MultiWatch fordert das sofortige Verbot von Paraquat.

Es gibt kaum ein Produkt, dass bei Plantagenarbeiter*innen und Bäuer*innen im Süden zu mehr Vergiftungsfällen führt als das Unkrautvertilgungsmittel Paraquat, welches von Syngenta unter dem Markennamen Gramoxone verkauft wird. In diversen Ländern war Paraquat führend in der Statistik von Vergiftungs- und Todesfällen. In der Schweiz wurde es wegen zu hoher Toxizität 1989 verboten. Das 1961 vom britischen Chemieunternehmen Imperial Chemical Industries (ICI) lancierte Gramoxone war aber immer noch eines der meistverkauften Herbizide weltweit und ist bis heute mit einem Umsatz von rund 560 Millionen USD eines der Top-10-Produkte für Syngenta.

Studie: Eine sichere Verwendung von hochgiftigen Pestiziden in Indien ist eine Illusion

Wie in vielen anderen Ländern im Globalen Süden wird Paraquat auch in Indien trotz weltweiten Widerstands immer noch vertrieben. Das Pestizid ist weiterhin eines der wichtigsten Produkte des Basler Konzerns, obwohl es in 32 Ländern, darunter der Schweiz, verboten ist. Syngenta hat für Propagandazwecke eine eigene Website aufgeschaltet. Auf dieser wird Paraquat sogar als Beitrag zu einer nachhaltigen Landwirtschaft gepriesen; dabei gebe es lediglich einige Sicherheitsbestimmungen einzuhalten (Paraquat Information Center 2015). Eine empirische Feldstudie von 2015 hat die Anwendung von Paraquat in Indien erforscht (Kumar 2015). Die Studie befragte 50 Bäuer*innen, 23 Landarbeiter*innen sowie lokale Behörden in sechs Teilstaaten Indiens. Trotz der kleinen Stichprobe sind die Befunde alarmierend. Wenige Wochen nach der Publikation doppelte eine Koalition von NGOs mit einem zusätzlichen Bericht über Syngenta und Bayer im indischen Punjab nach (ECCHR 2015). Die beiden Studien zeigen glasklar, dass die sichere Verwendung von hochgiftigen Pestiziden in Indien aus verschiedenen Gründen eine Illusion ist.

Im Folgenden werden kurz drei Gründe beschrieben, weshalb eine sichere Verwendung von hochgiftigen Pestiziden in Indien ist eine Illusion:

1. Äusserst fragwürdige Verkaufspraktiken

Als Erstes sind die Verkaufspraktiken zu erwähnen. Syngenta ist wohl der wichtigste Hersteller von Paraquat, doch das Pestizid wird in Indien von verschiedenen Herstellern unter 14 verschiedenen Namen vertrieben. Paraquat wird zudem für 25 verschiedene Nutzpflanzen eingesetzt, obwohl es in Indien nur für 9 Arten zugelassen ist. Die Hersteller von Paraquat empfehlen das Pestizid also auch für Kulturen, für die es nicht zugelassen ist. Paraquat wird in Plastiksäcken und in Wiederauffüllflaschen verkauft, die nach der Verwendung oft einfach weggeworfen werden. Gelagert wird es von den Bäuer*innen meist nicht in separaten Gebäuden, sondern in Wohnräumen.

2. Fehlende Information und Ausbildung

Das zweite Problem bezieht sich auf die Information: Die Hälfte der Bäuer*innen kauft Paraquat ohne Etikette mit Gebrauchsanweisung. Selbst wenn es eine Etikette hat, lesen und verstehen viele Bäuerinnen und Bauern, Landarbeiterinnen und Landarbeiter die Verpackungshinweise nicht. Entweder können sie kaum lesen oder die Etikette ist nicht in ihrer Sprache geschrieben. Ausserdem sind die Sicherheitshinweise auf den Etiketten und die Anleitungen oft mangelhaft. Die Mehrheit der Bäuer*innenschaft hat weder eine Ausbildung in der Anwendung von Paraquat erhalten, noch haben sie Zugang zu einer solchen Ausbildung. Einige Landarbeiterinnen oder Landarbeiter wissen nicht einmal, ob sie dem Gift ausgesetzt worden sind oder nicht.

3. Keine adäquate Ausrüstung

Ein drittes Problem betrifft die Schutzkleidung: Drei Viertel der Befragten treffen überhaupt keine Schutzmassnahmen und nur ein kleiner Teil trägt die vorgeschriebene Schutzkleidung. Die meisten wissen nicht einmal, dass es so etwas wie eine Schutzausrüstung gibt. In vielen Gebieten kann sich die arme Bäuer*innenschaft auch keine adäquate Ausrüstung leisten. Gearbeitet wird mit einfachen Handsprayern. Häufig entstehen Lecks in den Sprayern, doch die Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer wissen nicht, wie diese repariert werden können. Nach dem Ausbringen des Gifts arbeiten die meisten Bäuer*innen üblicherweise ohne Unterbruch auf dem Feld weiter.

Dies widerspiegelt die traurige Realität in Indien. Der Verhaltenskodex für den Pestizideinsatz der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO) besagt darum auch, dass „Pestizide, deren Handhabung den Einsatz von persönlichen Schutzausrüstungen erfordert, die unangenehm zu tragen, teuer oder nicht ohne weiteres verfügbar sind, vermieden werden sollen, besonders im Fall der Kleinverbraucher in tropischem Klima“ (FAO 2002: 9). Wenn die Konzerne sich also mit einfachen Empfehlungen aus der Verantwortung zu stehlen versuchen, verstossen sie gegen den FAO-Kodex und setzen die Menschen wissentlich erheblichen Gesundheitsrisiken aus (mehr Informationen hier).

Syngentas Argumentation erinnert an die der Waffenlobby, die sich unschuldig stellt, wenn mit den verkauften Waffen Menschen umgebracht werden. Die Haltung, es komme nur auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften an, ist nicht nur naiv, sondern zynisch.