Syngentas giftige Hinterlassenschaft

Syngenta weigert sich, ihre Abfalldeponien in der Region Basel vollständig zu sanieren.

Beitrag von Dr. Martin Forter, Geograf und Altlastenexperte, zum Schwarzbuch Syngenta.

Basel, 19. April 2007: Greenpeace-Aktivist*innen haben bei Ciba, Syngenta, Clariant und Novartis symbolische «Giftmüll»-Haufen abgekippt. Wegen der rechtswidrigen und fahrlässigen Aushubarbeiten bei der Elsässer Deponie Letten haben Greenpeace Frankreich und Greenpeace Schweiz gemeinsam Klage eingereicht. Auf Bannern steht: “Was vor dem Eingang stört, stört auch in der Region! Totalsanierungen jetzt!” © Greenpeace / Ex-Press / Michael Wuertenberg

Syngenta zieht sich immer mehr aus der Region Basel zurück. Viele ihrer Produktions­anlagen hat sie mittlerweile ins Ausland verlagert, insbesondere nach Asien. Die Chemiemülldeponien will Syngenta hingegen hier zurücklassen. Achtzehn Sondermüll­deponien der früheren Chemiefirmen Geigy, Ciba und Sandoz sowie des Pharmaherstellers Hoffmann-La Roche sind in den drei Ländern der Region Basel bekannt (vgl. Karte). Die Vorgängerfirmen der heutigen Grosskonzerne Syngenta, Novartis, Clariant, Roche und BASF „entsorgten“ den teilweise hochgiftigen Müll aus ihren Fabriken in Basel, Schweizerhalle (CH), Grenzach (D) und Huningue (F) von Ende des Zweiten Weltkriegs bis Mitte der 1960er Jahre vor allem in ausgebeuteten Kiesgruben in der grundwasserreichen Rheinebene. [1]

Trinkwasser in Gefahr

Von den achtzehn Chemiemülldeponien haben die heute verantwortlichen Konzerne lediglich zwei kleine Gifthalden im Elsass (F) aufgeräumt (vgl. die Kreuze auf der Karte). Bei den übrigen Standorten verschmutzt der Chemiemüll noch heute das Grundwasser und zum Teil wahrscheinlich auch das Trinkwasser, etwa bei der Feldrebengrube in Muttenz (BL, CH). Für diese Sondermülldeponie sind heute BASF, Novartis und Syngenta verantwortlich. Deren Vorgängerfirmen Geigy und Ciba haben gemäss eigenen Angaben 13’500 bis 25’000 Tonnen Chemiemüll in die Feldrebengrube geliefert (Ciba SC/Novartis 1999: 9; Basler Zeitung 20.3.2007; Forter 2000: 245-256; Forter 2010: 83-87). Die Müllhalde liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des Trinkwassergebiets Muttenzer Hard. Über 230’000 Menschen in und um die Stadt Basel beziehen von dort ihr Trinkwasser. In diesem entdeckte Greenpeace (Greenpeace 2006) unter anderem die Substanzen Hexachlorbutadien und Tetrachlor­butadien, die das Erbgut verändern können. Sie stammen mit grosser Wahrscheinlichkeit aus der Feldrebengrube. In der Folge stellte sich heraus, dass Behörden und Industrie seit mindestens 26 Jahren von diesen und weiteren Schadstoffen im Trinkwasser wussten, ohne die Bevölkerung darüber zu informieren und etwas dagegen zu tun (Forter 2007).

Hexachlorbutadien und Tetrachlorbutadien dürften in der Region Basel sogar in der Milch stillender Frauen nachweisbar sein, die beispielsweise das Wasser der Hardwasser AG getrunken haben. Klärende Untersuchungen lehnt die Regierung des Kantons Basel-Stadt bis heute ab. [2]

75 Prozent der Schadstoffe, die im Basler Trinkwasser nachgewiesen wurden, finden sich auch in Abfallproben aus der Feldrebengrube. 94 Prozent dieser Substanzen tauchen ebenfalls im Grundwasser um die Muttenzer Chemiemülldeponien auf (Forter et al. 2013: 6). In der Feldrebengrube liegen geschätzte 1,4 Tonnen chlorierte Butadiene (Sieber 2011: 18). Dennoch betrachtet die Regierung des Kantons Basel-Landschaft nicht etwa die Deponie als Quelle der Trinkwasserbelastung. Sie vermutet als Ursache vielmehr einen Eintrag aus dem Rhein aufgrund von dessen Verschmutzung in der Vergangenheit (Regierungsrat BL 2008: 5). Einen Beweis für diese These hat die Regierung nie vorgelegt (Sieber 2011: 18). [3]

