Syngentas Agrogift Atrazin

Syngentas Atrazin eines der verbreitesten Herbizide in den Vereinigten Staaten und wird grossflächig auf Äckern, beim Mais- und Sojaanbau angewendet. In der Europäischen Union und in der Schweiz wurde Atrazin aufgrund einer möglichen Grundwasserbelastung verboten. Studien weisen nach, dass das Unkrautvernichtungsmittel beispielsweise bei männlichen Fröschen zu Verweib­lichung führen kann. Auch soll Atrazin zu einem erhöhten Krebsrisiko führen.

Der von Syngentas Wirkstoff Atrazin bedrohte Frosch war am March against Monsanto & Syngenta 2017 in Basel ein beliebtes Sujet

Schätzungen zufolge sind höchstens 10 Prozent der eingesetzten Pestizide tatsächlich gegen ihre Zielschädlinge wirksam. Unmengen von Pestiziden dringen direkt ins Ökosystem ein und führen zu einem Verlust an Biodiversität und zu einer Verseuchung des Bodens, des Wassers und der Umwelt im Allgemeinen. Als eines der bekanntesten Negativbeispiele gilt Atrazin, ein Agrargift von Syngenta (siehe Vorwort von Miguel A. Altieri zum Schwarzbuch Syngenta). Syngenta ist weltweit führend beim Verkauf des Herbizids, das als hormonverändernd und fortpflanzungsgefährdend eingestuft wird. In der Schweiz und in der EU ist der Einsatz untersagt. Atrazin wurde in der EU 2004 verboten, weil seine Rückstände häufig im Grundwasser nachweisbar waren.

Atrazin: Negative Beeinträchtigung der Ökosysteme unserer Ozeane

Bereits im Januar 2007 hat die Nationale Behörde für Ozean- und Atmosphärenforschung (NOAA) der USA auf negative Auswirkungen des Herbizids Atrazin auf das Phytoplankton hingewiesen. Diese im Meer lebenden Mikroorganismen stellen die wichtigste Nahrungsquelle für andere Organismen wie Muscheln dar. Bereits heute zeichnen sich die enormen und irreversiblen Auswirkungen ab, die Atrazin auf dieses kritische Glied in der ozeanischen Nahrungskette haben wird. Auch kommerziell wichtige Schalentier- und Fischpopulationen sowie Meeressäuger (Wale), von denen viele bereits bedroht oder gefährdet sind, werden geschädigt. Im Jahre 2007 betrug die in den USA ausgebrachte Menge Atrazin um die 36’000 Tonnen. Davon wurden drei Viertel auf Maisfeldern im Mittleren Westen versprüht. Wenn Atrazin von den Feldern in Gewässer abfliesst, führt dies zur Bedrohung zahlreicher Tierarten, insbesondere weil die Produktion von Testosteron unterbunden und die Produktion von Östrogen anregt wird. Dadurch wird das Hormongleichgewicht gestört, es kommt zu einer Demaskulinisierung und Feminisierung. Diese Wirkung von Atrazin ist bei Fischen, Amphibien, Reptilien und Säugetieren beobachtet worden.

Atrazin führt zu schwerwiegenden Krankheiten

Mit Pestiziden und anderen Agrargiften, die ins Wasser und in menschliche Nahrungsquellen gelangen, werden verschiedene Gesundheitsprobleme in Zusammenhang gebracht, unter anderem neurologische und hormonelle Funktionsstörungen, Geburtsfehler, Krebs und andere Krankheiten (siehe Vorwort von Miguel A. Altieri zum Schwarzbuch Syngenta). In den USA sind bei vielen sechs- bis elfjährigen Kindern hohe Blutspiegelwerte zweier Pestizidwirkstoffe nachgewiesen worden, die für ihre Wirkung als Nervengifte bekannt sind: die phosphororganischen Pestizidwirkstoffe Chlorpyrifos (ein Insektizid) und Methylparathion (ein Herbizid). Etliche Ökologinnen und Ökologen,  Epidemiologinnen und Epidemiologen blicken deshalb mit Besorgnis auf das Herbizid Atrazin. Studien am Menschen haben gezeigt, dass Atrazin möglicherweise endokrin wirkende Eigenschaften hat, das heisst, dass es Hormone blockieren oder imitieren könnte. Einigen Studien zufolge könnte Atrazin Föten schädigen und die Qualität des Spermas beeinträchtigen.

