Pharma fürs Volk: Mit Sandoz für eine gerechte Medikamentenversorgung?

Ende August 2022 stand fest, dass sich der Basler Pharmakonzern Novartis von seiner Generikasparte Sandoz trennt und er sie im Halbjahr 2023 als eigenständiges Unternehmen etablieren will. Anhand von Sandoz und der anstehenden Trennung lässt sich gut aufzeigen, auf welche perfide Weise die gewinnorientierte Pharmabranche funktioniert. Gleichzeitig eröffnen wir eine Perspektive, wie Sandoz in Zukunft für eine gerechte Medikamentenversorgung stehen könnte.

Aus historischer Sicht hat der Name «Sandoz» ein grosses Gewicht: Aus der Fusion der Pharmaunternehmen Sandoz und Ciba-Geigy entstand 1996 überhaupt erst der Basler Konzern, den wir heute als Novartis kennen. Der Name «Sandoz» wurde daraufhin immer wieder für nicht rezeptpflichtige Medikamente verwendet. Im Mai 2003 wurde die Generikasparte der Novartis unter dem Namen «Sandoz» vereinheitlicht. Zusätzlich trug dieses neue Tochterunternehmen das alte Firmenlogo der Sandoz vor der Fusion. Erst mit dem Zukauf der Firmen Hexal AG und Eon Labs im Jahr 2005 und deren Eingliederung in die Sandoz entstand der zweitgrösste Generika-Konzern weltweit, so wie wir ihn heute kennen.

Sandoz steht für Generika und Antibiotika

Sandoz bezeichnet sich selber als «einer der weltweit führenden Anbieter von Generika und Biosimilars» und erzielt jährlich einen Umsatz von mehr als 10 Milliarden US Dollar (siehe Website von Sandoz, 27.10.2023). Biosimilars sind Nachahmerprodukte eines Arzneistoffes, die mit Mitteln der Biotechnologie und gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden. Dabei sind diese nicht völlig identisch mit dem Originalwirkstoff und erfordern deshalb aufwendigere Zulassungsverfahren und Überwachungsmassnahmen als die klassischen Generika. In Europa ist Sandoz hierbei Marktführer, weltweit verkaufen nur die Pharmakonzerne Pfizer und Amgen mehr (siehe NZZ, 21.2.2022). Zu den wichtigsten Arzneimittelgruppen im Angebot der Sandoz gehören die Antibiotika. Während Novartis aus der Antibiotika-Forschung ausgetreten ist (siehe Falldokumentation von MultiWatch), führt Sandoz die letzte Antibiotika-Produktion in Europa: Die Produktionsstätte im österreichischen Kundl stellt eine breite Palette an Antibiotika her, darunter Penicillin. Als während der Coronapandemie die Lieferungen aus China und Indien stockten, wurde den europäischen Ländern die Bedeutung einer eigenen Produktion bewusst. So sicherte die österreichische Regierung Novartis 50 Millionen Euro zu, um das Penicillin und die Arbeitsplätze in Kundl zu halten und die Produktion sogar noch auszubauen (siehe Die Zeit, 14.8.2021).

Novartis: Trennung von Sandoz folgt einer Finanzmarktlogik

Trotz staatlicher Unterstützung, hohem Umsatz und Wichtigkeit der Medikamente trennt sich Novartis von Sandoz. Diese Trennung hat eine rein finanzmarktorientierte Logik. Im Generikageschäft bewegt sich die EBIT-Marge (EBIT bedeutet «earnings before interest and taxes»; in deutscher Sprache «Ergebnis vor Zinsen und Steuern») zwar im Durchschnitt der letzten Jahre bei 12%, jedoch erzielte das forschungsintensive Medikamentengeschäft mit 25% mehr als das Doppelte (siehe schweizeraktien.net, 3.10.2022). Das Geschäft mit Generika zieht folglich die Margen des forschungsintensiven Medikamentengeschäfts runter. Während die Umsätze in der Pharmabranche in den letzten fünf Jahren stark stiegen, sanken jene von Sandoz leicht (siehe schweizeraktien.net, 3.10.2022). Mit einer Trennung will Novartis schneller wachsen und eine höhere Gewinnspanne vorweisen. Dies führt wiederum zu einer besseren Börsenbewertung. Ähnlich ging Novartis in den letzten 10 Jahren mit anderen Sparten vor, die nicht Teil des innovativen Medikamentengeschäfts mit hohen Margen waren: 2013 trennte sich Novartis vom Geschäft mit den Impfstoffen und den rezeptfreien Medikamenten. 2017 erfolgte die Trennung von der Augenheilsparte Alcon. Mit der Trennung von Sandoz folgt der nächste Schritt, mit welcher sich Novartis nun vollständig auf innovative, hohen Gewinn bringende Medikamente konzentriert.

Sandoz fürs Volk

Als eigenständiges Unternehmen ist für die Sandoz die Zukunft ungewiss. Weil mit Generika keine grossen Profite zu machen sind, besteht die Gefahr, dass die Pharmaindustrie sie auch nicht mehr herstellt. MultiWatch fordert in einer Medienmitteilung vom 26.8.2022, dass die Produktion von Generika deshalb der Profitlogik entzogen wird und dazu dient, die Menschen mit den notwendigen Medikamenten zu versorgen und die Gesundheitskosten zu senken. Wir fordern Novartis auf, die Sandoz in eine Stiftung einzubringen mit dem Zweck, die Bevölkerung mit günstigen und notwendigen Medikamenten zu versorgen. Diese Idee geht auf die Denknetz-Fachgruppe «Big Pharma» zurück, welche in ihrem Arbeitspapier «Toxic Pharma» einen Service public im Bereich Pharma und Gesundheitsforschung fordert. Später griff die SP Schweiz die Idee auf und fordert nun mit einer Motion den Bund dazu auf, Sandoz zu kaufen (siehe Handelszeitung, 7.11.2021). Anfang November ist das Buch «Pharma fürs Volk» von Beat Ringger erschienen, welches die Idee vertieft.

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