Erst nach den alarmierenden Wasseranalysen von Greenpeace im Jahr 2006 reagierten die Trinkwasserversorger. Die Hardwasser AG filtert ihr Trinkwasser seit 2007 mit einem relativ kostengünstigen Aktivkohlefilter. Die Gemeinde Muttenz hingegen baut eine aufwändige, mehrstufige Wasseraufbereitung, um die Schadstoffe aus ihrem Trinkwasser zu entfernen.

Billigsanierung statt Trinkwasserschutz?

In der Schweiz werden Sondermülldeponien wie die Feldrebengrube üblicherweise vollständig ausgegraben, erst recht, wenn sie das Trinkwasser einer ganzen Region gefährden oder gar verschmutzen. [4] Nicht so im Kanton Basel-Landschaft. Bei der Feldrebengrube will sich die zuständige Bau- und Umweltdirektorin Sabine Pegoraro (FDP) mit einem Teilaushub zufrieden geben. Warum akzeptiert der Kanton Basel-Landschaft eine Billigsanierung, obwohl diese das Problem der Feldrebengrube nicht löst und damit die Gefahr für das Trinkwasser bestehen bleibt? Die geplante mangelhafte Teilsanierung scheint

auch das Resultat eines „dreisten Doppelspiels“ zu sein, wie die Allianz Deponien Muttenz im Januar 2013 das intensive Lobbying der Industrie umschrieb (ADM 2013).

In wessen Interessen?

Die ADM kritisierte, BASF, Novartis und Syngenta hätten die vom Kanton eingesetzten Ausschüsse, die das Teilsanierungsprojekt ausgearbeitet haben, mit Interessenvertretungen geradezu durchsetzt (ADM 2013). Tatsächlich trat Ausschussmitglied Franziska Ritter als Geschäftsleitungsmitglied und Sekretärin des Sanierungsgremiums „Runder Tisch Feldreben“ für den Kanton Basel-Landschaft auf. Ab und zu vertrat sie dabei den damaligen Baselbieter Regierungsrat Peter Zwick (CVP) als Bauherrn. Zugleich war Ritter aber Verwaltungsratspräsidentin der BCI Betriebs-AG [5]. Diese Gesellschaft haben unter anderen die Konzerne BASF, Novartis und Syngenta gegründet [6], um die über 100’000 Tonnen Chemiemüll in der Deponie Bonfol (JU) auszugraben. Ritter sollte am Runden Tisch die Interessen des Kantons unter anderem gegenüber BASF-Kadermann Andreas Dür durchsetzen [7]. Mit ihm zog sie in Bonfol als zeichnungsberechtigtes Duo im Verwaltungsrat der BCI Betriebs-AG im Interesse der Industrie am selben Strick. Marco Semadeni (Syngenta), Vizepräsident des BCI-Verwaltungsrates, und BCI-Verwaltungsrat Roger Fischer (Novartis)  sassen in der „Technischen Fachkommission Feldreben“. Diese Kommission hatte den „Runden Tisch Feldreben“ [7] technisch beraten, den – wie erwähnt – zuweilen die BCI-Verwaltungsratspräsidentin Ritter im Namen des Kantons leitete. Nebenbei sei angemerkt, dass sogar das „Projektsekretariat Sanierung Feldreben“ durch eine ehemalige Chemie- und Pharma-Angestellte geführt wurde. Désirée Allenspach war nämlich langjährige Office-Managerin des Verwaltungsratssekretariats bei Novartis [8].

Industrie will Totalsanierung abwenden

Muttenz sollte billiger werden als Bonfol. Daran scheint Ritter gemäss ADM seit Jahren zu arbeiten. Unter dem Druck von Greenpeace und dem Kanton Jura hatte sie zwar im Jahr 2000 im Namen der Basler Konzerne eine Vereinbarung für die 350 Millionen Franken teure Totalsanierung der Deponie Bonfol unterzeichnet. Bei der Feldrebengrube aber wollte die Industrie ähnlich hohe Kosten vermeiden. Dies legt das Protokoll einer Sitzung nahe, die mit Ritter – damals noch für Ciba (heute BASF) tätig –, Novartis und dem Baselbieter Amt für Umwelt und Energie (AUE BL) kurz nach der Bonfol-Einigung stattfand. Ritter und ihre Kollegen aus der Industrie bestätigten im Sommer 2000 nämlich, dass in der Feldrebengrube problematische Stoffe vorhanden seien, die „bei entsprechenden Ausbreitungsmöglichkeiten in jedem Fall eine Gefährdung“ etwa für das Basler Trinkwasser zur Folge haben könnten. Ritter wies darauf hin, dass diese Beurteilung wie in Bonfol, so auch bei der Feldrebengrube „zu einem Ruf nach einer Totalsanierung führen“ könne (Rohrbach 2000). Das wollen die Chemie- und Pharmafirmen verhindern.