Atrazinresistente „Superunkräuter“

Herbizide sind derzeit die einzigen Pestizide, deren Verbrauch weltweit ansteigt. Die Ursache dafür liegt in der gesteigerten Nachfrage nach Herbiziden für Pflanzensorten, die mit gentechnischen Mitteln herbizidresistent gemacht wurden. Diese herbizidresistenten Sorten werden inzwischen auf einem grossen Teil der gesamten für transgene Sorten vorgesehenen Anbauflächen angepflanzt. 2014 waren dies weltweit 1,8 Millionen Quadratkilometer, gemäss Schätzungen sollen es im Jahr 2019 bereits 2,8 Millionen Quadratkilometer sein. Mit herbizidresistenten Sorten weiten die Agrokonzerne den Markt für die von ihnen patentierten Chemikalien aus. Infolge des andauernden Einsatzes von Herbiziden wie Atrazin werden die Unkräuter resistent gegen diese Chemikalien. Unter dem Druck der Industrie, die Herbizidverkäufe zu steigern, werden immer mehr Anbauflächen mit nichtselektiven Herbiziden behandelt, was das Resistenzproblem weiter verschärft. Inzwischen gibt es nach über 60 Jahren Atrazineinsatz weltweit bereits über 80 dokumentierte atrazinresistente „Superunkräuter“. Kein anderes Herbizid hat sich je so drastisch auf die Evolution der Unkräuter ausgewirkt. Um die Unkrautresistenzen zu umgehen, tendieren Bäuer*innen in Südamerika dazu, die Herbiziddosierung zu erhöhen oder auf andere Herbizide wie 2,4-D zurückzugreifen. Auf diese Weise geraten sie in eine eigentliche Pestizidtretmühle.

Fallbeispiel: Einsatz von Atrazin auf Kauai (Hawaii)

Kauai ist die nördlichste bewohnte Insel Hawaiis. Sie ist 1430 Quadratkilometer gross und somit etwa so gross wie der Schweizer Kanton Aargau. Nirgends auf der Welt fällt mehr Regen, und die Biodiversität ist sehr hoch. Auf Kauai lässt Syngenta aber auch gentechnisch veränderte Mais- und Sojasorten testen, welche in den Labors des Schweizer Konzerns in North Carolina entwickelt werden (siehe hier für die Falldokumentation). Syngenta nutzt Kauai vor allem für die beschleunigte Produktentwicklung ihres Gentechsaatguts. Die bisher wichtigste Eigenschaft von genetisch veränderten Pflanzen für die Agromultis ist ihre Pestizidtoleranz. Deshalb werden auf den Testfeldern sehr viele und sehr unterschiedliche Pestizide ausgebracht, um deren Wirkung auf Syngentas Mais- und Sojasorten zu testen. Dabei handelt es sich oft um die Kategorie der hochgiftigen Pestizide, welche ausschliesslich von zertifizierten Personen eingesetzt werden dürfen. Gemäss dem Landwirtschafts­departement von Hawaii werden jährlich 22 hochgiftige Pestizide eingesetzt. Syngenta versprüht zum Beispiel das berühmt-berüchtigte Atrazin. Atrazin ist in der Schweiz zum Schutz von Menschen, Tieren und Umwelt seit langem verboten. Besonders in der Kritik sind die Pestizideinsätze in der Nähe von Schulhäusern. Diese Einsätze werden jedoch von Syngenta schöngeredet. So behauptet beispielsweise Syngenta-Manager Mark Phillipson weiterhin, dass Tausende von Studien bewiesen hätten, dass Atrazin ungefährlich sei (Phillipson 2015). Doch auch die Tourismusindustrie zeigt sich wegen der Vergiftung der Natur zunehmend besorgt: Atrazin kann in Kauaii in hoher Konzentration im Wasser nachgewiesen werden. Und Biologen schätzen, dass 2012 mehr als 50‘000 Seeigel an den Pestiziden zugrunde gingen (Hooser 2013).

Fallbeispiel: Atrazin im Trinkwasser in Brasilien

Brasilien ist der grösste Markt von Syngenta. Das Land setzt in der Landwirtschaft weltweit am meisten Pestizide ein. Public Eye hat vor Ort mit der Organisation Réporter Brasil die Daten des brasilianischen Programms zur Kontrolle der Trinkwasserqualität analysiert (mehr Informationen hier und auf Seite 28 des Public Eye Reports “Highly hazardous profits”). In 85 Prozent aller Trinkwasserproben habe man die Substanz Atrazin nachweisen können.

Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der öffentlichen Forschung

Syngenta verfolgt verschiedene Greenwashing-Strategien (mehr Informationen zum Begriff und im Allgemeinen zu den verschiedenen Strategien unter dem Kapitel “Greenwashing und Good Growth Plan: zur Ideologie von Syngenta” vom Schwarzbuch Syngenta). Häufig verwenden sie selektive Strategien und Taktiken im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit: Aus der Gesamtheit der möglichen Wirkungszusammenhänge sucht sich Syngenta jeweils jene Aspekte heraus, die den Konzern in einem positiven Licht erscheinen lassen, verschweigt dann aber die anderen. Beispielsweise wird über den sparsamen Umgang mit Wasser gesprochen, ohne die Vergiftung des Wassers mit Atrazin zu erwähnen. Dasselbe galt auch für eine Professur für “Nachhaltige Agrarökosysteme” am neuen Kompetenzzentrum „World Food System“ an der Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH), an welcher Syngenta 10 Millionen CHF spendete. Die Problemfelder, die Syngentas Produkte betrafen, wurden aus der öffentlichen Kommunikation zur Professur ausgeklammert (siehe das Kapitel “Syngentas Einfluss auf die öffentliche Forschung” vom Schwarzbuch Syngenta). Noch direkter bekam die Tyrone Hayes, Biologieprofessor an der University of California in Berkeley, die Einflussnahme seitens Syngenta zu spüren. Er und sein Team schlossen 1997 eine Vereinbarung mit Syngenta für eine Risikoanalyse des Herbizids Atrazin ab. Sie fanden heraus, dass Atrazin das Hormonsystem von Fröschen verändert. Syngenta publizierte diese Resultate nicht. Hayes wollte dies nicht akzeptieren und unternahm weitere Studien, die die gleichen alarmierenden Resultate zeigten. Für Syngenta stellte Hayes eine Bedrohung dar, weil Atrazin im Agrochemiemarkt der Vereinigten Staaten lukrativ war. Die Firma bespitzelte Hayes, sie diskreditierte ihn und benutzte persönliche Informationen über seine Familie und Herkunft, um ihn unter Druck zu setzen (Aviv 2014). Hayes wurde später ans Völkertribunal über die grossen Agrokonzerne in Bangalore eingeladen und konnte dabei seine Erfahrungen detailliert vermitteln (siehe das Kapitel “Völkertribunal über die Agromultis in Bangalore” im Schwarzbuch Syngenta).

Verbot der Produktion und des Verkaufes von hochgefährlichen Pestiziden wie Atrazin

Public Eye fordert in einer Petition Syngenta dazu auf, die Produktion und den Verkauf hochgefährlicher Pestizide wie Atrazin weltweit einzustellen. Gleichzeitig pocht die Nichtregierungsorganisation auf Massnahmen der Politik. Sie soll den Export der Pestizide verbieten.

Historische Perspektive auf die Entstehung von Atrazin

Die Entstehung des Herbizid Atrazin ist verknüpft mit der Vergangenheit von Syngenta. Syngenta wurde im Jahr 2000 durch die Ausgliederung und den Zusammenschluss der Agrobusinessbereiche von Novartis und AstraZeneca gegründet. In den 1930er Jahre stiegen die Novartis Vorgängerfirmen Geigy, Sandoz und Ciba in Basel mit der Erforschung, Entwicklung und Produktion von synthetischen Pestiziden ins Agrobusiness ein. Diese drei Firmen hatten sich wegen des im 19. Jahrhundert fehlenden Patentschutzes in Basel niedergelassen und waren im Teerfarbengeschäft für die Textilindustrie gross geworden (komplette Geschichte unter „Wie Syngenta entstand“ im Schwarzbuch Syngenta). Der Aufstieg der Agrochemie ging nach 1945 mit der Industrialisierung der Landwirtschaft einher. Verkauft wurden nicht nur Insektizide, sondern auch Herbizide wie etwa Atrazin von Ciba-Geigy für den intensiven Maisanbau in den USA. Diese Jahre waren für die Agrochemie eine veritable goldene Zeit.

Später kam u.a. Atrazin während des Vietnamkrieges zum Einsatz: Unter der Bezeichnung „Operation Ranch Hand“ wurden während des Vietnamkriegs von der US Air Force etwa 72 Millionen Liter Herbizide über Südostasien versprüht. Der Einsatz gemischter Herbizide, die in verschiedenfarbigen Fässern (daher Agent Orange oder Agent White) transportiert wurden, dauerte von 1962 bis 1971 und enthielt auch Atrazin (siehe mehr Informationen im Kapitel „Agrobusiness und Krieg“ im Schwarzbuch Syngenta).