Kantonsbeteiligung als Schutzschild

Ein kompletter Aushub der Feldrebengrube hätte Kosten von schätzungsweise 500 Millionen Franken zur Folge. Wie diese Totalsanierung in Muttenz abzuwenden sei, beschrieb Conrad Engler, ein Interessenvertreter der Chemie- und Pharmafirmen, in einem interne Mail vom Dezember 2002: „Wichtig ist (…) die Kantonsbeteiligung für die weiterführenden Abklärun­gen.“ So überlege sich der Kanton „wirklich auch zweimal, was er fordert im AUE BL, wenn er es (aus der gleichen Direktion) auch mitfinanzieren muss“ (Engler 2002). Je stärker der Kanton an der Beseitigung des privatwirtschaftlichen Chemiemülls beteiligt würde, umso weniger verlange die Regierung einen umfassenden Aushub, lässt sich direkt daraus folgern.

Im Juni 2010 kamen im Kanton Basel-Landschaft die Totalsanierungs- und die Trinkwasser-Initiativen der Grünen Partei zur Abstimmung. Diese Volksbegehren verlangten, dass alle Muttenzer Chemiemülldeponien – also auch die Feldrebengrube – auf Kosten der Verursacher vollständig ausgehoben werden, um das Basler Trinkwasser zu schützen. Beim Kanton würden mit grosser Wahrscheinlichkeit stattliche Kosten anfallen, sollten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Initiativen ablehnen. Dennoch arbeiteten die Regierung und die Mehrheit des Baselbieter Landrats gemeinsam mit der Industrie genau darauf hin. Schliesslich wurden die kantonalen Volksinitiativen mit rund 63% abgelehnt.

Mit 1,3 Millionen Franken gegen kantonale Volksinitiativen

Christoph Buser (FDP), heutiger Direktor der Baselbieter Wirtschaftskammer, trat damals als Wortführer im Parlament und als Kampagnenleiter der Initiativgegner auf. Eine kleine Abstimmungskampagne basiere auf 100’000 Franken, um die Initiativen zu bekämpfen, „und viel mehr werden wir wohl nicht zur Verfügung haben“, behauptete Buser im Mai 2010 (BAZ 6.5.2010). Am 16. August 2015 berichtete die Schweiz am Sonntag unter dem Titel „Christoph Busers Machtmaschine“, die Wirtschaftskammer Baselland habe damals über 1,3 Millionen Franken verfügt, um die Initiativen erfolgreich zu bodigen (Schweiz am Sonntag 2015) . Dieser Betrag kommt in der Schweiz normalerweise bei nationalen, nicht aber bei kantonalen Vorlagen zum Einsatz. Doch im Vergleich zu den Kosten für eine Totalsanierung der Feldrebengrube fallen solche Propagandagelder natürlich nicht ins Gewicht.

Damit nicht genug: Buser bzw. die von ihm geführte „Abstimmungskampforganisation“, das Institut für Wirtschaftsförderung der Wirtschaftskammer, habe die parlamentarische Debatte über die Initiativen mit „vorformulierten Vorstössen (…) gesteuert, die von Landräten verschiedener Parteien eingereicht“ worden seien, so die „Schweiz am Sonntag“. Beim lokalen Fernsehsender TeleBasel sei sogar eine Publikumsumfrage manipuliert worden vermeldete die Schweiz am Sonntag im gleichen Artikel. Ausserdem hätte der Jurist und Fernsehmoderator Jascha Schneider eine öffentliche Podiumsdiskussion sowie bei TeleBasel eine Abstimmungssendung mit dem Gast Christoph Buser leiten sollen. Erst nachdem die Basellandschaftliche Zeitung berichtete, dass Schneider auch als Anwalt für Buser tätig sei, sagte Schneider seine Moderationen kurzfristig ab (Basellandschaftliche Zeitung 28.5.2010).

Regierung kauft Chemiemülldeponie

Während des Abstimmungskampfes über die Deponie- und Trinkwasserinitiativen gab der Kanton Basel-Landschaft plötzlich bekannt, er kaufe den grössten Teil der Deponie Feldreben (BAZ 22.4.2010). Er bezahlte dafür 22 Millionen Franken (BZ Basel 31.1.2015). Kurz darauf erklärte die Industrie, sie überweise dem Kanton 20 Millionen Franken für den Trinkwasserschutz und bezahle 20 Millionen in einen Deponiefonds ein. Die Regierung wollte diese 40 Millionen Franken als Ausdruck des Verantwortungsbewusstseins der Konzerne verstanden wissen (Basellandschaftliche Zeitung 19.05.2010, BAZ 19.5.2010). De facto dürfte es sich eher um ein Trinkgeld gehandelt haben: Die Industrie versüsste dem Kanton die Übernahme allfälliger Sanierungskosten von 500 Millionen Franken alleine für die Feldrebengrube. Mit eingekauft hat der Kanton zudem die Verantwortung für eine mögliche Trinkwasserverschmutzung. Im Dezember 2015 kündigte der Kanton Baselland an, auf dem Feldrebenareal ein Bundesasylzentrum errichten zu wollen. Er will 500 bis 900 Flüchtlinge in den bestehenden Gebäuden der ehemaligen Chemiemülldeponie unterbringen und verlangt dafür monatlich vom Bund eine sechsstellige Summe für die Vermietung. Inakzeptabel und fahrlässig ist, dass die Belastung der Innenluft der dortigen Räume nie wirklich abgeklärt wurde (Strässle 2015).pastedGraphic.png

Kanton riskiert Gift im Trinkwasser

Wie von BASF, Novartis und Syngenta kalkuliert, ist nach der Ablehnung der Initiativen und dem Kauf der Feldrebengrube das Interesse des Kantons erlahmt, überhaupt eine Sanierung durchzuführen. Während des Abstimmungskampfs versprach die Regierung zwar noch vollmundig, die Sanierungsarbeiten würden 2012 beginnen (Basellandschaftliche Zeitung 22.4.2010). Doch bis im Herbst 2015 hat die Exekutive noch nicht einmal eine Verfügung für die von ihr geplante Billigsanierung erlassen und lässt es – trotz der Gefahr für das Trinkwasser – sogar auf zeitraubende, umweltrechtliche Auseinandersetzungen mit der ADM und der Gemeinde Muttenz ankommen.

 

Fusszeilen

[1]

Danach ging der Chemiemüll aus Basel nach Bonfol (BE, später JU; 1961 bis 1976, bald komplett ausgehoben), nach Kölliken (AG, 1976 bis 1985, komplett ausgehoben) sowie nach Teuftal (BE, 1975 bis 1996). Von 1969 bis 1972 gingen zudem Abfalllieferungen in die Grube Gerolsheim (Rheinland-Pfalz, D).

[2]

Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt: Beantwortung der schriftlichen Anfrage Stephan Luethi-Brüderlin (SP) betreffend „chemischer Lindan-Abfall-Staub“ (14.5413.02), Regierungsratsbeschluss v. 2.12.2014, Basel, 3.12.2014.

[3]

Im Trinkwassergebiet Muttenzer Hard reichert die Hardwasser AG seit Ende der 1950er Jahre das natürliche Grundwasser mit Rheinwasser an, um das Grundwasser intensiver als Trinkwasserquelle zu nutzen.

[4]

Beispiele Bonfol, Kölliken, Pont Rouge.

[5]

Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion Basel-Landschaft, Informationsdienst: Sanierung Deponie Feldreben – Rahmenbedingungen der Kooperationsvereinbarung und Terminplan des Sanierungsprojekts, Medienmitteilung, Liestal, 28.8.2012.

[6]

Handelsregister des Kantons Basel-Stadt: BCI Betriebs-AG, CH-270.3.013.060-8, Auszug v. 21.1.2013.

[7]

CSD AG: Sanierung Deponie Feldreben, Muttenz: Sitzung der Technischen Begleitgruppe/Fachkommission am 22.8.2012, Sitzungsprotokoll Nr. 15, S. 1.

[8]

Désirée Allenspach, Webpage Diamond-Office, Portrait, Bildschirmfoto v. 21.1.2013.

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